1959 beginnt die Geschichte der Firma HP in Böblingen
Hewlett-Packard – Standort Böblingen
Im Hinterhaus der Strickwarenfabrik Lenz in der Karlstraße begann am 20. August 1959 die Geschichte von Hewlett-Packard Böblingen. Im November verließen dort die ersten Geräte die HP Werkstatt.
Schon Mitte der 50er Jahre nahm der us-amerikanische Konzern Europa ins Visier. Doch erst die Verträge von Rom (1958), die den freien Handel zwischen Italien, Frankreich, den Benelux-Staaten und Deutschland garantierten, machten die Ansiedlung in der alten Welt lukrativ.
Einem bayerischen Ministeriellen haben es die Böblinger zu verdanken, dass sich HP hier ansiedelte und nicht in München. Dieser wollte nämlich bei Bill Hewlett, einem der beiden Firmengründer, die Schwaben mies machen, um ihn für seine Hauptstadt zu gewinnen.Der Bayer schwärmte Bill Hewlett von der morgendlichen, bayerischen Brotzeit vor, zu der unbedingt eine Maß Bier gehöre. Die Bayern verstünden also zu leben, während die Schwaben immer nur arbeiten wollten. Das war genau das falsche Stichwort. Mitarbeiter, die immer nur arbeiten wollen, was kann einem Unternehmer Besseres passieren? Böblingen war damit für Hewlett rasch beschlossene Sache, zumal ihm die Schwaben nicht ganz unbekannt waren, denn sein Vater hatte in Tübingen studiert und seine Mutter pflegte in deutschen Landen zu kuren.
Bill Hewlett. Für seine Verdienste um HP in Böblingen wurde er 1977 mit der erstmals verliehenen Ehrenmedaille der Stadt ausgezeichnet. (Foto: hp)
Zum 1. Mai 1959 gründete Hewlett-Packard eine europäische Zentrale in Genf. Am 1. Juli eröffneten Joe de Vos und seine Sekretärin Inge Steffens die erste Vertriebsgeschäftsstelle von HP in Deutschland (in Frankfurt) und in Böblingen unterzeichneten am 25. August 1959 Hermann Lenz als Vermieter und Fred Schroeder für die HP GmbH, einer Tochter der Genfer Europa-Zentrale, einen Mietvertrag. Für 365 Quadratmeter (150 Quadratmeter Lager, 160 Quadratmeter Werkstatt und 55 Quadratmeter Büro) bezahlte das Unternehmen 730 Mark monatlich, also genau zwei Mark je Quadratmeter.Die ersten Mitarbeiter in Böblingen waren neben Fred Schroeder, der 1962 zum Geschäftsführer aufstieg, Hildegard Dengler, Doris Bogdansto und Günter Warmbold. Erster Geschäftsführer wurde der Amerikaner Ray Deméré.
HP wuchs in Böblingen rasch. Nach einem Jahr waren es bereits 50 Beschäftigte. Die Räume in der Strickwarenfabrik waren damit zu klein und das Unternehmen zog an den Stadtrand in das heutige Industriegebiet Hulb zwischen Königsberger und Herrenberger Straße.
Ein altes Backsteingebäude der Strickwarenfabrik Lenz in der Böblinger Karlsstraße diente der Firma Hewlett-Packard als erste Fabrikationsstätte in Deutschland. (Foto: hp)
Kleine Chronik der Firma Hewlett-Packard am Standort Böblingen
1939
Die Ingenieure William R. Hewlett und David Packard, beide Absolventen der Stanford Universität, gründen in Palo Alto die Firma „HP“.
Die Gründungsgeschichte ist mittlerweile Legende: Eine Garage in der Addison Avenue diente den beiden Firmengründern damals als Werkstatt. Sie gilt heute als „Geburtsstätte von Silicon Valley“ und wurde 1989 vom Staat Kalifornien unter Denkmalschutz gestellt. Das erste Produkt des Unternehmens war ein Tonoszillator – ein elekronisches Testinstrument, das von Toningenieuren benutzt wurde. Einer der ersten HP Kunden waren die Walt Disney Studios.
Ausgehend von ihren Erfahrungen aus den Pionierzeiten entwickelten die Firmengründer eine völlig neue, auf Vertrauen, Teamwork und flachen Hierarchien basierende Form der Unternehmenskultur.
1959
Nach der erfolgreichen Entwicklung des Unternehmens in den USA eröffnet HP in Deutschland die erste Produktionsstätte außerhalb Kaliforniens. Bill Hewlett nahm Süddeutschland wegen der arbeitsamen Schwaben in die engere Wahl. Im Hinterhaus der Böblinger Strickwarenfabrik Lenz begannen damals 18 Mitarbeiter mit der Produktion nach Plänen der amerikanischen Muttergesellschaft.
1961
Die Böblinger HP Tochter wächst schnell. Als die Firma in ihr neues Werk an der Herrenberger Straße umzieht, zählt sie schon mehr als 150 Mitarbeiter und wächst rasant weiter.
1965
Die ersten fünf Lehrlinge beginnen ihre Ausbildung bei HP zum Elektromechaniker. In Böblingen beginnt die Fertigung von Leiterplatten.
1967
Als internationaler Vorreiter führt HP Deutschland flexible Arbeitszeiten ein. Das bedeutete: Keine Stechuhren, auch nicht in der Produktion. Das war damals revolutionär. Im Werk Böblingen wird eine Marketing-Abteilung aufgebaut.
1969
Eberhard Knoblauch übernimmt in Böblingen die Geschäftsführung, nachdem Fred Schroeder in die Europa-Zentrale nach Genf gewechselt war. Im selben Jahr bringt HP den Kardiotokograf (zur elektronischen Geburts-Überwachung) auf den Markt, der auf Anhieb ein Erfolg wird.
Hier begann die Firmengeschichte von HP: die legendäre Garage in Palo Alto/Kalifornien wird heute im National Register of Historic Places der USA aufgeführt. (Foto: Wikimedia Commons)
1970
Nach Fertigstellung des 4. Bauabschnitts umfasst das Böblinger HP Werk eine Nutzfläche von 20.000 qm. In diesem Jahr wird auch die Tischrechnerfertigung 9100 von Loveland nach Böblingen verlegt. Die Elektroakustikentwicklung in Böblingen wird eingestellt.
1972
Über 250 der mehr als 2000 Geräte umfassenden HP-Produktion werden in Böblingen hergestellt.
1976
Das Werk II mit einer Nutzfläche von 20.000 qm wird bezogen.
1977
OB Brumme verleiht Bill Hewlett bei einem Besuch die Ehrenmedaille der Stadt Böblingen und würdigt die außergewöhnlichen Verdienste von HP um die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt. Im selben Jahr beginnt HP mit der Ausbildung von Studenten an der Berufsakademie.
1981
In Böblingen wird Werk III bezogen.
1983
Organisatorische Zusammenfassung der europäischen HP-Verteilungszentren in Böblingen.
1984
Die GmbH feiert mit Bill Hewlett ihr 25jähriges Bestehen. Der HP Versorgungsplan und eine zu dieser Zeit in Deutschland einmalige Vorruhestandsregelung wird eingeführt.
1995
Nachdem bereits 1994 die Zahl der deutschen Geschäftsstellen reduziert wurde, beginnt die deutsche HP Organisation, sich auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren. Die Metallfertigung (BVS), der Logistikbereich (LGI), die Leiterplattenfertigung (Multek) und -bestückung (Solectron) werden nacheinander bis 1998 ausgelagert.
Die beiden Firmengründer Bill Hewlett (rechts) und Dave Packard (links) auf einem Pressefoto. (Bild: hp)
1998
In Herrenberg-Gültstein eröffnet das europäische Distributions- und Fertigungszentrum für Server and Workstations.
1999
Der Umsatz von HP Deutschland überschreitet erstmals die 10-Mrd.-DM-Grenze. Abspaltung der Messtechnikbereiche als Agilent Technologies GmbH mit 2.500 Mitarbeitern.
2002
Die europäischen HP Bereiche beziehen ihr neues Gebäude in Böblingen. Der bereits 2001 angekündigte Zusammenschluss zwischen HP und der Compaq Computer Corporation ist abgeschlossen.
2004
Die Akquisition des IT-Dienstleisters Triaton GmbH, einer vormaligen Tochtergesellschaft von ThyssenKrupp, wird abgeschlossen.
2005
HP feiert 40 Jahre Ausbildung in Deutschland
2006
In Böblingen wird das erste Halo Collaboration Studio in Deutschland eingerichtet. Die Telepresence-Lösung ermöglicht Meetings mit Live-Character.
2010
Der Standort Herrenberg-Gültstein wird aufgelöst.
2015
Aufspaltung des Unternehmens in zwei separate Firmen. Seitdem existiert neben der bisherigen Hewlett-Packard GmbH als deutsche Tochtergesellschaft der Hewlett Packard Enterprise auch die HP Deutschland GmbH als Tochtergesellschaft der HP Inc. Beide haben ihren Sitz in Böblingen.
Quelle: Das 20. Jahrhundert im Spiegel der Zeit. Der Kreis Böblingen im Rückblick von 100 Jahren. Röhm Verlag Sindelfingen 1999, S. 136.
Die Kleine Chronik der Firma HP in Böblingen wurde von der Zeitreise-BB-Redaktion zusammengestellt.
Mit freundlicher Genehmigung der Sindelfinger Zeitung / Böblinger Zeitung
Für die Fotos bedanken wir uns bei der HP Deutschland GmbH in Böblingen.
Literaturhinweis:
Böblingen 1945-85 – Vierzig Jahre Stadtentwicklung in Bildern, Berichten und Dokumenten, hrsg. vom Presseamt der Stadt Böblingen 1986, S. 242-244.
Erich Kläger: Böblingen – Geschichte in Gestalten. Von den Anfängen bis zur Ära Brumme, Erich Kläger in Zusammenarbeit mit Hans-Jürgen Sostmann, Böblingen 2003, S. 563 - 572
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