Gemeinden Weil und Breitenstein fühlten sich vom Staat übervorteilt
Die Ablösung der Waldgerechtigkeiten in Weil im Schönbuch
Autor: Walter Hahn
Mit der Erhebung Württembergs zum Königreich 1806 setzte eine durchgreifende Neuordnung von Justiz und Verwaltung im ganzen Lande ein. Davon wurde auch die Forstverwaltung betroffen, die am 3. März 1807 dem neu errichteten Finanzministerium unterstellt wurde. Eine der ersten vorbereitenden Aufgaben war die Auflösung und Aufhebung der bestehenden Schönbuchgerechtigkeiten.
Eine Ablösungskommission wurde am 12. November 1819 gebildet. Regierungsrat Kausler und Oberförster Vogelmann vom Forstamt Tübingen wurden beauftragt, die Verhandlungen vorzubereiten und einzuleiten.
Ihren ersten Versuch, mit den Gemeinden zu einer Übereinkunft zu gelangen, machte die Ablösungskommission mit den Ortschaften, die zum Revier Weil im Schönbuch gehörten.
Im Revier Weil hatte man bisher bei der Ausübung der Gerechtigkeiten den Waldbeständen gegenüber die größte Schonung gezeigt. Der erste Verhandlungstag war am 10. April 1820 in Böblingen, wozu die Ortsvorsteher der betreffenden Gemeinden eingeladen waren. Es folgten Einzelverhandlungen mit Weil im Schönbuch, Breitenstein und Neuweiler.
Die Kommission wollte in ihren Verträgen die Verzichtserklärung auf die Waldgerechtigkeiten. Vertragsgemäß verzichteten also die Gemeinden Weil, Breitenstein und Neuweiler “auf alle aus den Schönbuchverhältnissen hergeleiteten Holz-, Weide- und andere Gerechtigkeiten“, und daß die Nebennutzungsrechte Leseholz, Laubstreu, Waldheu, Waldweide, Schweineeintrieb, Graben von Sand und Steinen usw. nicht anders als nach Maßgabe der allgemeinen Forstgesetze anzuwenden seien.
Die Gemeinde Weil im Schönbuch wurde mit 275 Morgen Wald abgefunden, Breitenstein zunächst mit 30 Morgen und Neuweiler im Jahr 1822 mit 65 Morgen. Der abgetretene Wald wurde vermessen und versteint und war nun Gemeindewald.
Nicht alle Schönbuchgemeinden waren mit der angebotenen Abfindung einverstanden. Bei den zuerst abgefundenen Gemeinden Weil im Schönbuch und Breitenstein regte sich der Verdacht, daß man mit den zugewiesenen, ausgehauenen Waldflächen benachteiligt worden sei und wollte die abgeschlossenen Verträge wieder rückgängig machen. Nachdem beide Gemeinden mit ihren Gesuchen zur Überprüfung der Abfindungsverträge von der Finanzkammer zurückgewiesen worden waren, erhoben sie gerichtliche Klage auf Aufhebung der Verträge oder Erhöhung der Abfindung. Die Klage von Weil im Schönbuch traf am 17. August 1825, die von Breitenstein am 26. April 1826 beim Gerichtshof für den Schwarzwaldkreis in Tübingen ein.
Das Gericht stellte eine umfangreiche Beweisaufnahme an. Der Prozeß, der sich über zehn Jahre hinzog, wurde für beide Gemeinden durch Urteil vom 18. und 20. Mai 1836 entschieden.
Weil im Schönbuch wurde mit seiner Klage abgewiesen, weil nicht zu beweisen war, daß der Wert der Gerechtigkeiten den zugewiesenen Waldwert übersteigt.
Breitenstein hatte mehr Erfolg, weil bei diesem Vertrag die Übervorteilung durch den Staat um ein Drittel nachgewiesen werden konnte. Allerdings dauerte es noch einmal fünf Jahre, bis durch einen Vergleich vom 26. Februar 1841 entschieden wurde, daß Breitenstein zu den bereits zugewiesenen 30 Morgen noch weitere 60 Morgen Wald im „Schafhau“ am Franzensträßchen erhält. (…)
Nach der Ablösung der Waldgerechtigkeiten begann ein langer und verbissen geführter Kampf, in dem das württembergische Finanzministerium die neuen Forstbestimmungen in den Staatswaldungen gegenüber den traditionellen Gewohnheiten der Dorfbewohner mit großer Härte durchsetzte.
Mit immer enger gefassten Vorschriften, versuchte man die Bevölkerung aus dem Wald heraus zu halten. Seit 1817 wurden auch immer wieder Waldverbote ausgesprochen, die von den Förstern streng überwacht wurden. Wer dort trotzdem erwischt wurde, musste mit harten Strafen rechnen. Holzfrevel wurde streng verfolgt; auch das Sammeln von Beeren war untersagt. Nur alle zwei Wochen durfte die ärmere Bevölkerung Weil im Schönbuchs mittwochs in den Wald, um dort abgefallenes Holz zusammen zu lesen.
Herbst im Schönbuch. Das Sammeln von Laub, heruntergefallenen Zweigen und Reisig half gerade den ärmeren Bewohner der Schönbuchorte erheblich dabei, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. (Foto: Martin Rathgeber, Lizenz: CC-BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/), Wikimedia Commons)
Erstveröffentlichung: Walter Hahn, Heimatbuch Weil im Schönbuch – Breitenstein – Neuweiler, Hrsg.: Gemeinde Weil im Schönbuch, 1988, S. 158-59 und 170-71.
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Gemeinde Weil im Schönbuch
Der Autor, Walter Hahn, stammte aus Weil im Schönbuch und war dort 27 Jahre lang Schulrektor. Als Autor und Heimatforscher macht er sich um seine Heimatgemeinde überaus verdient und wurde zum Ehrenbürger ernannt.