Die Gärtringer Grenzsteine
Autor: Sieghart Bühler
… Als aber das Land immer mehr aufgeteilt wurde und somit der Wert des Bodens immer mehr zunahm, hat man die Grenzen durch dauerhafte Grenzzeichen vermarkt.
Um den Bestand der Dorfmarkung zu wahren, wurden regelmäßig Gemarkungsgrenzumgänge durchgeführt. Es war vorgeschrieben, dass derartige Grenzbesichtigungen in der Regel alle drei Jahre vorgenommen werden sollten. Schuljungen mussten teilnehmen, damit die nachkommende Generation von Frühe an über den Verlauf der Grenzen Bescheid wusste. Dies war deshalb notwendig, weil es vor 1830 keine einheitliche Vermessung des Landes gab, durch welche die Grenzen genügend gesichert gewesen wären. …
Während des Grenzumgangs musste ein Protokoll geführt werden. Es wurde darin festgehalten, welche Steine man vorfand, welche man erneuern musste und die Entfernung von einem Stein zum anderen. Hier in Gärtringen sind von den freiherrlich Hillerschen Waldungen solche Protokolle vom Jahre 1833 und 1852 vorhanden und zwar für die Waldungen Edelburg, Heiligen Wäldle und Spitzhau.
Anschließend an den Besichtigungsgang wurden die Beteiligten auf Kosten der Gemeinde bewirtet. Für die jungen Leute wurde zum Tanz aufgespielt und vielerorts erhielt jeder Bürger, jede Witwe und jedes Schulkind ein Brot. So wurde dieser Tag jedes Mal zu einem Festtag, der den Beteiligten noch lange in Erinnerung blieb.
Außer etwa 270 vorhandenen Gemarkungsgrenzsteinen sind innerhalb der Gärtringer Gemarkung noch rund 85 Waldgrenzsteine zu finden. Letztere bilden die Eigentumsgrenzen zwischen den Waldungen der Freiherren Hiller von Gärtringen und der Gemeinde Gärtringen.
Die Steine sind in der Mehrzahl Lettenkohlensandsteine. Man kann sicher annehmen, dass die meisten Steine in den beiden auf Gemarkung Gärtringen befindlichen Sandsteinbrüchen am Steingrubenweg und im Kirchholz gewonnen wurden. Diese Steinbrüche sind jedoch heute nicht mehr in Betrieb.
Ausschnitt aus dem Forstrat Kieserschen Blatt 8 der Marksteine und Wappen, 17. Jh. Der kleine Ausschnitt zeigt herrschaftlich württembergische, Maichinger, Ostelsheimer und Gärtringer Steine. (Bild: Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Sig.: H 107/3, Bd. 10 Alle Rechte vorbehalten)
Da der Kelch das auf den Gärtringer Steinen am meisten abgebildete Zeichen ist, sei darauf näher eingegangen. Nach Auskunft der Württembergischen Archivdirektion Stuttgart vom 25.5.1956 ist der Kelch das Fleckenzeichen der Gemeinde Gärtringen; urkundlich erstmals 1682 erwähnt. … Er stellt eine Umformung des Kessels dar, in dem der heilige Veit nach seiner Legende gemartert wurde, ist also ein Hinweis auf den Gärtringer Kirchenpatron St. Veit.
Seit 1820 hat Gärtringen eine linksgekehrte goldene Adlerklaue im Wappen, der Kelch scheint von da an als Wappenzeichen nicht mehr verwendet worden zu sein.
Die 0,8 Kilometer lange Gemarkungsgrenze Gärtringen-Kuppingen ist durchweg durch schöne alte Grenzsteine vermarkt. Den gleichen Zustand findet man auch bei den nächsten Gemarkungsgrenzen mit Oberjesingen, Deckenpfronn, Dachtel und Deufringen. Da alle diese Grenzen an Waldungen entlang laufen, sind sie durch Veränderungen infolge von Feldbereinigungen usw. verschont geblieben, und alte Grenzsteine wurden nur dann durch neue ersetzt, wenn sie durch Beschädigungen oder durch Witterungseinflüsse unbrauchbar geworden waren.
Wie schon erwähnt, sind nicht nur die Gemarkungsgrenzen durch schöne alte Steine vermarkt, sondern auch die Waldgrenzen. Es sind dies Grenzen von Waldgrundstücken, die der Gemeinde Gärtringen oder den Freiherren Hiller von Gärtringen gehören.
Das auf den 40 Steinen der Edelburg etwa zehnmal vorkommende Zeichen ist der Pfau. Der Pfau ist ein Teil des Wappens der Freiherren Hiller von Gärtringen, die bekanntlich seit dem Jahre 1640 in Gärtringen ansässig sind. Beigefügte Jahreszahlen und Buchstaben lassen auf den jeweiligen Eigentümer schließen. So bedeuten die Buchstaben IVH Johann von Hiller. Dieser lebte in den Jahren 1687 1756; er war herzoglich württembergischer Oberamtmann in Merklingen und Regierungsrat. Von 1715 1756 war er der Eigentümer der Grundstücke. …
Von den acht im Rehwäldle vorgefundenen Grenzsteinen tragen fünf auf der östlichen Seite ein Jagdhorn. Diese findet man im Wappen des Melchior Jäger von Gärtringen (1544 1611). Dieser war württembergischer Geheimer Rat, wurde im Jahre 1582 geadelt und hat wohl im selben Jahre die Grundstücke im Rehwäldle und Spitzhau vom Herzog als Lehen erhalten. …
Die alten Grenzsteine sind unberührte Zeugen der Vergangenheit. Im Interesse der Heimatkunde und Heimatliebe sollten daher diese Grenzsteine noch recht lange erhalten bleiben.
Das Fleckenzeichen Gärtringens, der Kelch, auf einem Stein an der Markungsgrenze nach Deckenpfronn. (Foto: Klaus Philippscheck)
Erstveröffentlichung: Die Gärtringer Gemarkungs- und Waldgrenzsteine. (Veröffentlichungen des Heimatgeschichtsvereins Schönbuch und Gäu e.V., Band 8, 1962)
Der Text wurde gekürzt.
Mit freundlicher Genehmigung der Familie Bühler, Gärtringen und des Heimatgeschichtsvereins für Schönbuch und Gäu e.V.
Anmerkung der Redaktion:
Durch bauliche, verkehrstechnische und andere Entwicklungen sind in den letzten Jahrzehnten eine ganze Reihe der in der Arbeit von Sieghart Bühler einzeln aufgeführten Steine zerstört worden. Die immer noch vorhandenen müssten im Sinne Bühlers neu kartiert und gepflegt werden.