Die Durchführung der Reformation in unserer engeren Heimat und in Gärtringen ist aufs engste mit der Persönlichkeit Ambrosius Blarers (auch Blaurer) verknüpft. Dieser wurde am 4. April 1492 in Konstanz geboren, wo er aus einem dortigen Patriziergeschlecht (Blarer von Giersberg) stammte. Der junge Blarer trat als Mönch in das Kloster Alpirsbach ein; von hier aus studierte er in Tübingen. Als sich die reformatorische Bewegung ausbreitete, verließ Blarer Alpirsbach und begab sich in seine Heimatstadt Konstanz, wo er als Prediger und Reformator wirkte. Ab 1528 weitete sich seine reformatorische Tätigkeit auf die Nordschweiz sowie die schwäbischen Reichsstädte Memmingen, Ulm, Esslingen und Isny aus. Wahrscheinlich durch seinen Schweizer Aufenthalt empfahl sich Blarer dem damals dort im Exil lebenden Herzog Ulrich (1487-1550). Dieser berief ihn, als er 1534 nach Württemberg zurückkehrte, alsbald zu sich und übertrug ihm die Durchführung der Reformation im Landesteil „ob der Staig“ (gemeint ist der obere/südliche Teil des Herzogtums mit Tübingen als Zentrum.).
Auf Begehren des Fürsten nahm Junker Hans Harder von Gärtringen (gest. 1559), damals Obervogt in Tübingen, Blarer und seinen Knecht in sein Haus auf, wofür ihm 2 Gulden pro Woche „verordnet“ wurden. Blarer selbst erhielt zunächst keine Besoldung. Erst nach einem Vierteljahr „verehrte“ ihm Herzog Ulrich 80 Gulden. Dieser versprach ihm auch eine Besoldung von jährlich 200 Gulden. Doch ließ die Erfüllung des fürstlichen Versprechens auf sich warten, und Blarer musste, je länger, je mehr, von der Substanz leben.
Unter mancherlei Reibereien mit Erhard Schnepf und den Anhängern von Kaspar Schwenkfeld.führte Blarer nun von 1534 bis 1538 die kirchliche Neuordnung durch. Ein Spiegelbild seiner reichen und vielseitigen Tätigkeit ist der uns erhalten gebliebene Briefwechsel jener Jahre. (…) Bei all dem fällt auch Licht auf seinen „Gastgeber“ Hans Harder von Gärtringen. (…) Im Juni 1535 wandte sich Dr. Balthasar Käuffelin an Ambrosius Blarer brieflich mit der Bitte, wegen der Erledigung einer Frage nach Tübingen zu kommen. Er nennt in diesem Zusammenhang Obervogt Harder „hominem … doctorum amantem“ – „einen Mann, der die Gelehrten liebt“. (…) Offenbar lag dem „liberalen“ Harder auch der Radikalismus Luthers nicht ganz. Am 26. August 1535 warnte Martin Butzer von Esslingen Ambrosius Blarer vor freimütigen Reden des Vogts, die auch ihm sehr viel Hass zuziehen könnten (…). Dieser nämlich hatte … in Gegenwart von Plieninger und anderen sehr lutherisch Gesinnten) verlauten lassen, „Lutherum diabolum habere“ („Luther habe den Teufel im Leib“, das heißt wohl, er sei besessen).
Infolge der aufgeschlossenen Haltung Harders konnte Blarer auch seine noch in Konstanz lebende Frau 1536 auffordern, doch zu ihm nach Tübingen zu kommen, sie werde es „nirgends … besser haben als bei Harder, könnte auch hier in Tübingen bei niemand sonst ohne Beschwerde und selbst Anfechtung bleiben“. Die Gattin Blarers zog jetzt mit einer Magd nach Tübingen.Doch noch 1536 gab es einen Wechsel. Obervogt Hans Harder wollte sein Amt nicht länger versehen. Er wurde daher im November „in Gnaden“ nach Gärtringen entlassen, wo nun auch Blarer mit seiner Frau weilte, wenn er nicht gerade unterwegs war. Nachfolger Harders in Tübingen wurde Fritz Jakob von Anwyl, dessen Bruder Kaspar, Vogt in Balingen, eine Schwester von Blarers Gattin zur Frau hatte.