Zur Schulgeschichte von Dätzingen
Autor: Felix Burkhardt
Die erste Nachricht, die über die katholische Schule zu Dätzingen berichtet, ist ein Visitationsprotokoll. Als am 27. 9. 1683 in Dätzingen Visitation gehalten wurde, war der Ludimagister (Schulmeister) Michael Frech im Amt. Er war eingesetzt in sein Amt vom Komtur des Johanniterordens. Mit seinem Dienst war man zufrieden. Seine Besoldung war gering; neben freier Wohnung und Befreiung von öffentlichen Diensten hatte er nur die Gaben der Schüler, wohl das Schulgeld, zu empfangen, sonst nichts. Den Mesnerdienst versah er nicht mit, führt doch der Bericht einen eigenen Mesner an. Später scheint die Gemeinde das Wahlrecht ausgeübt zu haben. Das Protokoll der am 23. 5. 1760 in Dätzingen abgehaltenen Visitation meldet: „Bey dem Schulmeister. 1. Dieser nennt sich Leopold Buchholzer, von der Gemeinde präsentiert und vom Dechant approbirt. 2. Dessen Revenuen sind 3 Scheffel Rocken von dasiger Herrschaft, auch 2 fl 50 xr, item wegen der ewigen Ampel 1 fl 30 xr, weiter von jedem Bürger eine Korngarb. 3. Die Schuhlen werden auch an diesem Ort Sommerszeiten nicht gehalten„. Ein besonderer Mesner wird nicht genannt; der Schulmeister versah den Mesnerdienst.
Oberlehrer Adalbert Großmann gibt einen Einblick in die Schulverhältnisse des Ortes aus der Zeit des 18. Jahrhunderts. In seiner Arbeit „Dätzinger Schulgeschichte in Frage und Antwort“ (in: Aus Schönbuch und Gäu Nr. 36 1/1965) berichtet er u. a. über die Zeit von 1770 bis 1808, als der letzte Komtur des Johanniterordens, der Freiherr von Flachslanden, Dätzingen verwaltete. „Als er Dätzingen übernahm, war die Schule in einem äußerst schlechten Zustande. Der Schulmeister war zugleich Mesner und Totengräber und konnte nur ein bißchen lesen und schreiben. Als Mesner erhielt er 3 Scheffel Roggen von der Herrschaft und von jedem Bürger eine Korngarbe„. Komtur von Flachslanden setzte 1787 einen geeigneten Mann als Schulmeister ein. Dieser wirkte auch als Organist. Der Schulbesuch wurde zur Pflicht gemacht, die Sommerschule gehalten. Ein Raum im Rathaus wurde als Schulzimmer genutzt.
Von 1790 an wirkte in Dätzingen der Schulmeister Gebhardt Geisel, geboren am 5. 5. 1767 in Mühlhausen. Neben seiner Schule versah er den Mesner- und Organistendienst. Im Jahre 1802 wurde Geisel vom herrschaftlichen Beamten der Dienst gekündigt, weil er in Abwesenheit des Pfarrers dem Dekan anläßlich der Visitation Kirche und Sakristei geöffnet hatte. Um seine Stellung zu behalten, wandte sich Geisel über den Dekan an das bischöfliche Ordinariat. Das Ordinariat aber griff nicht ein, da es sich nicht für zuständig hielt. Geisel erklärte, er habe vor 12 Jahren den Dienst angetreten und sei damals „von dem Herren in Gegenwart der Richter und einer Deputation der Bürger auf sein Wohlverhalten für allezeit“ angenommen worden. Noch 1836 finden wir Schulmeister Gebhardt Geisel im Amt. Er hatte in diesem Jahr 85 Schüler. Als Lehrer erhielt er 94 Gulden 45 Kreuzer, der Mesnerdienst brachte 87 Gulden 56 Kreuzer, der Organistendienst 17 Gulden 57 Kreuzer.
1844 übernahm Karl Friedrich Dammbacher den dreifachen Dienst. Er war am 10. 5. 1816 zu Heilbronn geboren und von 1838 an Schulmeister zu Schlechtenfeld (über Ehingen/Donau) gewesen. 1845 zählte seine Schule 107 Schüler. Als Lehrer erhielt er etwa 146 Gulden, dazu Holz im Wert von 4 Gulden und einen Anteil an der Allmende im Wert von 30 Kreuzer. Neben der Naturallieferung von 3 Scheffel Roggen im Wert von 19 Gulden 12 Kreuzer erhielt er eine Geldbesoldung von 58 Gulden 28 Kreuzer für den Mesnerdienst, dazu kamen Stolgebühren in Höhe von 16 Gulden 53 Kreuzer, so daß er eine Gesamteinnahme von 250 Gulden hatte. Seine Dienstwohnung hatte er im 2. Stock. Für das Halten des Abteilungsunterrichtes wurde ihm eine Zulage von 50 Gulden gewährt. Da der Raum im Rathaus zu eng geworden war, hatte die Gemeinde ein eigenes Schulhaus geschaffen. Sie hatte im November 1818 das Wirtshaus „Zum Ritter“ gekauft und zum Schulhaus umgebaut. Das Haus blieb bis 1914 im Dienst der Schule. Lehrer Dammbacher war später in Durlangen und in Unterböbingen tätig.
Von 1860 an verwaltete Benedikt Bentele das Dätzinger Schulamt. Schulmeister Bentele war zu Menzelhofen am 23. Juli 1822 geboren. Der Hauptteil seiner Besoldung bestand in einem jährlichen Betrag von 230 Gulden 23 Kreuzer. Dazu trat ein Gütergenuß von Gärten, Wiesen und Wald. Stolgebühren brachten 14 Gulden 12 Kreuzer. Eine halbe Klafter Holz und 20 Wellen erhielt er zur Beheizung. Für das Halten des Abteilungsunterrichtes gewährte man eine Zulage von 32 Gulden. Die Schulmeisterwohnung bestand aus 2 heizbaren und zwei unheizbaren Zimmern, einer Kammer, einer Küche und einem gewölbten Keller. Ein kleiner Stall war vorhanden. Das Schulzimmer war hell, aber zu klein. 1860, der Ort zählte 538 Einwohner, besuchten 89 Schüler die Dätzinger Schule.
Am 4. Oktober 1870 zog der Lehrer Paul Mayer in die Dätzinger Schule ein. In Reichenbach bei Geislingen war er am 24. 8. 1836 geboren. Für seine Dienste als Lehrer, Organist und Mesner wurde er mit 1035,90 Mark entschädigt (1893).
Die Stelle eines 2. Lehrers war eingerichtet, aber 1893 wegen geringer Schülerzahl nicht besetzt, zählte man doch in diesem Jahr nur 55 Schüler. Für den Schulgehilfen war eine Besoldung von 500 M. ausgesetzt, dazu kam eine Naturallieferung von Dinkel im Wert von 34,50 M. Ein 2. Schulzimmer war vorhanden.
Zu den Pflichten des Schulmeisters und Mesners gehörte noch in dieser Zeit das Uhraufziehen, 11-Uhr-Läuten am Freitag und das Gewitterläuten. Lehrer Paul Mayer war noch 1903 im Amt.
Libert Duttlinger, geboren zu Deißlingen am 16. 8. 1888, übernahm am 28. 12. 1915 den Schuldienst; er kann an seinem Ruhesitz Dätzingen heuer den 80. Geburtstag feiern.
Ein neues Schulhaus wurde 1914 errichtet. Am 12. 12. 1964 wurde in Dätzingen ein Erweiterungsbau eingeweiht.
Die Dorfschule – Gemälde von Johann Peter Hasenclever aus dem Jahre 1845. (Bild: Wikimedia Commons/Public Domain)
Erstveröffentlichung: Beiträge zur Schulgeschichte des Kreises Böblingen von der Reformation bis um 1800, Böblingen 1971. Veröffentlichungen des Heimatgeschichtsvereins für Schönbuch und Gäu e.V., Band 11, S. 36-37.
Mit freundlicher Genehmigung des Heimatgeschichtsvereins für Schönbuch und Gäu e.V.
Die hier beschriebene Zeit von der Reformation bis um 1800 kannte noch keine so gründliche und planmäßige Lehrerausbildung. Wohl war Württemberg mit der Großen Kirchen- und Schulordnung Herzog Christophs im deutschen Volksschulwesen vorangegangen. Bis in unser Jahrhundert herein blieb aber die Schule ein Kind der Kirche. Das Kirchenvermögen hatte zum Bau und Unterhaltung der Schulgebäude wie zu der meist bescheidenen Besoldung der Schulmeister beizutragen, die der Aufsicht des Pfarrers unterstanden. Weil sie aus den eingezogenen Kirchenpfründen bezahlt wurden, mussten die Schulmeister auch durch Jahrhunderte den Mesnerdienst versehen; sie mussten die Kirchenglocken läuten, die Kirchturmuhr aufziehen, bei Kindstaufen, Hochzeiten und Beerdigungen aktiv mitwirken. Zunächst ging es im Unterricht – der wohl bis lange nach dem 30jährigen Krieg nur im Winter stattfand – um Lesen, Sprüchelernen und Singen, vor allem zur Kenntnis der Bibel und Mitwirkung im Gottesdienst. Schon das Schreibenlernen der Mädchen erregte weithin Widerspruch der Eltern, weil sie es für unnötig ansahen. Regelrechte Protestaktionen gab es später bei der Einführung des Rechnens. Durch Jahrhunderte wurde das Schulhalten als Nebenberuf durch Handwerker betrieben; kein Wunder, dass mehr Handwerkerdrill als Denkschulung angestrebt wurde. Begabte Schüler kamen unter Mitwirkung des Pfarrers als Lehrling, „Incipient“ zu einem Schulmeister, später konnten sie dann als Geselle, „Provisor“ genannt, an einer größeren Schule tätig seih, bis sie zum Schulmeister gewählt und vom Konsistorium nach einer Prüfung bestätigt wurden. …