Die Geschichte der Firma Schoenenberger in Magstadt
Der Natur auf der Spur
Autor: Klaus Philippscheck
Anfang der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts machte der junge Schweizer Apotheker Walther Schoenenberger eine wichtige Entdeckung. Er stieß beim Studium alter Kräuterbücher auf die lange vergessene Heilmethode der Nutzung frischer Pflanzensäfte und ihrer therapeutischen Wirksamkeit. Solche heilenden Kräfte der Pflanzenwelt hatten die Menschen schon immer fasziniert.
Nach zäher, mühevoller Forschungsarbeit gelang ihm um 1924 ein entscheidender Durchbruch mit dem wissenschaftlichen Nachweis, dass der Zellsaft erntefrischer Heilpflanzen ein sehr „ausgewogenes Gleichgewicht“ der Wirkstoffe enthält und damit allen anderen Zubereitungen von Pflanzen medizinisch überlegen ist. Walther Schoenenberger formulierte es so: „Die Heilkonzentration, welche die Natur geschaffen hat, ist in unveränderter Form nur in der frischen Pflanze enthalten“.
Die Umsetzung dieser theoretischen Erkenntnis in die Praxis war ein Schritt in Neuland. Also experimentierte er in der heimischen Küche in Stuttgart mit Saftpressen und Dampfdrucktöpfen und fand tatsächlich ein wirkstoffschonendes Verfahren zur Haltbarmachung. Damit war ihm nach vielen Versuchen 1926 erstmals die Herstellung frischer Pflanzen-Presssäfte geglückt. Das war kein einfaches Unterfangen, denn um die Wirksamkeit und Haltbarkeit des Saftes zu sichern, mussten die frisch geernteten Pflanzen noch am Erntetag gepresst und unverzüglich in Flaschen abgefüllt werden.
Die Idee, ganzjährig frische Presssäfte von Brennnessel, Spitzwegerich, Schafgarbe oder Weißdorn in einer Frischpflanzen-Therapie trinken zu können, faszinierte schnell viele gesundheits- und naturbewusste Menschen. Als die Nachfrage deshalb wuchs, gründete Walther Schoenenberger 1927 in Cannstatt sein erstes Pflanzensaftwerk und zog schon 1928 an den heutigen Standort in Magstadt. Seitdem entstehen hier in einem hochmodernen Arzneiwerk Schoenenberger Frisch-Pflanzen-Presssäfte.
Löwenzahn-Ernte für die Magstadter Firma Schoenenberger. (Foto: Salus-Schoenenberger)
Schoenenbergers Prinzip: Jeder Saft ist nur so gut wie die Qualität der Pflanze. Wenn die Firma also Spitzenqualität bieten will, muss deshalb bei der einzelnen Heilpflanze, bei ihrem Standort, ihrer Düngung und ihrem gesunden Wachstum angesetzt werden. Also stammen die wertvollen Rohstoffe für Schoenenberger Pflanzensäfte aus streng kontrolliertem biologischen Anbau. Dazu hat Schoenenberger in enger Kooperation mit biologisch orientierten Vertragsgärtnereien in der Nachbarschaft Magstadts ein spezielles regionales Anbaukonzept entwickelt. (Da aber zum Beispiel der Weißdorn nicht in Monokultur angebaut werden kann, müssen seine Blätter von Hand wild gesammelt werden.) Um den größtmöglichen Wirkstoffgehalt aus dem Pflanzenzellsaft ziehen zu können, erfolgen schon während der Wachstumsperiode laufend Pflanzen- und Bodenstichproben durch die firmeneigenen Biologen und Chemiker.
Auf größeren Kräuterfeldern verläuft die Ernte maschinell. Geerntet wird grundsätzlich im Morgengrauen – wenn die Pflanzen noch taufrisch und dadurch die Heilkräfte am größten sind. Alle weiteren Produktionsschritte werden begleitet von mikrobiologischen Laborkontrollen auf Keimfreiheit und etwaige sonstige Rückstände (z. B. mit der Atomabsorptionsspektroskopie). Dadurch kann die Firma nachweisen, dass ihre Produkte lediglich maximal 10 % der gesetzlich in Deutschland zulässigen Schadstoffmengen enthalten.
Die Verarbeitung muss in größtmöglicher Schnelligkeit vonstatten gehen. Die sorgsam zerkleinerten Heilpflanzen gelangen dabei schichtweise auf die Gitter einer hydraulischen Etagenpresse. Dort wird das Pflanzenrohstoff-„Paket“ mit der Kraft von 300 bar unter Druck gesetzt und nachhaltig ausgepresst.
Der gewonnene Pflanzenzellsaft, das „grüne Gold“ genannt, fließt durch ein absolut keimfreies, geschlossenes Edelstahlrohrsystem über eine Entkeimungsschleuse zur Abfüllanlage. Dank der folgenden Kurzzeiterhitzung kann der Presssaft ohne jeden Zusatz von Konservierungsstoffen oder chemischen Stabilisatoren abgefüllt werden.
So hält die Firma Schoenenberger im Augenblick ein breites Programm naturreiner Heilpflanzensäfte für Handel und Verbraucher bereit. Angefangen etwa von der Artischocke über die Nervenaufbauhilfen Baldrian und Hafer bis zum hustenreizlindernden Huflattich, den herzstärkenden Weißdorn oder dem entwässernden Zinnkrautsaft. Seit 1991 gehört die Firma zur Salus-Schoenenberger-Gruppe und zählt zu den führenden deutschen Herstellern in der Reformwaren-Branche, denn jährlich werden mehrere Millionen Flaschen Frischpflanzensäfte produziert.
Da muss ich immer wieder zurückdenken an den Krach im Magstadter Adler. Es war im Januar 1930. Eine kalte Winternacht, aber drinnen im Gasthaus ging es heiß her. Die derben Bauernfäuste krachten nur so auf die Eichentische, deftige Flüche sausten mir um die Ohren: Apotheker, verrückter!, Ach, geh´ doch zum Teufel! das waren noch die mildesten. Die Bauern waren in Rage. Was war geschehen? Ich, der verrückte Apotheker, damals 29 Jahre alt und seit zwei Jahren Magstadter Bürger, hatte von den Landwirten und Gärtnern der Umgebung schier Unmögliches verlangt: sie sollten Brennnesseln, Löwenzahn und Schafgarbe für mich anbauen. Ja, hatte man denn so was schön gehört? Auf den schönen Feldern ringsum, auf denen seit Menschengedenken der beste Weizen geblüht hatte, sollte jetzt Unkraut wachsen!
Schwabens Bauern sind bekannt für ihre harten Schädel. Aber meiner erwies sich als noch härter. Im Frühjahr wuchs auf 15 ha das gefürchtete Unkraut. Das hatte mich Überredung gekostet. Und eine Menge Geld dazu. Denn ich hatte den Bauern den Ertrag einer guten Weizenernte versprochen. Für 5 Jahre…
Der Schweizer Apotheker Walter Schoenenberger. (Foto: Salus-Schoenenberger)
Mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Firma Salus-Schoenenberger.
Der Autor, Klaus Phlippscheck, war Lehrer in Sindelfingen und gehört zu den Mitbegründern des zeitreise-BB-Projektes. Seine Interessensschwerpunkte sind die Sindelfinger Stadtgeschichte, insbesondere die Webereigeschichte, sowie die Wiederentdeckung vergessener Sindelfinger Persönlichkeiten. Daneben arbeitete er auch zur Geschichte der Mühlen und der Grenzsteine im Landkreis BB.
Literaturangaben:
Walter Schoenenberger: Gesund durch natürliche Säfte, Verlag Arthur Moewig, Rastatt 1990.