Die Baumeisterfamilie Böblinger
Autor: F. W.
Nach mittelalterlichem Brauch fügten die Meister, die als Künstler einen Ruf hatten, ihrem Taufnamen den Ort ihrer Herkunft hinzu. Es kann also kein Zweifel sein, daß die Baumeisterfamilie Böblinger aus unserer Stadt stammte. Daran ändert auch nichts die (allerdings umstrittene) Angabe, daß bei einem der Meister das Dorf Altbach bei Esslingen als Geburtsort genannt ist. Die Stadt Böblingen darf auf diese Familie, die von der Mitte des 15. Jahrhunderts ab eine Anzahl der befähigsten Baumeister der gotischen Zeit stellte, stolz sein.
Aus dem persönlichen Leben der einzelnen Böblinger wissen wir nicht viel. Wir müssen uns an die Daten halten, mit denen ihre Bauwerke gezeichnet sind. (…) Damals war das Künstlertum kein Standesbegriff, die Böblinger nannten sich Steinmetzen und gehörten ihrer Zunft an; daß sie mehr leisteten als die anderen, nahmen sie als ihren Auftrag hin, Werkleute Gottes zu sein.
Der erste aus der Sippe der Böblinger, der uns bekannt geworden ist, war Hans Böblinger. Er mag noch unter dem großen Baumeister Ulrich von Ensingen, der in Esslingen tätig war, gelernt haben, oder aber er war bei dessen Sohn Matthäus in Bern beschäftigt. Die erste Nachricht über Meister Hans stammt aus Konstanz. Er war dort 1435 beim Münsterbau beschäftigt. Im gleichen Jahre fertigte er für das Ulmer Münster einen Entwurf für ein Sakramentshaus, der, mit seinem Monogramm und der Jahreszahl versehen, erhalten geblieben ist. Im Jahre 1436 kam er nach Esslingen, und 1440 hören wir von seiner Heirat mit der Bürgerstochter Ursula Koch. (…) Bis zu seinem Tode war Meister Hans mit dem Weiterbau der Esslinger Frauenkirche beschäftigt, deren Turm einer der schönsten im Schwabenlande ist. Er baute außerdem, zusammen mit seinem Bruder Lucas, seit 1446 den Chor der Kirche in Mettingen und 1464 den Westturm der Kirche in Möhringen bei Stuttgart. Aus dem Jahre 1472 wissen wir von einer Reise nach Straßburg, bei der er seine beiden älteren Söhne, die kurz zuvor Gesellen geworden sind, vorstellte; damit tauchen die Namen Matthäus und Marcus erstmalig auf. (…)
Seinen Grabstein finden wir in der Esslinger Frauenkirche mit der Inschrift „Anno domini 1482 an den 4 tag des Jänner ist gestorben Hans Böblinger unser lieben frawen Kirchenbaws Steinmetz, got geb im die ewig ruw. Amen„.
Von den vier Söhnen des Meister Hans ist Matthäus der berühmteste geworden. Seit 1474 ist er als selbständiger Meister bekannt. Damals schuf er für die Kirche in Langenau bei Ulm einen Taufstein. Noch im gleichen Jahre wurde er mit dem Weiterbau des Ulmer Münsters beauftragt. Seit 1480 war er als Kirchenmeister fest angestellt. Von seiner Hand stammt der kühne Plan für den Turmbau, wie wir ihn heute bewundern dürfen. Freilich war es ihm nicht vergönnt, sein stolzes Werk zu vollenden. Im Jahre 1492 kam es zu Streitigkeiten mit dem Rat. Man befürchtete sogar einen Einsturz des im Bau befindlichen Turmes, und Matthäus musste flüchten. Zwei Jahre später kam es zu einem für Matthäus ehrenvollen Vergleich. Aber nach Ulm ging er nicht mehr zurück.
In Esslingen schuf er, zusammen mit seinem Bruder Lucas, die 1815 abgebrochene Spitalkirche. Im Jahre 1494 war er beim Weiterbau der Marienkirche in Reutlingen tätig. Der Turmhelm lässt den Einfluss seiner Gedanken erkennen. In den nächsten Jahren baute Matthäus die Martinskirche in Memmingen, deren Chor nach Ulm und Konstanz wohl der reichste im schwäbischen Lande ist. Seit dem Jahre 1501 finden wir unseren Meister in Köngen. Dort baute er zusammen mit seinem Bruder Dionys den schönen Chor der Pfarrkirche. Meister Matthäus starb im Jahre 1505. Seine Grabplatte liegt dicht neben der seines Vaters in der Esslinger Frauenkirche. Sie trägt die Inschrift: „O here got ich bit dich um din Barmherzigkeit. Matheus Beblinger von Eßlingen„, dazu das Monogramm und die Jahreszahl 1505.
Dionysius Böblinger ist uns als Baumeister der Pfarrkirche St. Ulrich in Stockheim (bei Brackenheim) bekannt. Der Neubau wurde im Jahre 1514 begonnen. Lucas Böblinger war beim Münsterbau in Konstanz tätig, allerdings ist sein Anteil nicht näher bekannt. Hans Böblinger, der Enkel, schuf im Jahre 1510 ein sehr schönes Sakramentshaus für die Pfarrkirche in Bopfingen. Beim Turmbau des Münsters in Thann im Elsass glaubt man Einflüsse der Schule Böblingers zu erkennen. Möglich, dass sich einer der Enkel dorthin begeben hat. Aber das sind lediglich Vermutungen. Für uns endet die Tätigkeit der Familie im wesentlichen mit dem Tode ihres Hauptmeisters. Dessen Ruhm aber ist unvergänglich. Bei der Fertigstellung des Ulmer Münsterturmes (nach 1870) holte man den Bauplan Matthäus Böblingers wieder hervor und baute nach seinem Riss das kühne Werk zu Ende.
Erstveröffentlichung: Aus Schönbuch und Gäu. Beilage des Böblinger Boten, Nr. 13/1950.
Der Text wurde gekürzt.
Mit freundlicher Genehmigung des Heimatgeschichtsvereins für Schönbuch und Gäu e.V.
Internet-Links:
Einträge zu verschiedenen Mitgliedern der Baumeisterfamilie Böblinger bei Wikipedia
Eduard Mauch: Böblinger. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 2, Duncker & Humblot, Leipzig 1875, S. 757–759.