Münklingen in der Beschreibung des Leonberger Oberamts von 1852
„…auf 3 Seiten von Bergen geschützt“
Autor: Karl Eduard Paulus
Münklingen, Gemeinde III. Kl. Mit 450 Einw., wor. 1 Kath. – Ev. Pfarrei.
Das kleine, freundliche, reinlich gehaltene Pfarrdorf liegt 4 Stunden südwestlich von der Oberamtsstadt, theils in der Ebene, theils an einem nordwestlich geneigten Abhange eines engen, ziemlich tief eingeschnittenen Thales und stößt mit der Nordwestseite seiner Markung auf die badische Landesgrenze. Es ist auf 3 Seiten von Bergen geschützt und nur gegen Osten dem freien Zutritt der Winde ausgesetzt, daher ist die Luft, trotz des nahe gelegenen Schwarzwaldes, mild; Frühlingsfröste kommen selten vor; ebenso schädliche Gewitter, welche an den nahe gelegenen Waldungen einen Ableiter finden. Ein laufender und 2 Pumpbrunnen spenden hinreichend gutes Trinkwasser, auch fließt der im sogenannten Jakobsbrunnen, nördlich vom Begräbnisplatz, entspringende Burggraben durch den Ort; für den Fall der Feuersgefahr ist eine Wette angelegt.
Die Pfarrkirche, deren Unterhaltung der Gemeinde zusteht, liegt ziemlich erhöht am nordwestlichen Ende des Dorfs; von ihrer ursprünglich germanischen1 Bauweise hat sich nur noch ein Fenster über dem Eingang an der nördlichen Giebelseite erhalten; in den übrigen Theilen ist die Kirche verändert worden. Über dem Eingang an der Ostseite befindet sich das württembergische Wappen mit der Jahreszahl 1594. Der achteckige Thurm trägt ein schlankes, spitzes Zeltdach; auf ihm hängen 2 Glocken. Das Innere der Kirche ist weiß getüncht, freundlich und hell.
Der Begräbnisplatz liegt 1/8 Stunde nördlich vom Dorf auf einem dem Thal vorgeschobenen Hügel; zunächst desselben stand früher eine Kirche, daher die Stelle noch „bei der alten Kirche“ genannt wird.
Das gut erhaltene Pfarrhaus2, dessen Baulast der Staat hat, liegt frei und angenehm in ziemlicher Entfernung von der Kirche, an der Hauptstraße des Orts. Beinahe in der Mitte des Dorfs steht das Rathhaus, in welchem sich zugleich die Schule und die Wohnung des Lehrers befinden; es wurde 1618 erbaut und 1842 renoviert. An der Schule unterrichtet nur ein Lehrer. Eine Industrieschule besteht seit 1840 und ein Gemeindebackhaus seit 1848; ein öffentliches Waschhaus ist schon längst vorhanden. …
Die Haupterwerbsquelle der fleißigen, geordneten, im Allgemeinen wohlbemittelten Einwohner sind Feldbau, Viehzucht und einiger Handel mit Holz.
Der Zustand der Landwirtschaft ist gut; … Im System der Dreifelder-Wirthschaft werden die gewöhnlichen Getreidearten, besonders Dinkel, Hafer und Einkorn gebaut; … Von Handelsgewächsen wird hauptsächlich Hanf und in neuerer Zeit etwas Hopfen mit gutem Erfolg gezogen. …
Früher wurde auch Weinbau auf der Markung getrieben, welcher aber wegen des geringen Erzeugnisses wieder abging.
Die ziemlich ausgedehnte, noch im Zunehmen begriffene Obstzucht, beschränkt sich auf Mostsorten und Zwetschgen; das Obst gedeiht in der geschützten Lage gerne und wird in günstigen Jahren auch nach Außen verkauft. …
Die Gemeinde ist im Besitz von 700 Morgen gut bestockter Nadelwaldungen, von denen etwa 50 Morgen auf badischem Gebiete liegen; …
Was die Gewerbe betrifft, so beschränken sich diese auf die gewöhnlichsten Handwerker. Im Ort befinden sich zwei Schildwirthschaften3 und ein Krämer. Eine Vicinalstraße nach Merklingen bringt den ziemlich abgelegenen Ort mit der frequenten Straße von Weil d. St. nach Pforzheim in Verbindung. Aus einem auf der Markung befindlichen Bruch von buntem Sandstein werden gute Bau- und Werksteine gewonnen. …
Das Nominationsrecht zur Pfarrei hat der König.
Den großen Zehnten hatte bisher der Staat, welcher überhaupt Grundherr ist, zu beziehen; der kleine und der Heu-Zehnte war der Pfarrei zuständig.
Aus ihrem, auf badischem Gebiet gelegenen Wald hat die Gemeinde dem Freiherrn von Gemmingen Grundabgaben zu entrichten.
Nordöstlich vom Ort erhebt sich ein freistehender, weithin sichtbarer Bergkegel (Kuppelzen), auf dessen spitzer Kuppe noch Graben und Wall von einer ehemaligen Burg sichtbar sind.
Münklingen, …, erscheint zuerst im Jahr 862 (…) als villa Munigisilinga unter den Orten, wo das Kloster Lorsch Güter erhielt. … In der Urkunde Kaiser Heinrich’s IV. vom 9. Okt. 1075 für Kloster Hirschau wird der Ort als Muclingan unter denjenigen Gütern aufgeführt, wo das Kloster Hirschau schon in frühester Zeit, also wohl im 9ten Jahrhundert, durch die Grafen von Calw Güter erhielt. Genannte Grafen waren wohl die ältesten Herren des Orts; hiesige Lehensträger derselben waren die Truchsessen von Waldeck. Im Jahr 1379, Jan. 21, verzichtete Konrad Truchseß von Waldeck auf die Güter seines Bruders Heinrich, unter andern auf den Kirchensatz zu Münklingen. … Dieser Kirchensatz ging im Jahr 1419 an Württemberg über. …
Münklinger Dorfstraße im Jahre 2003. In der Mitte das Rathaus, links das 1895 neuerbaute Pfarrhaus mit sog. „Schweizerdach“
Der Text wurde gekürzt.
Erstveröffentlichung: Beschreibung des Oberamts Leonberg. Herausgegeben von dem königlichen statistisch-topographischen Bureau, Stuttgart, J. B. Müller’s Verlagshandlung, 1852.
Im Jahre 1820 wurde auf Dekret König Wilhelms I. das königliche statistisch-topographische Bureau in Stuttgart gegründet. Zwischen 1824 und 1886 entstanden dort Beschreibungen aller 64 württembergischen Verwaltungsbezirke und ihrer Gemeinden. Als 30. Band erschien 1852 die Beschreibung des Oberamts Leonberg. Auf dem Internet-Portal Wikisource kann diese bereits vollständig abgerufen werden. Hier finden Sie auch eine ungekürzte Version der Beschreibung von Münklingen.
Referenz
↑1 | “germanisch“ im damaligen Sprachgebrauch Synonym für „gotisch“ |
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↑2 | Das alte Pfarrhaus wurde 1895 durch einen Neubau mit „Schweizerdach“ ersetzt |
↑3 | Schildwirtschaften waren berechtigt, Gäste zu beherbergen und zu bewirten. Straußenwirtschaften waren nur zu gelegentlichem Ausschank, meist im Herbst, berechtigt. |