Die Kirchenordnung von Johannes Brenz machte Württemberg zum Modellstaat
Das Land für Jahrhunderte geprägt
Autor: Stefan Bolz
Zur Welt kam Brenz am 24. Juni 1499 als Sohn eines Schultheißen. Sein Vater Martin hatte genug Geld, um den Jungen zur Lateinschule zu schicken – und das sollte sich als Glücksfall erweisen. Denn Johannes lernte gern, erst in Weil der Stadt, dann auf den Schulen in Heidelberg und Vaihingen. Sogar nachts stand der Knabe auf, um in der Stube über den Büchern zu sitzen.
Mit 15 schrieb er sich an der Universität von Heidelberg ein. Wieder lernte er schnell und viel: neben lateinisch auch griechisch und hebräisch, dazu Mathematik, Logik, Astronomie und Musik. Schon nach vier Jahren war er Magister, durfte selbst Vorlesungen halten. Außerdem konnte er an einer der höheren Fakultäten weiterstudieren.
Er entschied sich für die Theologie. Und hier sollte er Ende April 1518 dem Mann begegnen, der seinem Leben eine völlig neue Richtung gab: Martin Luther. Dessen Heidelberger Disputation beeindruckte Brenz so sehr, daß sich der junge Schwabe fortan der Reformation verschrieb. Der Theologe wollte weg von der Universität, hin zu den Gläubigen. Als er hörte, daß man für die Michaelskirche in Schwäbisch Hall einen Priester suchte, griff er zu. Schon seine Probepredigt gefiel den Hallern, und so machten sie den jungen Mann aus Weil der Stadt 1522 zu ihrem Pfarrer.
Für Johannes Brenz folgten wechselvolle Jahre. Er verhalf, friedvoll und mit Überzeugungskraft, der Reformation in der Salzsiederstadt zum Durchbruch. Er verfaßte eine Kirchenordnung und einen Katechismus, der die wichtigsten Punkte des Glaubens zusammenfaßt. Und er heiratete seine erste Frau Margarete. In den Bauernkriegen stellte er sich zwar hinter die herrschende Ordnung, doch sprach er sich auch für Milde gegenüber den Bauern aus.
Brenz gefiel es in Hall, und er fühlte sich am richtigen Platz, wenn er vom Garten seines Pfarrhauses auf die Mauern der Reichsstadt hinabschaute. Doch die Wirren nach dem Schmalkaldischen Krieg machten auch vor ihm nicht halt. Kaiser Karl V. hatte 1548 von den Reichsständen verlangt, zum katholischen Glauben zurückzukehren oder sich dem sogenannten Interim zu unterwerfen. Darin wurden den Protestanten nur wenige Rechte zugestanden – für überzeugte Anhänger Luthers wie Johannes Brenz ein rotes Tuch. Punkt für Punkt widerlegte er in einem Gutachten für den Haller Rat die Lehren des Interims – und zog sich damit den Zorn des Kaisers zu.
Brenz mußte fliehen. An seinem 49. Geburtstag sah er seine Frau und Schwäbisch Hall zum letzten Mal. Während seiner vier Jahre dauernden Flucht starb Margarete. Der Gottesmann wandte sich hilfesuchend an den württembergischen Herzog Ulrich, dem er zuvor schon in manchen theologischen Fragen zur Seite gestanden hatte. Ulrich versteckte den Protestanten zunächst auf der Burg Hohenwittlingen, später in der burgundischen Grafschaft Mömpelgard. Während andere führende Lutheraner ins Ausland gingen, versicherte sich der Württemberger Brenz Dienste. Obwohl er sich noch immer verstecken mußte, gab Johannes in dieser Zeit seiner zweiten Frau Katharina das Jawort.
Auch nach dem Tod Ulrichs blieb Brenz im Land. Der neue Herzog Christoph hatte ein schweres Erbe angetreten und brauchte den gescheiten Weiler. Dessen Bewährungsprobe stand kurz bevor: Die evangelischen Reichsstände hatten dem Konzil in Trient ein Bekenntnis ihres Glaubens zu unterbreiten. Brenz verfaßte 32 Artikel – und reiste nach Trient, dieses Württembergische Bekenntnis auch zu vertreten.
Daß man ihn nicht reden ließ, war wohl dem Papst zu verdanken. Doch Herzog Christoph vertraute diesem besonnenen, stets auf Ausgleich und Verständigung bedachten Mann. Er machte ihn zum Stiftpropst in Stuttgart. Und gab Brenz damit die Möglichkeit, an entscheidender Stelle die zweite Phase der württembergischen Reformation mitzubestimmen.
Prägte wie kaum ein anderer das Leben in Württemberg: der Reformator Johannes Brenz. 1499 wurde er in Weil der Stadt geboren. Kupferstich, 17. Jh. (Bild: Wikimedia Commons/Public domain)
Bereits nach dem Tode Luthers 1546 hatte Brenz in einer Schrift die enge Verbindung von Kirche und Gesellschaft beschrieben. Nach seinem Verständnis waren Bereiche wie Bildung und Wirtschaft, aber auch die weltliche Macht, kein Gegenpol zum Glauben, sondern mit ihm verflochten. Brenz begann, die württembergische Gesellschaft umzugestalten, indem er ihr neue Regeln gab. Bald zeigte sich, daß er nicht nur ein außergewöhnlich gebildeter Geist, sondern auch seiner Zeit weit voraus war.
So machte sich Brenz für die Bildung des Volkes stark. Alle Kinder, auch die Mädchen, sollten lernen, um so selbst in der Bibel lesen zu können. Dabei sollte der Unterricht den Kindern Spaß machen, Frage und Antwort an die Stelle von sturem Auswendiglernen treten. Brenz setzte sich auch für die Einrichtung von Klosterschulen ein, die besonders begabten Kindern auch eine höhere Bildung ermöglichen sollten.
Ähnlich fortschrittlich dachte Brenz auch über den weitverbreiteten Hexenglauben, gegen den er sich in seiner berühmten Predigt Von Hagel, Donner und allem Ungewitter aussprach.
1559 trat die Große Kirchenordnung in Kraft, eine Sammlung von 19 Einzelordnungen, die neben dem Württembergischen Bekenntnis auch Brenz Katechismus, eine Eheordnung, eine Schulordnung, Ordnungen zum Sozialwesen, zur medizinischen Betreuung der Bevölkerung und zur Kirchenzucht enthielt. Dieses Werk wurde maßgeblich von Brenz bestimmt, auch wenn sich andere Autoren und auch Herzog Christoph daran beteiligten. Kurz zuvor waren bereits eine neue Fassung des Landesrechts sowie weitere Regelwerke wie die Maß- oder die Universitätsordnung erschienen.
Binnen weniger Jahre wurde so das Recht im Staat auf neue, einheitliche Füße gestellt. Und in all diesen Regelwerken ist der Einfluß Brenz spürbar, der die Zusammengehörigkeit von Kirche und Staat an erste Stelle stellte. Noch konkreter wurde dieser gegenseitige Bezug im Abschied des Großen Landtags von 1565. Dieses Dokument regelte für fast zweieinhalb Jahrhunderte die Beziehung von Staat, Konfession und Kirche im Land und modernisierte die altwürttembergische Ständeverfassung.
Johannes Brenz hatte dem Leben in Württemberg nachhaltig seinen Stempel aufgedrückt. Und auch auf eine andere Weise hatte der Theologe aus Weil das geistige Leben im Südwesten befruchtet – und zwar im wörtlichen Sinne. Brenz hatte mit seinen beiden Frauen insgesamt 19 Kinder. 50 Enkelkinder kamen hinzu. Unter seinen Nachkommen finden sich so illustre Namen wie der Prälat und Dichter Karl Gerok, der Staatsrechtler Johann Jakob Moser, der Philosoph Hegel, die Dichter Uhland, Hauff und Hermann Hesse, der Musiker Friedrich Silcher, der Verfasser des Rulaman, David Weinland und auch Bert Brecht sowie der Theologe Dietrich Bonhoeffer. Selbst in den Adern von Altbundespräsident Richard von Weizsäcker und seinem Bruder, dem Physiker und Philosophen Carl Friedrich von Weizsäcker, fließt das Blut des Weil der Städter Reformators.
Die fruchtbare Zusammenarbeit von Brenz und Herzog Christoph hatte Württemberg binnen weniger Jahre zu einem der am besten geordneten Territorien des Reiches werden lassen. Das Modell Württemberg wurde zum Exportschlager. Viele lutherische Länder übernahmen – bisweilen etwas modifiziert – die Ordnungen aus dem Schwäbischen. Brenz Predigten und Bibelkommentare wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt, darunter Italienisch, Französisch, Kroatisch und Slowenisch.
Im Alter konnte sich Johannes Brenz auf eine wachsende Schar von Schülern verlassen, die seine Gedanken weiterführten und lebendig hielten. Am 11. September 1570 starb Brenz in Stuttgart. Er wurde unter der Kanzel der Stiftskirche beigesetzt. Seine Schriften aber wirken weiter. Und vieles, was Brenz erdacht hat, gilt noch heute als typisch schwäbisch.
Das Brenzhaus in Weil der Stadt gilt als Geburtshaus des späteren Reformators. Holzstich von Hermann Drück (1868). (Aus: Berichte u. Mitteilungen des Heimatvereins Weil der Stadt, Jg. 1999/2000, S. 4)
Johannes Brenz hatte dem Leben in Württemberg nachhaltig seinen Stempel aufgedrückt. Und auch auf eine andere Weise hatte der Theologe aus Weil das geistige Leben im Südwesten befruchtet – und zwar im wörtlichen Sinne. Brenz hatte mit seinen beiden Frauen insgesamt 19 Kinder. 50 Enkelkinder kamen hinzu. Unter seinen Nachkommen finden sich so illustre Namen wie der Prälat und Dichter Karl Gerok, der Staatsrechtler Johann Jakob Moser, der Philosoph Hegel, die Dichter Uhland, Hauff und Hermann Hesse, der Musiker Friedrich Silcher, der Verfasser des Rulaman, David Weinland und auch Bert Brecht sowie der Theologe Dietrich Bonhoeffer. Selbst in den Adern von Altbundespräsident Richard von Weizsäcker und seinem Bruder, dem Physiker und Philosophen Carl Friedrich von Weizsäcker, fließt das Blut des Weil der Städter Reformators.
Die fruchtbare Zusammenarbeit von Brenz und Herzog Christoph hatte Württemberg binnen weniger Jahre zu einem der am besten geordneten Territorien des Reiches werden lassen. Das Modell Württemberg wurde zum Exportschlager. Viele lutherische Länder übernahmen – bisweilen etwas modifiziert – die Ordnungen aus dem Schwäbischen. Brenz Predigten und Bibelkommentare wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt, darunter Italienisch, Französisch, Kroatisch und Slowenisch.
Im Alter konnte sich Johannes Brenz auf eine wachsende Schar von Schülern verlassen, die seine Gedanken weiterführten und lebendig hielten. Am 11. September 1570 starb Brenz in Stuttgart. Er wurde unter der Kanzel der Stiftskirche beigesetzt. Seine Schriften aber wirken weiter. Und vieles, was Brenz erdacht hat, gilt noch heute als typisch schwäbisch.
Epitaph des Reformators Johannes Brenz in der Stuttgarter Stiftskirche.
(Foto: Andreas Praefcke, Lizenz: CC- BY- 3.0, https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/legalcode], Wikimedia Commons)
Erstveröffentlichung: Leonberger Kreiszeitung, 1999
Mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Leonberger Kreiszeitung.
1999 feierte man den 500. Geburtstag des Reformators Johannes Brenz (1499-1570). Neben einer großen Ausstellung der Landeskirche in Schwäbisch Hall, richtete man auch in seiner Geburtsstadt Weil der Stadt eine Ausstellung im Stadtmuseum ein. Eine Dokumentation dieser Ausstellung erschien in den Berichten und Mitteilungen des Heimatvereins Weil der Stadt 48. Jg. 1999/2000.
Internet-Links:
Ökumenisches Heiligenlexikon
museen bb – Weil der Stadt
Weil der Stadt
Wikipedia: Johannes Brenz