Affstätt in der Herrenberger Oberamtsbeschreibung von 1855
„… fleißig, sparsam, friedliebend und kirchlich gesinnt“
Autor: Eduard Paulus
Affstätt Gemeinde III. Klasse, Dorf mit 378 Einw., worunter 1 Kath. -Evangel. Pfarrfilial von Kuppingen; die Kathol. sind nach Altingen eingepfarrt.
Der kleine, freundliche, zum Gäu gehörige Ort, von dem man eine sehr anziehende Aussicht über das Gäu und an die Alp genießt, liegt 1/4 Stunde nordwestlich von der Oberamtsstadt1. (…) Die ländlichen Häuser sind meist ansehnlich und die Ortsstraßen, von denen nur die Hauptstraße gekandelt ist, ziemlich gut gehalten.
In der Mitte des Dorfes steht das einfache, styllos gehaltene Kirchlein zur heil. Catharina2(…) Der Begräbnisplatz wurde im Jahr 1840 außerhalb des Orts gegen Nufringen angelegt; früher mussten die Todten nach Kuppingen gebracht werden.
Das zunächst zur Kirche stehende Rathaus wurde 1760 erbaut, es enthält zugleich die Schule, wurde 1814 auch zur Wohnung des an derselben angestellten Lehrers eingerichtet und 1835 namhaft vergrößert.
Ein Gemeindewaschhaus besteht seit 1767 und ein Gemeindebackhaus ist neuerdings errichtet worden; die 1745 erbaute Zehntscheuer ging 1851 von der Hofdomänenkammer in Privatbesitz über.
Der Ort hat keinen laufenden Brunnen, dagegen 12 Pump- und Ziehbrunnen, von denen mehrere im Jahr 1822 errichtet wurden, so dass seit dieser Zeit kein Mangel an Wasser mehr entsteht. Am nordöstlichen Ende des Orts sind zwei Wetten angelegt und in den Spitalwiesen befindet sich eine periodisch-fließende Quelle (Hungerbrunnen). (…)
Der Boden ist im Allgemeinen fruchtbar, besonders in Richtung gegen Herrenberg, wo er aus einem leichten Lehm und Malm (Verwitterung des Muschelkalkdolomits) besteht. Östlich vom Ort am Röthelberg wird der Boden schwer, thonig und ist von Keupermergel unterlagert. Die besten Güter, deren Boden aus Diluviallehm besteht, liegen nördlich vom Ort. Die Luft ist rein und gesund, daher auch selten epidemische Krankheiten vorkommen, dagegen schaden Fröste häufig den Obstbäumen und zuweilen der Roggenblüthe. Hagelschlag kam in 50 Jahren 6 Mal in größerer Ausdehnung vor, abgesehen von dem minder beträchtlichen Schaden, den derselbe zuweilen anrichtete.
Die Einwohner, ein kräftiger, wohlgewachsener Menschenschlag, sind im Allgemeinen sehr fleißig, sparsam, friedliebend und kirchlich gesinnt; die Vermögensumstände derselben gehören zu den besseren. Der begütertste Bürger besitzt etwa 50 Morgen3 Feld. Die Haupterwerbsquellen bestehen auch hier, wie im Mutterort Kuppingen, in Feldbau und Viehzucht. (…)
Weinbau wurde früher an den Abhängen des Röthelbergs und des Fichtenbergs betrieben (…) . Die Obstzucht ist nicht unbedeutend, obwohl das Obst nicht gerne gedeiht; man pflanzt nur Mostsorten und etwas Zwetschgen. (…) Was die Viehzucht betrifft, so werden nur wenige Pferde gehalten, dagegen ist die Rindviehzucht in einer guten Landrace bedeutend; (…)
Außer den nöthigsten Handwerkern befinden sich im Ort ein Schildwirth und ein Krämer. (…)
Etwa 1/8 Stunde nordöstlich vom Ort auf den sogenannten Schloßäckern fand man auf dem Acker des Gemeinderaths Eberhard Ludwig Kopp namhafte Grundmauern von einem römischen Gebäude nebst sehr vielen Fragmenten von römischen Ziegeln, Heizröhren, Gefässen etc. (…)
Die erstmalige Nennung des Orts steht in der Sindelfinger Chronik z. J. 1287, wo er Affsteten geschrieben ist. (…) An Württemberg gelangte Affstätt mit Herrenberg im Jahr 1382; (…)
Auf dem Affstätter Feld wurde den 15. Oct. 1693 Herzog Johann Friedrich von Württemberg, Sohn Herzog Eberhards III., Obrister über ein schwäbisches Dragonerregiment, im Duell mit dem österreichischen General Palfy, erst 23jährig, erschossen.
Quelle: Beschreibung des Oberamts Herrenberg. Herausgegeben von dem königlichen statistisch-topographischen Bureau, Stuttgart 1855.
Der Text wurde gekürzt.
Die Württembergischen Oberamtsbeschreibungen:
Im Jahre 1820 wurde auf Dekret des württembergischen Königs Wilhelm I das „königliche statistisch-topographische Bureau“ in Stuttgart gegründet. Zwischen 1824 und 1886 wurden dort genaue Beschreibungen aller 64 württembergischen Verwaltungsbezirke und ihrer Gemeinden erarbeitet. Als 34. Band erschien im Jahre 1855 die Beschreibung des Oberamts Herrenberg. Auf dem Internet-Portal Wikisource kann diese bereits vollständig abgerufen werden. Hier finden Sie auch eine ungekürzte Fassung der Beschreibung von Affstätt.
Die Oberamtsbeschreibungen sind eine interessante und unverzichtbare Quelle zur württembergischen Landeskunde und werden auch als Reprint immer wieder aufgelegt.