Aus den Kirchbüchern der evangelischen Gemeinde in Weil im Schönbuch erfahren wir, dass Friederike Gamerdinger am 24. November 1838 als Tochter des Schusters Johannes Gamerdinger und seiner Frau Eberhardine Elisabetha, geb. Böpple in Weil geboren wurde. Die Taufe vollzog Pfarrer Rüdiger am 30. November. Im Jahre 1852 wurde sie konfirmiert. Friederike Gamerdinger wohnte noch bis zu ihrer Heirat an Pfingsten des Jahres 1866 in Weil im Schönbuch. Ihre Hochzeit mit Josef Friedrich Brezing (1842-1922) aus Neubulach fand jedoch schon nicht mehr in der Schönbuchgemeinde statt. Wahrscheinlich hat Friederike Gamerdinger ihren Mann über einen ihrer Brüder kennengelernt, der wie Brezing bei der Eisenbahn beschäftigt war. Das Paar zog ins oberschwäbische Roßberg bei Bad Waldsee, wo der Bahnbeamte Brezing königlich–württembergischer Stationsvorstand am dortigen Eisenbahnknotenpunkt wurde. Hier kam 1871 ihre Tochter Wilhelmine Friederike Sophie zur Welt.
Sophie Brezing (1871-1920) heiratete am 15. Mai 1897 den Kaufmann Berthold Friedrich Brecht (1869–1939). Die Hochzeit fand im schwäbischen Pfullingen statt, wo der Vater inzwischen als Bahnhofsvorsteher beschäftigt war. Bräutigam Brecht stammte ursprünglich aus dem badischen Achern und war katholisch. Seit 1898 arbeitete er an der Haindl’schen Papierfabrik in Augsburg und machte dort später eine beachtliche Karriere. Sofie Brezing, eine fromme und bibelfeste Protestantin, setzte übrigens durch, dass ihre Kinder auch im überwiegend katholischen Milieu Augsburgs evangelisch getauft und erzogen werden sollten.
Am 10. Februar 1898 erblicke in Augsburg das erste Kind des Ehepaares das Licht der Welt: Eugen Berthold Friedrich Brecht, der als Bert Brecht ein berühmter Schriftsteller, Dichter und Dramatiker wurde.
In seinem Augsburger Brecht-Lexikon schreibt Jürgen Hillesheim, Bert Brecht habe zu seiner Großmutter mütterlicherseits, Friederike Brezing, ein sehr herzliches Verhältnis gehabt. Sie sei gutmütig und liebenswert gewesen und habe den Enkeln viele Geschichten aus der Bibel erzählt. Nach der Pensionierung ihres Mannes zog das Ehepaar Brezing in die Nähe ihrer beiden Töchter nach Augsburg. Hier ist Friederike Brezing, geborene Gamerdinger aus Weil im Schönbuch dann auch 1914 gestorben.
In der 1939 im Exil entstandenen Erzählung „Die unwürdige Greisin“ hat sich Bert Brecht höchstwahrscheinlich vom Leben einer seiner Großmütter inspirieren lassen. Allerdings ist nicht Friederike Gamerdinger aus Weil im Schönbuch das „Urbild“ der unwürdigen Greisin, sondern Karoline Brecht, geb. Wurzler (1839–1919) aus Achern, die Mutter seines Vaters.