Sagen und Geschichten aus dem Landkreis Böblingen
’s Mauchen Bom
Eine Sage aus Gebersheim und Rutesheim
Es war ein mächtiger Birnbaum, der unweit der Straße von Leonberg nach Rutesheim stand, da, wo es von Legelbach zu den Pfennigäckern hinaufgeht. Er trug Kernbirnen.
Allerlei fahrendes Volk, Zigeuner, Landstreicher, Kesselflicker gaben sich dort ein Stelldichein, weil auch der Lohlenbach jenseits der Römerstraße fließt; dort konnte man lange noch ein durchstochenes Stauwehr sehen.
Weiter südlich zieht die Talmulde „Pfaffengrund“ und „Fallichen Raot“ gegen den Lohlenbach. Hier stand bis Mitte des vorigen Jahrhunderts ein Stall, den die Eltinger dann abbrachen. Auch stand weiter oben im „Bennstall“ ein Schuppen, an den sich eine schlimme Sage heftet – die ganze Gegend ist verrufen.
Vor Zeiten lebte in Böblingen ein Edelfräulein, dem gehörten eine Anzahl Wiesen am Lohlenbach und Äcker im Pfaffengrund. Einmal kam es mit seinem Geliebten, Deisele genannt, und nahm seine Güter in Augenschein. Es sah die üppigen Wiesen mit dem Bächlein, dazu die wogenden Saaten. Da sprach es: „Hier will ich wohnen!“ Der Deisele erwiderte: „Dein Wunsch soll erfüllt werden.“ Und er zwang die Bauern und Handwerksleute der Umgegend, dass sie ihm in der Fron ein Haus bauten samt Stall und Scheune. Er zwang sie auch, dass sie ihm einen Fischweiher anlegten und das Stauwehr errichteten; den Lehm dazu mussten sie zum Teil weit her holen. Er zwang die Gebersheimer, dass sie ihm die dortigen Güter „des Heiligen“, also der Kirche, abtraten. Der Gebersheimer „Heiligenpfleger“ Mauch war ihm behilflich bei dem schändlichen Tun und erhielt zum Lohn den Acker mit dem Baum.
Von da an wohnte das Fräulein mit dem Deisele hier. Es fischte oft in dem See südlich Gebersheim, der nach ihrem Geliebten Ditzensai oder Dittisee genannt wurde. Wenn bei Nacht die Frösche in dem Weiher quakten, dann mussten die Bauern hinaus und mit Stangen hineinschlagen, dass die beiden in Ruhe schlafen konnten. Der DeiseIe ritt oft auf seinem bösen Schimmel auf den Feldern umher und plagte die Leute. Zuletzt ließ er noch einen Schuppen bauen und mit den besten Garben füllen. In einer Herbstnacht aber brannte diese Scheuer ab; den DeiseIe fand man unter den Trümmern. Er wurde nicht in geweihter Erde begraben, sondern in der Nähe verscharrt. Von da an hieß der Ort Beinstall, kurz „Bennstel“.
Dem Fräulein wurde der Besitz unheimlich. Es vermachte alles dem Rutesheimer Heiligen, auch die Gebersheimer Äcker. Die Besitzer mussten seitdem jedes Jahr ihren Zehnt nach Rutesheim liefern. Die Häuser verfielen. Vom Deisele wurde noch lange mit Grauen geredet, noch lange schreckte man die Kinder mit den Worten: „Der Deisele kommt!“
Jetzt reitet er in mondhellen Nächten auf einem Schimmel mit dem Kopf unter dem Arm über die Güter zwischen Gebersheim und der Hauptstraße. Das Fräulein aber kommt als weiße Frau an den früheren See, der seitdem längst abgelassen ist. Die Leonberger fassten die Quellen zu einer Wasserleitung. Der Platz mit dem Birnbaum, bei dem sich der Mauch erhängt haben soll, heißt „bei’s Mauchen Bom“. Die Familie Mauch erlosch in Gebersheim im Jahre 1800, der Acker mit dem Baum kam an einen Bauern namens Schmid. Der ließ den uralten Baum ums Jahr 1860 umhauen. Noch heute wird ein Gewann Äcker Ditzensai oder Dittisee genannt.
Die Gestalt des kopflosen Reiters ist ein immer wiederkehrendes Motiv in den Volkssagen des deutschsprachigen Raumes. Lesen hierzu auch den Artikel bei Wikipedia.
Auch der rüpelhafte Geist des Schönbuchs, der Ranzenpuffer, erscheint gelegentlich ohne Kopf; dasselbe gilt für den Fole, der im Spitalwald zwischen Herrenberg und Haslach sein Unwesen trieb und für einen Reiter, der früher bei Weissach gesehen wurde.
Erstveröffentlichung: „Sagen um Leonberg“, gesammelt von der Klasse 6b des Kepler-Gymnasiums Leonberg, 1984.
Wir danken Frau Trude Kühner für die Überlassung der Broschüre.