„Am 7. Oktober 1943 lag nach einem herrlichen Spätherbsttag dichter Nebel über der Stadt, als um 23.18 Uhr die Sirenen heulten. Man hörte mitunter Feindflugzeuge in großer Höhe dahinziehen. Vom Turmbeobachter – es war in jener Nacht Johannes Giersberg (sonst war es Otto Zeller) – wurden einzelne Meldungen durchgegeben. Um 23.55 Uhr setzte der Angriff ein. Die Stadt wurde mit Bomben jeglichen Kalibers eingedeckt. In der Altstadt hatte sich in kurzer Zeit ein Flächenbrand entwickelt. Auch unmittelbar neben der Befehlsstelle (Schloßkeller) gingen Sprengbomben nieder und an drei Seiten des Schlosses brannten die Häuser lichterloh, auch das Schloß selbst. Rauch und Qualm drangen in die Befehlsstelle ein. Die Fernsprechverbindung setzte alsbald aus. Dies behinderte die Nachrichtenübermittlung und Befehlsgebung außerordentlich. Man konnte nur noch mit Mühe und Not von der Nordseite (Kastenweg) zum Schloßberg gelangen, da es auch in der Turmstraße brannte; deshalb gingen nur spärlich Meldungen ein. Später wurde die Ausweichbefehlsstelle (Ev. Gemeindehaus in der Sindelfinger Straße) bezogen. Der Angriff nahm gleich ein solches Ausmaß an, daß über die Auswirkungen keine Zweifel bestehen konnten. Es wurde deshalb sofort versucht, Hilfe beim Befehlshaber der Ordnungspolizei in Stuttgart anzufordern. Es blieb nichts anderes übrig, als mehrere motorisierte Melder auf verschiedenen Wegen zu entsenden, um die Hiobsbotschaft weiterzutragen und Hilfe zu erbitten. Der Landrat wurde gebeten, die Nachbarschaftshilfe in großem Maße anlaufen zu lassen. Um 2.30 Uhr war die erste Löschgruppe aus Maichingen eingetroffen, sodann kamen nacheinander die Wehren aus Gärtringen, Aidlingen, Weil der Stadt, Magstadt. Calw, Möhringen, Ulm, Heilbronn.
Bis zum 12. Okt. 1943 waren nächtliche Brandwachen nötig, um die schwelenden Feuer immer gleich im Keim zu ersticken, da zu befürchten war, daß der Feuerschein feindliche Flugzeuge anziehen würde. Zur Brandwache wurden neben den eigenen Löschgruppen die Wehren aus Tübingen, Göppingen, Ludwigsburg, Backnang, Horb, Nagold, Calw, Sindelfingen und Maichingen in Anspruch genommen. Da die Wasserversorgung schon bald nach Beginn des Angriffs ausfiel, mußte das Löschwasser aus den Seen und dem erst kurz zuvor fertiggestellten Löschteich am Maienplatz beim Kreiskrankenhaus, der sich als sehr zweckmäßig erwies, und aus zwei Zisternen (Untergeschoß des Autohauses Kögel an der Stuttgarter Straße) entnommen werden. Der Ausfall der Wasserleitung hatte zur Folge, daß die nur langsam einlaufenden auswärtigen Wehren nicht überall eingesetzt werden konnten. Ein großer Löschzug stand z. B. eine Zeitlang tatenlos in der Friedrich-List-Straße (damals Hermann-Göring-Straße) und konnte sich nur an der Bergung von Hausrat beteiligen.
Es sind auch manche Häuser abgebrannt, an die die Wehren mit ihren Schlauchleitungen (die vom See aus gelegt werden mußten) nicht heranreichten. Hätten statt nur eines Fäkalienwagens, den die Stadt Böblingen für Löschzwecke einrichten ließ, mehrere Tanklöschfahrzeuge zur Verfügung gestanden, so hätte noch manches, insbesondere einzeln stehende Haus, gerettet werden können. Die große Schadenswirkung ergab sich vor allem daraus, daß der Angriff beinahe eine Stunde dauerte und abwechselnd Brandbomben. Sprengbomben und Minen geworfen wurden und daneben noch mit Bordwaffen geschossen wurde. Da in der stark feuerempfindlichen Altstadt und im „Bauernviertel“ meist Phosphorbrandbomben fielen, war an eine Rettung der alten Gebäude und der Scheunen nicht zu denken. Der Feind legte einen Bombenteppich auf dieses Altstadtgebiet, der die völlige Vernichtung bedeutete; das Feuer griff so rasch und mit solcher Wucht um sich, daß alles daran gesetzt werden mußte, wenigstens die Bevölkerung aus der Gefahrenzone herauszubringen, was in der Altstadt zum Teil nur mit Leitern über die Stadtmauer gelang.“
Erstveröffentlichung: Erich Kläger, Böblingen – Geschichte in Gestalten. Von den Anfängen bis zum Ende der Ära Brumme, Ameles Verlag, Böblingen 2003, S. 441.