Gemeindeheraldik im Landkreis Böblingen
Autoren: Staatsarchivrat Dr. Eberhard Gönner und Karl Hess
Redaktionelle Bearbeitung: Susanne Kittelberger
Seit dem 18.04.1947 zeigt das Wappen des Landkreises Böblingen in Gold (Gelb) unter einer liegenden schwarzen Hirschstange eine dreilatzige rote Fahne mit drei schwarzen Ringen. Die dreilatzige rote Fahne ist die Wappenfigur der Pfalzgrafen von Tübingen, die bis ins 14. Jahrhundert hinein große Teile des Kreisgebietes beherrschten und auch die Städte Böblingen, Sindelfingen und Herrenberg gründeten. Ihr Territorium fiel – wie auch der Rest des Kreisgebietes – nach und nach an Württemberg, weshalb die württembergische Hirschstange über der Fahne erscheint. Nach der Kreisreform, bei der auch große Teile des ehemaligen Kreises Leonberg dazugekommen waren, wurde dem vergrößerten Landkreis Böblingen das Wappen am 30. August 1974 vom Innenministerium Baden-Württemberg neu verliehen.
Wappen der Gemeinden und Siegel, die früher zur Beglaubigung von Urkunden oder zum sicheren Verschluss von Behältnissen verwendet wurden, sind Ausdruck einer gewissen Eigenständigkeit. Am frühesten kann man sie daher in Städten antreffen. Herrenberger Siegel können bis 1278, Siegel von Böblingen und Sindelfingen bis ins 14. Jahrhundert und Siegel von Waldenbuch bis 1573 zurückverfolgt werden. Auf den Dörfern sieht es allerdings ganz anders aus. Hier treten Siegel vereinzelt gegen Ende des Mittelalters, in geringer Zahl im 16. Jahrhundert und dann langsam zunehmend bis zum Ende des Deutschen Reiches auf. Die Mehrheit der kleinen Gemeinden auf dem Land blieb dagegen ohne eigenes Siegel. Eberhard Gönner, Staatsarchivrat am Landesarchiv Baden-Württemberg, verfasste 1960 ein Wappenbuch für den Altkreis Böblingen, und stellte fest: „Von den 36 Landgemeinden des Alt-Kreises Böblingen sind nur für fünf Orte Siegel aus der Zeit vor 1800 nachzuweisen: Dagersheim 1499, Ehningen 1552, Maichingen 1565, Magstadt 1617 und Kuppingen 1630. Wenn sich diese Zahl durch weitere Forschungen auch etwas erhöhen dürfte, so bleibt doch die Feststellung einer verhältnismäßig geringen Zahl von siegelführenden Gemeinden. Erst im 19. Jahrhundert tritt ein grundlegender Wandel dadurch ein, daß die Gemeinden zur Anschaffung eines Siegels verpflichtet werden“.
Voll ausgebildete Dorfwappen sind für die Zeit vor 1800 noch seltener nachzuweisen. Im weiteren sei hier nochmals auf das Wappenbuch von Staatsarchivrat Dr. Eberhard Gönner verwiesen, der für das Gebiet des Altkreises Böblingen folgendes feststellte:
„Während für die vier Städte des Altkreises farblich festgelegte Wappen seit dem 16. Jahrhundert belegt sind1, sind im Altkreis Böblingen nur zwei in ihren Farben überlieferte Dorfwappen aus der Zeit vor 1800 bekannt (Holzgerlingen und Gültstein). Gönner rechnet dazu noch die auf Siegeln überlieferten Wappen von Dagersheim, Magstadt und Maichingen, deren Farben allerdings erst im 20. Jahrhundert endgültig bestimmt wurden.
Auch nach der allgemeinen Einführung von Gemeindesiegeln im 19. Jahrhundert bildeten sich zunächst keine vollgültigen Wappen heraus. Die Gemeinden begnügten sich in der Regel mit sog. Siegelbildern, wozu nicht selten alte Fleckenzeichen verwendet wurden. Den ersten Vorstoß, die Gemeinden zur Annahme eines Wappens zu bewegen, unternahm 1923 das Oberamt Böblingen. Anlaß dazu war ein Erlaß des Ministeriums des Innern vom 14. Mai 1923, der den Gemeinden die Führung des Landeswappens untersagte. Um den Gemeinden zu eigenen Wappen zu verhelfen, vermittelte das Oberamt Böblingen Vorschläge der Archivdirektion, die im Jahre 1927 bei den Gemeinden Breitenstein, Dagersheim, Darmsheim, Dätzingen, Deufringen, Holzgerlingen, Maichingen und Neuweiler zur Annahme bzw. Wiederannahme von Wappen führten. In den folgenden 25 Jahren entstanden nur wenige neue Wappen in den Oberämtern Böblingen und Herrenberg. Erst das wiedererwachte Interesse an Gemeindewappen nach dem zweiten Weltkrieg hatte zur Folge, daß wieder in größerem Maße neue Wappen angenommen oder alte Wappen verbessert worden sind. Allein in den Jahren 1956 bis 1959 haben auf diese Weise 12 Gemeinden des Kreises ihr Wappen festgelegt, als letzte die Gemeinde Rohrau.
Das seit 1947 gültige Wappen des Landkreises Böblingen vereint die dreilatzige rote Fahne der Pfalzgrafen von Tübingen und die Hirschstange des Hauses Württemberg auf goldgelbem Grund.
Bei der Betrachtung des Inhalts der Gemeindewappen fällt die große Zahl der Fleckenzeichen auf, die sich entweder auf Siegeln erhalten haben oder auf die bei Neubildungen zurückgegriffen worden ist, so bei den Wappen von Aidlingen, Darmsheim, Döffingen, Gärtringen, Haslach, Hildrizhausen, Kuppingen, Magstadt, Nufringen, Tailfingen. Unter Fleckenzeichen versteht man einfache Ortszeichen, mit denen das Gemeindeeigentum gekennzeichnet worden ist. Überliefert sind sie vorzugsweise auf Markungssteinen. Für das Herzogtum Württemberg besteht in den Forstlagerbüchern von Kieser aus den Jahren 1681-86 eine einmalige Quelle für die Erforschung der Fleckenzeichen. Allein für den heutigen Kreis Böblingen gibt Kieser 17 Fleckenzeichen wieder. Oft beziehen sich Fleckenzeichen auf den Ortsnamen, auf den Kirchenpatron oder auf die Landwirtschaft. Doch in zahlreichen Fällen läßt sich ihre Bedeutung heute nicht mehr feststellen.
Nicht alle Symbole der Landwirtschaft und alle Hinweise auf den Ortsnamen in den Gemeindewappen sind als Fleckenzeichen nachzuweisen. Zum Teil wurden sie erst in neuerer Zeit in das Wappen aufgenommen (Aidlingen, Nebringen). Auf geographische Gegebenheiten wie Bäche, Art der Dorfanlage, Quellen, Wald, weisen die Figuren in den Wappen von Altdorf, Neuweiler, Rohrau und Weil im Schönbuch hin. An den einstigen Ortsadel erinnern die Wappen von Altdorf und Breitenstein, an ehemalige Herrschaftsverhältnisse die Wappen von Dätzingen, Deufringen, Gültstein, Kayh, Öschelbronn und Unterjettingen und die Stadtwappen von Böblingen, Herrenberg und Sindelfingen.
Von der Amtskörperschaft (Kreisverband) Böblingen wird seit dem Jahre 1927 ein eigenes Wappen geführt. Nach dem zweiten Weltkrieg allerdings, als das auf den Flugplatz Böblingen weisende Flugzeug nicht mehr den tatsächlichen Verhältnissen entsprach, ersetzte es der Kreisverband durch die Pfalzgrafenfahne, die schon das Siegel von „Stadt und Amt Böblingen“ im Jahre 1705 gezeigt hatte. Dieser Wappenwechsel ist ein Beweis für die geringe Eignung von zeitlich gebundenen Zeichen für ein auf die Dauer berechnetes Wappen. Da die dreilatzige Fahne auch die Wappenfigur der Stadt Herrenberg ist, kommen im neuen Kreiswappen sowohl Böblingen wie das 1938 einbezogene Herrenberg zur Geltung.“
Ausschnitt aus dem Forstrat Kieserschen Blatt 8 der Marksteine und Wappen, 17. Jh. Der kleine Ausschnitt zeigt herrschaftlich württembergische, Maichinger, Ostelsheimer und Gärtringer Steine. (Bild: Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Sig.: H 107/3, Bd. 10, alle Rechte vorbehalten)
Erstveröffentlichung: Wappenbuch des Landkreises Böblingen, herausgegeben vom Landkreis Böblingen und der Archivdirektion Stuttgart, Stuttgart 1960, Bearbeitung: Staatsarchivrat Dr. Eberhard Gönner, Mitarbeit: Karl Hess. (Veröffentlichungen des Heimatgeschichtsvereins für Schönbuch und Gäu e.V., Bd. 6)
Das 1960 erschienene Wappenbuch untersucht damals nur die Gemeinden des sog. Altkreises Böblingen.
Mit freundlicher Genehmigung des Landesarchivs Baden-Württemberg und des Heimatgeschichtsvereins für Schönbuch und Gäu.
Internet-Links zur Wappenkunde:
Referenz
↑1 | Die früheste Überlieferung des Leonberger Wappens stammt aus dem Jahre 1312 |
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