Zur Geschichte der Merklinger Mühlen
„Einst standen drei Mühlen im Tale der Würm…“
Autoren: Film-AG des JKG Weil der Stadt
Gemeint sind die einstmals drei Mühlen in Merklingen, von denen die Wasserkraft der Würm in Merklingen im Mittelalter genutzt wurde: der „inneren Mühle“, die wohl in der Gegend der früheren Widmann’schen Mühle zu denken ist, der „äußeren Mühle“ bei der St. Wendelinskapelle und der Sägmühle mit Ölschläge, die ihren Standort etwa in der Gegend der heutigen „Sägwiesen“, deren Namensgeber sie auch ist, hatte. Die Sägmühle dürfte anfangs des 16. Jahrhunderts, wohl wegen Baufälligkeit, abgebrochen worden sein, über sie ist uns weiter nichts bekannt.
Da eine Mühle zu den Grundbedürfnissen einer Siedlung gehört und die Bedingungen für einen Mühlenbau in Merklingen aufgrund überreichlicher Wasserkraft außerordentlich günstig waren, können wir annehmen, dass die Geschichte der Mühlen in Merklingen sehr weit zurück geht. 1482 wird die Fleckenmühle, auch „innere Mühle“ genannt, als Erblehen vom Kloster Herrenalb an Michel Niethammer verliehen. In diesem Erblehensbrief ist erstmals auch die „äußere Mühle“ bei St. Wendel genannt, aber ohne nähere Beschreibung. Nur die Rangordnung der beiden Mühlen wurde festgelegt: „Wenn die innere Mühle genug Wasser für drei Räder hat, so mag die äußere mit zwei Rädern mahlen. Hat aber die innere nur Wasser für zwei Räder, so muss sich die äußere auf ein Rad beschränken, und wenn das Wasser der inneren Mühle nur für ein Rad ausreicht, so soll die äußere Mühle still stehen.“
1523, also 41 Jahre nach dem Erblehensbrief des Klosters für die Ortsmühle, wird die äußere Mühle bei St. Wendel als Erblehen verliehen. Mit ihr der Graben vor der Mühle, in dem der Müller fischen durfte, jedoch die Hälfte seines Fangs an das Kloster Herrenalb abtreten musste, das auch an der anderen Hälfte den Vorkauf hatte.
Der Müller war frei von Frondiensten auf Gütern des Klosters, nicht aber dem Dorf gegenüber mit Landschaden1 und Landdienst2.
Das schöne klassizistische Tor der „Fleckenmühle“ mit dem Zeichen des Mühlrads zeugt vom Selbstbewusstsein der damaligen Besitzer der „Kunstmühle“. (Foto: Klaus Philippscheck)
Die beiden Mühlen lagen nicht, wie gewöhnlich, hintereinander am Bach, sondern die äußere Mühle war an einem ehemaligen Wässerungsgraben für die Felder „parallel“ zur inneren Mühle erbaut worden. Da sie erst später erbaut wurde, war ihr Betrieb, wie oben beschrieben, von dem der inneren Mühle abhängig. Dies führte sicherlich zu Reibereien zwischen den beiden Müllern.
So kam es, dass sich der Müller der äußeren Mühle einen neuen Standort suchte, bei dem er von der inneren Mühle nicht mehr abhängig war. Er beschloss, die wohl auch baufällige äußere Mühle abzubrechen und sie im unteren Würmtal, im Gewand „Riemen“, neu aufzubauen.
Den „alten Rauch“, d.h. die mit einer eigenen Herdstelle verbundenen Rechte, z. B. auf eine kostenlose Brennholzgabe von der Gemeinde, nahm der Müller auf den neuen Platz mit.
Über die Verlegung der Mühle im Jahre 1618 und die damit verbundenen Rechte und Pflichten ist uns eine Urkunde vom 7. Juli 1618 erhalten, deren Original im Württembergischen Staatsarchiv in Stuttgart aufbewahrt wird.
Die Fleckenmühle wird 1749 abgerissen und als dreistöckiger Bau neu errichtet.
Eine Mühle konnten ihren Kundenkreis bedeutend erhöhen, indem sie nicht nur für die Bauern mahlte, sondern auch Bäcker und Konditoren mit verschiedenen Mehlsorten belieferte. So taten dies auch die Merklinger Fleckenmüller, und ab 1870 finden wir die Bezeichnung „Kunstmühle. Eine Besonderheit der Merklinger Kunstmühle war dabei, dass sie nicht nur einheimische Getreidesorten gemahlen hat, sondern vor allem auch kanadischen Weizen. Dieser Weizen ist härter als hiesiger, was auch härtere Mahlsteine erforderte, da deren Abrieb größer war. Jedoch konnte die Merklinger Mühle dadurch ihr Einzugsgebiet bis nach Stuttgart ausdehnen, da das Mehl dieses Hartweizens zum Beispiel für die Zubereitung der schwäbischen Schabspätzle sehr gut geeignet war. Hauptsächlich die Familie Widmann, die letzten Betreiber dieser Kunstmühle, machte sich durch diese in der Umgebung einen großen Namen. Daher findet man auch des öfteren die Bezeichnung „Widmann’sche Mühle“, die vor allem in Merklingen noch oft benutzt wird.
Im Rahmen des großen Mühlensterbens in den 60er Jahren stellen sowohl die Riemenmühle als auch die Kunstmühle ihren Betrieb ein. Das Mühlgebäude der Fleckenmühle wurde abgerissen und der Mühlgraben zugeschüttet, wodurch große Baugebiete in Merklingen erschlossen werden konnten. Das Wohngebäude der Fleckenmühle steht heute noch, ebenso die Riemenmühle. Der Abbau des alten Wehrs am ehemaligen Mühlkanal der Riemenmühle soll der Wassertierwelt wieder größere Freiräume ermöglichen.
Inhalt der Urkunde über die Verlegung der äußeren Mühle aus dem Jahre 1618 - gekürzt und in verständliches Deutsch übertragen von Alfred Lutz, Merklingen
1. „Der Durchlauchtigste, hochgeborene Fürst und Herr, Johann Friedrich, Herzog zu Württemberg und Teck, Graf von Mömpelgard, Herr zu Heidenheim, hat uns, dem Michel Dürr Alt und Jung (also Vater und Sohn) auf unser untertänigstes Gesuch gestattet, dass wir die von dem Kloster Herrenalb uns als Erblehen überlassene Mahlmühle auf einen anderen, bequemeren Platz versetzen.Die neue Mühle hat zwei Mahlgänge und einen Gerbgang, außerdem eine Behausung (ein Wohnhaus) und eine Scheuer, sowie einige Wiesen, deren Lage durch die Benennung der anstoßenden Grundstücke näher beschrieben wird. In den folgenden (ausgewählten) Punkten sind die Rechte und Pflichten der Müller Michel Dürr alt und jung gegenüber ihrer Obrigkeit geregelt.
Wir verpflichten uns, die alte Mühle abzubrechen und sie samt dazu gehöriger Scheuer, mit Stallungen und anderer Notdurft auf dem erwähnten Platz zu bauen, doch ohne dass dem Flecken Merklingen dadurch ein Schaden entsteht. … Besonders aber werden wir den Wassergraben oberhalb der alten Mühle jederzeit instand halten und ungefähr alle vier Wochen, soweit erforderlich räumen und säubern und zwar auf unsere Kosten, es sei denn, der Graben wäre völlig verschlammt (z B. durch ein starkes Gewitter), dass er vollständig ausgeräumt werden müsste. In diesem Fall wolle von Seiten des Klosters eine Anzahl bedürftiger Personen zur Fron bestellt werden, denen wir Müller, solange sie die Gräben säubern, Kost und Unterhalt zu reichen schuldig sind.
Der Herzog hat auch uns Pächtern vergönnt (d. h. erlaubt), dass wir in dem genannten Graben fischen dürfen. Was wir fangen, gehört zur Hälfte dem Klosterhof in Merklingen und der andere Teil uns. Falls wir aber unsere Hälfte verkaufen wollen, so müssen wir dies zuvor den Amtmann im Klosterhof wissen lassen und falls er es wünscht, müssen wir sie ihm zu kaufen geben und zwar ein Pfund große Fische für einen Schilling Heller und ein Maß kleiner Fisch für drei Schilling Heller, jedoch nichts verheimlichen, sondern den Fang allezeit offen darlegen
Den Bach aber, der von den Mühlrädern in die Würm herab läuft, behält sich der Herzog und das Kloster zum Fischfang vor, ohne dass wir, die Pächter, unsere Erben und Nachkommen sich darein mischen.
2. Der Herzog hat uns gnädig bewilligt und zugestanden, dass wir Pächter und jeglicher Müller, der in dieser Mühle wohnt, im Heuet, in der Ernte und bei sonstigen Anlässen vom Frondienst bezüglich der Klostergüter befreit sind. Was aber dem gemeinen Mann gegenüber dem Dorf zu Merklingen zu tun gebührt, sei es was es wolle, so wollen auch wir, wie jeder andere Müller im Ort unsere Schuldigkeit tun und uns dem gemeinen Landrecht unterwerfen. …
3. Zugleich für unsere Erben und Nachkommen wollen wir wegen der uns erlaubten Veränderung der neuen Mühle und dem uns zusätzlich bewilligten Mahlgang anstelle der bisher gezahlten 14 Pfund2* nunmehr 20 Pfund gute württembergische Währung zahlen und zwar in vier Raten, jeweils auf die vier Fronfasten3*, die erste Rate gleich nach Fertigstellung des neuen Mühlebaues und fürderhin ewiglich fortzusetzen. Der Zins ist an den Amtmann oder seinen Stellvertreter auf unsere Kosten und auf unsere Gefahr, abzugsfrei und ohne Kosten zu zahlen, und zwar ohne Rücksicht auf Notrecht, Krieg oder Bann.
…
6. Das Mühlwerk ist immer so anzustellen, dass die Mühle zwar angetrieben wird, jedoch durch „Schwöllung des Wassers“ (Aufstauen) niemand kein Schaden zugefügt werde.
…
10. Die Verhängung von Strafen steht dem Herzog als Landesfürsten, keineswegs aber denen von Merklingen zu. …“
Anschließend folgt die Beschreibung des sog. „Urstattguts“, d.h. der Felder und Wiesen, die zur Mühle gehören.
„Das Urstattgut, das uns, den mehrmals erwähnten Vater und Sohn Dürr, von Schultheiß und Gericht zu Merklingen übertragen wurde, besteht aus einem Viertel Wiesen am Blaich (Bleichwiese), am Riedgraben zwischen Martin Kaiser einerseits und andererseits den Wiesen anderer Eigentümer, stoßt oben auf Hans Gall von Weil der Stadt und unten an den Riedgraben, wofür das Kloster Herrenalb einen Heller Zins erhält. …
Geschehen und gegeben zu Merklingen, den siebenten Monatstags Juli als man von Christi Geburt gezählt, eintausend sechshundert und achtzehn Jahre.“
Anmerkung:
Die Urkunde dürfte von einem Schreiber des Klosterhofs verfasst worden sein. Sie trägt keine Unterschriften der Müller, offenbar waren diese des Schreibens unkundig.
Erzählungen zum Leben bei den ehemaligen Merklinger Mühlen
Die Dusche
Wenn es im Sommer besonders heiß war, ging der Schullehrer mit uns an die Würm. Vor dem Wehr, in dem sehr tiefen Wasser, das zur Riemenmühle floss, durften nur die vier oder fünf von uns baden, die schwimmen konnten. Wir, die meisten Schüler der Klasse, sind unter das Wehr gegangen und haben uns von dem herabprasselnden Wasser, das über die Wehrtafel schoss, duschen lassen.
Es war herrlich!
Frau Buess, Merklingen
Der Hecht (1920)
Mein Vater war Pächter an der Würm; er hat meine Mutter 1923 geheiratet.
Als er verlobt war, hat er einmal einen sehr großen Hecht gefangen und nach Weil der Stadt zum Hause seiner Verlobten gebracht. Dort hat er ihn in die steinerne Tränke gelegt. Die war so groß, dass der Hecht gerade noch hineinpasste.
Obwohl ich den Hecht nie gesehen hatte, habe ich oft ein mulmiges Gefühl beim Baden in der Würm gehabt, wenn ich an den großen steinernen Trog dachte.
Frau Buess, Merklingen
Nach der Arbeit
Wenn im Sommer die Arbeit beendet war, war es schon dunkel. War der Tag besonders heiß gewesen, sagte mein Vater oft: „Jetzt gehe ich baden.“
Er ging in Merklingen zum Wehr der Mühle, wo das Wasser besonders tief war.Ich bin oft mit ihm gegangen. Er ist in der Dunkelheit geschwommen. Die Ruhe des dunklen, tiefen Wassers war für mich ein bisschen unheimlich.
Er kam erfrischt heraus, wie von der ganzen Last des Tages befreit.
Frau Buess, Merklingen
Die Aale (1940)
Jede Woche wurde bei der Metzgerei und Gaststätte „Rose“ in Merklingen geschlachtet.
Mein Onkel nahm mich oft mit zum Angeln; er war einer der vier Pächter der Würm. Als er nach Russland zog, hatte er die Pacht auf mich übertragen lassen. Ich war 15 und wusste schon, dass die Aale sich besonders gern bei der Brücke aufhielten, wo die Abwässer der Metzgerei in die Würm geleitet wurden.
Jedes Mal, wenn ich nach dem Schlachten hinging, habe ich vier oder fünf Aale gefangen, aber ich habe niemandem gesagt, wo ich sie gekriegt hatte.
Paul Buess, Merklingen
Die Forellen
Im Juni oder Juli 1942, es war ein Montag, ich weiß es jetzt noch ganz genau, bin ich mit zwölf anderen Siebzehnjährigen aus Merklingen gemustert worden.
Danach bin ich mit einem Freund an die Würm oberhalb des Wehres der Riemenmühle gegangen. Das Wasser war dort etwa dreieinhalb Meter tief. Der Freund hat Heuschrecken gefangen, und ich habe nach Forellen gefischt.
An diesem Nachmittag habe ich 25 Forellen gekriegt. Die hat die Wirtin vom „Adler“ kostenlos für die Gemusterten gebraten. Es war unser letztes gemeinsames Mahl in Merklingen.
Zurück sind nur vier von uns gekommen.
Paul Buess, Merklingen
Fischsterben (1949)
Zwischen den Wehranlagen der Widmannschen und der Riemenmühle wimmelte es von Fischen jeder Art.
Als einer der Fischerei-Pächter von Merklingen war ich besonders betroffen, als ich eines Morgens eine große Menge tote Fische vor dem Wehr der Riemenmühle fand. Große und kleine Fische lagen da quer durcheinander in einer Schicht von vielleicht 20 oder 30 Zentimeter Dicke. Das gleiche traurige Bild bot sich auch vor dem Wehr der Widmannschen Mühle in Merklingen und bei der Planmühle in Weil der Stadt.
Die Polizei wurde verständigt. Sie zog die Spezialisten der Wasserschutzpolizei aus Karlsruhe zu Rate. Der oder die Verursacher waren aber nicht feststellbar. Es wurde uns auch zu verstehen gegeben, dass die Industrie wichtiger war als ein paar Fische.
Viel später haben wir erfahren, welche Firma im Freien gegerbt hatte. Danach haben die Gemeindepächter aufgehört, das Fischsterben nicht.
Paul Buess, 1925, Fischereipächter in Merklingen von 1941-1950
Für die Überlassung der Texte und des historischen Bildes danken wir der Familie Buess und Herrn Jean-Jacques Itasse, Merklingen
Erstveröffentlichung: Die Würm – im Fluss der Zeit, CD-ROM, Johannes-Kepler-Gymnasium Weil der Stadt
Wir danken der Film-AG des Johannes-Kepler-Gymnasiums Weil der Stadt für die Überlassung des Textes und dem Heimatkreis Merklingen für die Überlassung des historischen Fotos.