Im Bärengraben der Böblinger Residenz lebten 1553 sieben Bären
Böblinger Bärentradition
Autor: Dr. Günter Scholz
Die Herrscher der frühen Neuzeit fanden Kurzweil und Freude an Tiergärten und wilden Tieren. 1540 beauftragte Herzog Ulrich von Württemberg Bartlin Hirn von Stuttgart als der Dinge verständig, die Tiergärten u. a. in Stuttgart, Schorndorf, Kirchheim, Nürtingen, Urach, Tübingen und Böblingen neu anzulegen. Der Böblinger Tiergarten bestand aus den Wolfs-, Luchs- und Bärengraben. Besonderes Interesse an Tieren zeigte Herzog Christoph: im Graben des Tübinger Schlosses ließ er Löwen halten. Im Tiergarten beim Stuttgarter Schloss befanden sich Pfauen, Hirsche und Rehe.
Im Bärengraben der Böblinger Residenz lebten 1553 sieben Bären. Sie vermehrten sich so, dass der Nachwuchs zu Zeiten Herzog Ludwigs dem Landgrafen Georg von Hessen geschickt werden sollte (1571). 1662 teilte der Böblinger Vogt mit, die graue Bärin zu Böblingen, welche unvermutet tragend geworden, hätte zwei Junge bekommen. Im Jahr 1720 wurden im Böblinger Schlossgraben acht Bären und zwei Wölfe gehalten. Als Nahrung benötigten sie jährlich 160 Scheffel Dinkel. Da aber damals zwei Bärinnen Nachwuchs erwarteten, verlangte der Böblinger Keller sogar 190 Scheffel Dinkel. Die Böblinger Bärentradition endete nach 1790.
Böblingen, der Böblinger Forst und das Böblinger Schloss waren beliebte Aufenthaltsorte für Herzog Carl Alexander von Württemberg. Auf Böblinger Markung ließ der Herzog 1737 die unterirdischen Pirschgänge errichten. … Als Jagdliebhaber ließ Alexander im Böblinger Schloss einen Ballsaal errichten, in dem nach Verrichtung des Weidwerkes prunkvolle Hoffeste gefeiert wurden. Böblingen erlebte so einen Abglanz der Residenzkultur der Rokokozeit. …
Zwei spielende Bären im Bärengraben zu Bern. Aquarell von Gottfried Mind, vor 1798. Auch Herzog Christoph von Württemberg (1550-1568) zeigte besonderes Interesse an Tieren. Im Böblinger Bärengraben lebten 1553 sieben Bären. (Bild: Wikimedia Commons)
Im Herbst 1736 veranstaltete Herzog Carl Alexander ein großes Jagdfest mit Ball auf Schloss Böblingen. Der Chronist Georg Wacker berichtet darüber in Anlehnung an I. G. Kayser:
Ein Kranz der schönsten adeligen Fräulein, die vornehmsten Kavaliere des Landes, Gesandte und Minister hatten sich eingefunden; schmetternde Musik ertönte, und anmutig bewegten sich die Gruppen und Paare durch den Saal. Da stürzte plötzlich ein Türsteher herein mit der erschreckenden Kunde, dass Achmet, der große Bär, eben die Wendeltreppe heraufsteige und dem Saale, der zum Unheil keinen anderen Ausgang hatte, sich nähere. Laut aufschreiend flohen die Damen in die Ecken des Saales, und mancher Ritter wurde bleich; denn sämtliche Waffen hingen drüben in der Ritterstube, zu welcher man nur auf demselben Weg gelangen konnte, auf dem der grimmige Bär wirklich daherkam. Dieser, der größte aus dem nahen Bärengraben, war ein Liebling des Herzogs, hatte aber die Laune, immer dann bösartig zu werden, wenn er Hornmusik hörte. Heute nun musste ihms dennoch zu arg in den Ohren gegellt haben, denn er tobte, wie von Furien gepeitscht, in seinem Graben herum. Die Wut steigerte seine Kraft, und, was noch nie vorgekommen war, er sprengte mit seinen furchtbaren Tatzenschlägen die Türe seines Behälters aus den Angeln und stürzte in grimmigen Sätzen dem Orte zu, woher die ihn empörenden Hornklänge kamen. Schon hörte man seinen brummenden Bass, und nur noch wenige Schritte, so war er im Saale. Aber bereits da hatte sich der Herzog allen Rittern voraus dem Tiere entgegengeworfen und eben einem Trabanten eine Hellbarde entrissen, als sich der mutige Page von Gemmingen mit einer flammenden Wachsfackel in der Hand vor ihn stürzte und damit dem grimmigen Ungetüm um die Schnauze fuhr. Meister Petz, hiervon gar unangenehm überrascht, kehrte um und suchte der leckenden Flamme auszuweichen; aber immer wieder machte er halt, um zum Angriff überzugehen. Allein sein Gegner trieb ihn, unausgesetzt die Fackel über ihm schwingend, allmählich die Treppe hinab, bis er, inzwischen von allen Seiten angegriffen, sich eilends in seinen noch offenen Zwinger zurückzog.
Ausschnitt aus dem Böblinger Stadtmodell. Der Bärengraben befand sich hinter dem Zwinger unterhalb des Südflügels des Schlosses. Der Wolfsgraben erstreckte sich unterhalb des Neuen Flügels auf der Nordseite
Quelle: Das Schloß sich hoch erhebend …“ – Der Böblinger Schloßberg und seine Geschichte. Mit Beiträgen von Günter Scholz und Hansmartin Ungericht, hrsg. von Günter Scholz, Böblinger Museen 1997, S. 40- 46.
Der Text wurde gekürzt.
Mit freundlicher Genehmigung des Autors
Der Autor, Dr. Günter Scholz, studierte Geschichte, Politikwissenschaften und Anglistik an der Universität Tübingen. Seit 1981 leitete er das Böblinger Stadtarchiv, später auch das von ihm konzipierte Bauernkriegsmuseum. Von 1993 bis 2005 leitete er das Böblinger Kulturamt.