Mit Schlachthofeinrichtungen bis nach Übersee
Maschinenfabrik Wilhelm Stohrer – eine Firmengeschichte
Autoren: Christel Bender, Bernadette Gramm, Irene Henschke, Ingeborg Hertig, Erwin Müller, Aleander Schmid, Michael Vogl
Wilhelm Stohrer trat 1867 als Werkmeister in die Landmaschinenfabrik Blessing in Hemmingen ein, nachdem er eine Schlosserlehre absolviert und einige Zeit bei der Maschinenfabrik Wolf in Magdeburg als Geselle gearbeitet hatte. 1874 brannte die Blessing’sche Fabrik nieder und für Stohrer war dies der willkommene Anlass, bei Blessing aufzuhören und sich auf die eigenen Beine zu stellen1.
1875 gründete er in der im Glemstal gelegenen Gäßlensmühle seinen Betrieb. Stohrer übernahm einige Hemminger Facharbeiter. 65 Wochenstunden galten als Normalarbeitszeit und angetrieben wurden die ersten Maschinen mit der Wasserkraft der Glems2. Später kam ein kleiner Benzinmotor mit großem Schwungrad hinzu. Die ersten Erzeugnisse waren Mostereien und Futterschneidmaschinen für die Landwirtschaft der Region.
Nach dem Tod Wilhelm Stohrers 1897, übernahm das Dreigestirn Robert Stohrer, Fritz Trucksäß und Martin Meßner 1904 die Leitung des Betriebs. Im selben Jahr arbeiteten 30 Personen für das Unternehmen.
Räumliche Begrenztheit und eine ungünstige Verkehrslage waren die Gründe für eine Verlegung der Firma auf ein neues, größeres Werksgelände auf dem Distelfeld. Nach zweijähriger Vorbereitungs- und Bauzeit wurde die neue Anlage am 1. April 1906 eingeweiht. Neuzeitliche Errungenschaften waren nun Dieselmotorenantrieb und elektrische Beleuchtung. Einige Zeit später kam auch noch Dampfkraft als Antrieb hinzu.
Früher war der Guß einer Cannstatter Eisengießerei mit Pferden in die alte Fabrik im Tal gebracht worden. Güterbeförderer Gentner beförderte dann die fertigen Maschinen mit einem Pritschenwagen zum Bahnhof. In der neuen Anlage, oberhalb des Bahnhofes, wurde nun der Transport von Rohmaterial und fertigen Maschinen mit einer selbst konstruierten und -gefertigten Seilbahn von der Fabrik bis zur Bahnhofsrampe bewerkstelligt.
Ansicht der Maschinenfabrik Stohrer im ehemaligen Industriegebiet oberhalb des Bahnhofs, gezeichnet von dem 1943 in Russland gefallenen Diplomingenieur W. Stohrer. Rechts gut zu erkennen ist auch der Schrägaufzug, den die Firma bauen ließ, um ihre Erzeugnisse einfacher zum Bahnhof transportieren zu können. (Bild: StadtA Leonberg)
Mit wachsender Angestellten- und Arbeiterzahl kam es zur Spezialisierung und Arbeitsteilung. Neben dem Landmaschinenbau, der zwischen den Kriegen eingestellt wurde, gewann die Herstellung von Schlachthofeinrichtungen immer mehr an Gewicht. Mit der Zeit beschränkte sich die Schlachthofeinrichtung nicht nur auf Deutschland, sondern man exportierte nun auch in andere Länder Europas und nach Übersee. In den 30er Jahren spürte auch die Maschinenfabrik Stohrer den allgemeinen wirtschaftlichen Niedergang. 1932 und 1933 arbeitete man durchschnittlich nur zwei Tage in der Woche, manchmal auch nur einen Tag in 14 Tagen, obwohl die Belegschaft um die Hälfte verringert worden war. Doch nach dem Krieg erholte sich das Werk wieder, so dass die Zahl der 1930 beschäftigten 160 Arbeiter und 30 Angestellten sich 1959 auf insgesamt 289 Arbeiter und Angestellte erhöht hatte.
1973 ging bei der Firma Stohrer ein Großauftrag in Höhe von 7 Mio. DM für die Einrichtung eines Schachthofes in der ehemaligen DDR ein. Es wurde ein Minusgeschäft, da er von den Betreibern nicht abgenommen wurde. Monteure waren bis 1979 zum Betrieb des Schlachthofs in Eberswalde. Im Jahre 1979 waren dann die Rücklagen des Betriebs weitestgehend aufgebraucht. Ein Jahr später begannen Verhandlungen mit der Firma Doduco wegen der Übernahme des Firmensektors Apparatebau. Nachdem die Firma Stohrer bereits seit Anfang Juli 1981 zahlungsunfähig war, musste das traditionsreiche Unternehmen schließlich nach 106 Jahren Firmengeschichte am 1. August 1981 Konkurs anmelden. Das weitläufige Firmengelände wurde in der Folge verkauft, darauf entstanden u.a. Geschäftshäuser, ein Autohaus und Dienstleistungsunternehmen.
Der Name des Betriebs blieb übrigens erhalten: Die Nachfolgefirma Stohrer-Doduco hatte ihren Sitz in Rutesheim. Die weitere Geschichte kann man auf der Hompage der Firma nachlesen. Hier erfahren wir, dass nach einer Neuorientierung bei DODUCO die Firma STOHRER GmbH gegründet wurde, welche gleichzeitig ein Tochterunternehmen der Firma KERAMCHEMIE war. Wirtschaftliche Schwierigkeiten machten eine erneute Neuorientierung erforderlich. Verschiedene Mitarbeiter haben die auf Anlagen für die Oberflächentechnik spezialisierte Firma kurzer Hand übernommen und führen sie seither unter dem Namen STOHRER Surface AG. Sitz der Firma ist Korntal-Münchingen.
Erstveröffentlichung: Stadtmuseum Leonberg: Industriezeitalter Leonberg 1850-1950, Besucherinformation zur Ausstellung 1985, S. 15; aktualisiert durch Klaus Konz/Stadtmuseum Leonberg
Mit freundlicher Genehmigung der Stadt Leonberg