Das Nufringer Pfarrhaus und seine Baugeschichte
Autor: Roman Janssen
Gegen 1590 war das Nufringer Pfarrhaus samt dazugehöriger Scheuer baufällig geworden. In den ersten Tagen des Jahres 1590 wandte sich Pfarrer Martin Labor an die Regierung. Ohne lange Vorrede stellte er nüchtern fest, er sei in dieser Sache schon dreimal vorstellig geworden, ohne auch nur ein Antwort erhalten zu haben. Dann beschrieb er drastisch den Zustand, dass „gedachte Behausung und Schuiren ie lenger ie gefhärlicher zu bewhonen ist, sintenmhal waß darein eingehaimset wirdt durch rägen und schne schaden empfahet und dass noch mher ich oder die meinen, so sie einstheils (wie zu besorgen) einfiele, möchten an leib oder läben beschädiget werden“.1 Das war indirekt schon ein harsche Schelte, und Pfarrer Labor verstand den Effekt noch dadurch zu erhöhen, dass er dann überaus unterwürfig in einer Kette von Segenswünschen an den Landesfürsten endete, die selbst drei Pfarrern zur Ehre gereicht hätte.
So verstand man wohl auch in Stuttgart das Gesuch. Aus der Erinnerung hielt man fest, die unbeantworteten Schreiben seien tatsächlich im Vorjahr eingegangen und dem herzoglichen Baumeister Georg Beer zu einem Augenscheintermin übergegeben worden. Beer sei aber so sehr mit Aufträgen des Herzogs beschäftigt gewesen, dass es dazu nicht gekommen sei. In der Amtsstube des gerade im Außendienst befindlichen Baumeisters wurde nach Labors Suppliken2 gesucht; man fand sie nicht. So forderte man erst einmal ein Führungszeugnis für den Pfarrer anlässlich der nächsten Visitation an.
Das Nufringer Pfarrhaus wurde 1599 von dem herzoglichen Baumeister Elias Gunzenhäuser erbaut – nicht zur vollen Zufriedenheit von Pfarrer Labor, der bald „etliche Defekte“ beklagte. Es wurde 1998 grundlegend saniert.
Der Tod Herzog Ludwigs und der Regierungsantritt Herzog Friedrichs I. im Jahre 1593 ließen die Angelegenheit höheren Orts in Vergessenheit geraten. Erst im Frühjahr 1598 – Pfarrer Labor hatte damals ein Ersatzquartier im Hause des Brunnenmeisters bezogen – bewegte sich etwas. Der Baumeister Elias Gunzenhäuser wurde mit Planung und Bauleitung beauftragt. Er stellt einen Kostenüberschlag, der sich auf die Summe von 1372 Gulden belief. Nachdem noch hin und her gerechnet worden war, ob sich hier und da noch ein Gulden, oder ein, zwei Kreuzer einsparen ließen, erfolgte am 23. Dezember die Zustimmung.
Von Frühjahr bis Herbst 1599 wurde der Rohbau erstellt, und zwar an der Stelle des mittelalterlichen Pfarrhauses. Weil der Architekt wohl nur sporadisch in Nufringen vorbeieilen konnte, kam es zu allerhand Schlampereien, die Pfarrer Labor minutiös auflistete. So waren z.B. von 17 in Auftrag gegebenen Fensterläden nur 16 angefertigt, der Innenausbau der Scheuer – Tenne und Leitern – und der Schweinestall nicht ausgeführt worden. Und nach dem Einzug kam noch das Problem „Pfusch am Bau“ hinzu. Wieder erstellt der Pfarrer eine Liste „etlicher Defekte“, wobei er nunmehr die Kosten hinzusetzte: Der Schweinestall war noch immer nicht gebaut, die Fenster ließen zu wünschen übrig, von der Spüle und aus der Badstube lief das Wasser in den Keller und schadete den Fundamenten, der Brunnen im Hof war durch Unachtsamkeit beim Neubau in Mitleidenschaft gezogen, und so weiter und so fort – notwendige Verbesserungen insgesamt nach seiner Meinung von 149 Gulden 30 Kreuzern. Leider brechen damit die Akten ab, und somit bleibt unbekannt, ob und eventuell wie das Dilemma gelöst wurde.
Das Nufringer Pfarrhaus war bisher nicht im Werkverzeichnis des Elias Gunzenhäuser bekannt. Dieser stammte aus Schorndorf, war 1583 am Lusthaus in Stuttgart tätig, wurde 1588 und 1595 als Werkmeister in Tübingen benannt und 1596 als herzoglicher Baumeister angenommen. Von Hause aus war er dem Schreinerhandwerk verpflichtet und ein Meister bewundernswerter Holzkonstruktionen, z.B. der Decke im Rittersaal von Schloss Weikersheim. Als Baumeister arbeitete er mit Heinrich Schickardt, in dessen Schatten er jedoch blieb. Sein reifstes Werk ist die Kirche von Waldenbuch. Gunzenhäuser starb im Jahre 1606. …
Die wohlgestaltete Eingangstür des Nufringer Pfarrhauses offenbart die Handschrift des herzoglichen Baumeisters.
Erstveröffentlichung: Nufringen – Eine Gäugemeinde im Wandel der Zeit. WEGRAhistorik-Verlag Eberhard Hartenstein + Partner, Stuttgart 1998, S. 120-22
Der Text wurde gekürzt
Mit freundlicher Genehmigung der Verlagsinhaber und des Autors