Jahrhundertelang florierte in Weil im Schönbuch das Geschäft mit dem Schönbuchholz
Die Weilemer und der Wald
Autor: Walter Hahn
Weil im Schönbuch, Breitenstein und Neuweiler waren seit alter Zeit zur Deckung des notwendigen Holzbedarfs auf den nahe gelegenen Wald angewiesen. Aufgrund der Schönbuchordnungen hatten die Bewohner die Möglichkeit, ihr Brennholz selbst zu schlagen, es gegen eine geringe »Schönbuchmiete« zu erwerben, es aber auch zu »freveln«, vielfach in der Meinung, dies sei ihr gutes Recht.
Der Weiler Waldvogt Thomas Knapp, verantwortlich für den Schönbuch in den Jahren 1627 bis 1671, klagte: „In den Schönbuchgemeinden hat die Unsitte eingerissen, Gerechtigkeitsholz und »In die Rugung gehauenes«, d.h. gefreveltes Holz in großen Mengen auf die Märkte nach Stuttgart und Tübingen zu führen.“
Die für das geschlagene Holz zu entrichtende Miete war kein Kaufgeld, das dem tatsächlichen Wert des Holzes entsprach, es handelte sich im allgemeinen um eine Gegenleistung, um eine Schutzgebühr, für eine Gewährung von Vorteilen im Wald. Die angesetzte Jahresmiete für Brennholz war in den einzelnen Orten verschieden hoch.
Unter »freveln« verstand man noch im 18. Jahrhundert den unentgeltlichen Erwerb von Brennholz. Erst im 19. Jahrhundert, nach Ablösung der Brennholzgerechtigkeiten, wurde der »Holzfrevel« zum »Holzdiebstahl« und als solcher dann auch bestraft. (…)
Die wachsenden Städte Tübingen und Stuttgart waren auf die Holzversorgung durch die Schönbuch-Holzhändler angewiesen. Der Handel mit Brenn- und Bauholz wird in der Mitte des 16. Jahrhunderts vorwiegend von Taglöhnern und Kleinbauern, den sogenannten »Einsäß«, ausgeübt. (…) Den Weiler Holzhändlern war es deshalb schon im 15. Jahrhunden gestattet, »innerhalb der Miete« Holzhandel nach Stuttgart zu betreiben. Im Jahr 1417 war für den Handel mit Holz nach Stuttgart eine besondere Wegmiete zu entrichten. (…) Bis zu Herzog Ulrich 1550 war es üblich »unvergolten, umsonst und unbezahlt Holz zu hauen«, obwohl die Forstordnungen immer wieder verlangten, diese Rechte »sollen abgekündigt werden«.
Wenn die Schönbuchgenossen aber mit Wagen, Axt und Säge auszogen, um das ihnen zustehende Holz zu hauen, kamen sie leicht in Versuchung, eine Eiche oder Buche zusätzlich mit nach Hause zu fahren. (…) Wer beim »Holzdiebstahl« erwischt wurde, hatte eine festgesetzte Strafe, den »Schönbuchfrevel«, mit 4 Pfund, 11 Schilling, 6 Heller zu bezahlen. Mit der Zeit wurde der Brauch der »Beholzung auf wagende Frevel« oder, wie man es später bezeichnete, des »Rugungshaues“ zu einem Mißbrauch, der mit zur Zerstörung des Schönbuchs beitrug. Das gefrevelte Holz war meistens billiger als das gekaufte. Besonders die Einsäß fällten oft starke Eichen oder Buchen, deren Wert das mehrfache der Schönbuchstrafe betrug, und hofften, mit dem Schönbuchfrevel davon zu kommen. (…)
In der Mitte des 16. Jahrhunderts florierte zwischen Weil im Schönbuch und Stuttgart ein reger Holzhandel. Der damalige Waldvogt beklagte sich: „Sie wüsten in den Wäldern dermaßen, daß es nicht mehr zu gedulden sei, die Gerechtigkeiten sollen ihnen nicht entzogen, aber es soll Ordnung darin vorgenommen werden. Die Forstmeister oder ihre Knechte sollen auch die Flecken strafen und rügen, wie in den eigenen Hölzern der Herrschaft, die in der Behütung der eigenen Wälder fahrlässig seien.“
Um 1580 führte man den Holzverkauf ein, nachdem im rechten Hau das Holz zur Deckung des Bedarfs nicht mehr ausreichte und auch schon in den Bannwäldern gefrevelt wurde. Für die Gemeinden aus dem Schönbuchunteramt wurde im 17. Jahrhundert folgende Vereinbarung getroffen: „jeder Untertan und Einsäß, der Holz vom rechten Hau verkauft, oder Holz usser dem Schönbuch, oder durchfährt um Lohn, der gibt von jedem Wagen und Karren der Herrschaft in die Waldvogtei jahrs Wagenmiet 3 Sch. und 1 Sch. 4 H. Mietmaß.“
Im Jahre 1793 wurde den Käufern und auch den Bezugsberechtigten das Holz im Wald nicht mehr »nach dem Stamm angewiesen« und zum Fällen und Selbstaufbereiten überlassen, sondern zu einem ermäßigten Preis, dem »Schönbuchpreis«, der über viele Jahrzehnte gleich geblieben war, zum Kauf angeboten.
Es dauerte allerdings fast noch einmal zwei Jahrzehnte, bis man der Bevölkerung klar gemacht hatte, daß man ihr das seit Jahrhunderten zugestandene Recht der Brennholz-Selbstversorgung jetzt als Holzdiebstahl anlasten mußte.
Kontrolle des Holzhandels
Oberforstmeister von Troyff verlangte 1801, daß der Holzhandel in die Städte bei schwerer Strafe abgeschafft werde. Als wirksames Mittel wurde den Förstern die scharfe Kontrolle der Holzfuhrwerke auf den Zufahrtsstraßen nach Stuttgart und Tübingen empfohlen. Eine Anweisung, wer und wie man die rasch wachsende Bevölkerung in den Städten in der ersten Hälfte des 19. .Jahrhunderts mit Brennholz versorgen sollte, wurde aber nicht mitgeliefert.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts trat anstelle der Holzabgabe zum ermäßigten »Schönbuchpreis« der Verkauf im »Aufstreich«, die Brennholz-Versteigerung, wie sie heute noch üblich ist.
In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Holzhandel zu einem anerkannten und, wie es schien, auch recht einträglichen Gewerbe. 1832 registrierte man in Weil im Schönbuch 15 Holzhändler als Gewerbetreibende. 1856 war die Zahl auf 36 angestiegen, sehr zum Vorteil der Gemeinde, denn sie bezahlten annähernd ein Viertel der Gewerbesteuer. (…)
Bis ca. 1930 waren die Holzfuhrleute mit ihren Pferdewagen, im Winter mit Schlitten, oft bis 16 Stunden unterwegs. In den 30er Jahren lösten Lastkraftwagen die Pferdegespanne ab. Der Verkaufsradius wurde ausgedehnt. Weiler Holzhändler fuhren mit dem Schönbuchholz bis nach Ulm und darüber hinaus bis an den Bodensee, in den mittleren und südlichen Schwarzwald und ins Unterland. (…)
Die einst so geächteten Weiler Holzhändler waren in der Zwischenzeit zu begehrten und geachteten Kunden der Schönbuchforstämter geworden. Als Dauerkunden erhielten sie ihren jährlichen Holzvorrat zugewiesen. Sie sorgten für einen reibungslosen und regelmäßigen Absatz des gestiegenen Holzanfalles in den Staats- und Gemeindewaldungen.
Aus den »Spächeleshändlern« waren gestandene und zahlungskräftige Mitbürger mit der Berufsbezeichnung Kleinholzhändler und Holzhändler geworden. (…) Die Umstellung zahlreicher Wohngebäude auf Öl-, Gas- und Stromheizungen ließ die Zahl der Holzhändler schrumpfen. Die alten Weiler Holzhändler, fleißige und an harte Arbeit gewohnte Männer, jeder Witterung ausgeliefert, haben sich zur Ruhe gesetzt. Sie hatten ihr eigenes, unverwechselbares Profil. (…)
Erstveröffentlichung: Heimatbuch Weil im Schönbuch - Breitenstein - Neuweiler. Hrsg. von der Gemeinde Weil im Schönbuch, 1988, S. 165-167.
Der Text wurde gekürzt.
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Gemeinde Weil im Schönbuch
Der Autor, Walter Hahn (1925-2012), war Schulrektor, Ehrenbürger und Chronist der Gemeinde Weil im Schönbuch. Der gebürtige Weilemer veröffentlichte mehrere Bücher über den Schönbuch und legte eine umfangreiche Fotosammlung an; 1988 erschien sein Heimatbuch Weil im Schönbuch.