In der Altdorfer Gartenstraße stand im hohen Mittelalter eine Töpferei
Der Scherbenhaufen im Baggerloch
Autor: Hansjörg Jung
Die alten Altdorfer haben es schon lange gewusst – in den alten Gärten in der Gartenstraße kommen immer wieder Scherben zutage. So auch vor rund zweieinhalb Jahren, als eine Garage in das Erdreich gegraben wurde. Doch dabei wurden nicht nur ein paar Scherben aus dem gelben Lößlehm gezogen, dem Baggerfahrer offenbarte sich ein ganzer Scherbenhaufen. Dem herbei gerufenen Altdorfer Mittelalterarchäologen Uwe Meyerdirks war schnell klar, was hier gefunden wurde: Abfallgruben, über und über gefüllt mit alten, gelblichen Keramikscherben.
„Es waren weit mehr Scherben in der Grube, als man normalerweise findet“, erinnert sich Uwe Meyerdirks. Das Besondere daran: Es handelte sich bei den Scherben offensichtlich um Fehlbrände einer Töpferei. Risse machten die gebrannten Töpfe, Kannen und Becher unbrauchbar, teilweise waren beim Brand ganz Stücke abgeplatzt, wie bei einem großen Krug, bei dem der Boden fehlte – ansonsten aber unversehrt war.
Seit den 70-er Jahren gesucht
Diese Töpferei wurde seit Anfang der 70-er Jahre von den Archäologen in der Gegend vermutet. Als damals die Hildrizhausener Nikomedeskirche renoviert wurde, kamen im Kirchenboden „zahlreiche ofenfrische Töpfe der älteren gelben Drehscheibenware“ zu Tage, die offensichtlich zur Isolierung im Fußboden vergraben wurden. Diese Töpfe waren zwar ofenfrisch, doch, wie die Scherben in Altdorf, allesamt Ausschuss.Diese so genannte gelbe Drehscheibenware war im Hochmittelalter modern. Der Mode entsprechend, wurde der Ton bei hohen Temperaturen in „oxidierender Atmosphäre“ gebrannt, was zur schönen hellen gelben Farbe der Keramik führte. In anderen Zeiten waren dunkelgraue Töpfereien der letzte Schrei, die durch niedrigere Temperaturen im rauchigen Töpferofen beim so genannten „reduzierenden Brand“ erzielt wurden.
Spezialisten am Werk
Die Töpferwerkstatt, so Uwe Meyerdirks, war darüber hinaus hinaus ein hoch spezialisierter Betrieb. Die schnell drehende Töpferscheibe war zwar schon seit Urzeiten erfunden, doch war diese Technologie im Hausgebrauch nicht üblich – hier waren Spezialisten am Werk. Viele solcher Töpfereien sind im Land noch nicht gefunden worden und, so Uwe Meyerdirks, sei es schwer zu sagen, wie groß das Absatzgebiet der Manufaktur war. Doch, da ist sich der Mittelalterarchäologe sicher: „Es war sicher ein Betrieb mit überörtlicher Bedeutung“.
Und noch eines lehren die Altdorfer Scherben die Wissenschaft: Bislang unterschieden die Experten zwei Keramiktypen – den Typ Runder Berg, der mit einem flachen, waagerechten Rand getöpfert wurde und der Typ Jagstfeld, dessen Rand mit durch ein ins Gefäßinnere neigende Kehlung gekennzeichnet ist. So unterschiedlich die Form, so unterschiedlich die Zeit, in der dieses beiden Typen en vogue waren.
Der Rand und die Mode
In den „Archäologischen Ausgrabungen in Baden Württemberg 2002“ schreibt Uwe Meyerdirks mit seinem Kollegen Rainer Schreg:
„Die Keramikforschung hat bislang eine klare chronologische Trennung dieser beiden Formen in das 10./frühe 11. beziehungsweise das späte 11./12. Jahrhundert vorgenommen. Der Wechsel der Randformen soll zur Mitte des 11. Jahrhunderts erfolgt sein. Der Befund in Altdorf macht nun deutlich, dass zumindest mit einer längeren Übergangsphase zu rechnen ist, in der beide Formen gebräuchlich waren, denn in allen drei, offenbar rasch verfüllten Gruben lagen beide Formen bunt gemischt.“
Man sieht: Die alten Altdorfer sind immer für eine Überraschung gut.
Der Text wurde gekürzt
Mit freundlicher Genehmigung der Sindelfinger Zeitung/Böblinger Zeitung.
Quelle: Sindelfinger Zeitung vom 15. Mai 2004
Literaturhinweis
R. Schreg/U. Meyerdirks: Töpfereiabfälle der älteren gelben Drehscheibenware aus Altdorf, Kreis Böblingen. In: Archäologischen Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2002, S. 243-244. (ISBN 3-8062-1780-7)