Renningen in der Beschreibung des Leonberger Oberamts von 1852
Renningen, Gemeinde II. Kl. mit 1879 Einw. a. Renningen, Pfarrd., 1872 Einw. wor. 5. Kath. b. Ihinger Hof, 7 Einw. – Ev. Pfarrei. Die Kath. sind nach Weil der Stadt eingepfarrt.
Das große, reinlich gehaltene Pfarrdorf Renningen gehört zu den schönsten des Bezirks; es liegt 1¾ Stunden südwestlich von der Oberamtsstadt, frei und angenehm an einem sanften Abhange gegen das Thal des Maisgrabens, welcher an der nördlichen Seite des Dorfes vorbeifließt und zunächst desselben den von Magstadt kommenden Rankbach aufnimmt. Im Ort selbst befindet sich kein laufender Brunnen, dagegen sind hinlänglich Pumpbrunnen angelegt, indem man beinahe an jeder beliebigen Stelle in einer Tiefe von 20 – 30′ Wasser erhält. …
Die Pfarrkirche, …, hat im Laufe der Zeit mehrfache Veränderungen erlitten, so daß sich von der ursprünglichen, sehr alten Kirche nur noch der untere Theil des Thurms erhalten hat, dessen unterstes, mit einem Kreuzgewölbe versehenes Stockwerk die Stelle des Chors vertritt. … Dem alten, aus 3 Stockwerken bestehenden, viereckigen Thurm wurde 1845 (…) ein achteckiges Stockwerk, mit vier großen und vier kleinen Seiten, im rein germanischen Styl aufgesetzt. An den vier größeren Seiten sind große, gothisch gefüllte Spitzbogenfenster, welche die Stelle der Schalllöcher vertreten, angebracht und sämmtliche Seiten haben verzierte Frontons1, aus denen schön gearbeitete Giebelblumen emporwachsen; die Bedachung besteht aus einem mit Blech belegten, sehr hohen, künstlich construirten Zeltdache. Das Innere der Kirche ist geräumig, aber durch Emporkirchen etwas verbaut. …Der ursprüngliche Begräbnißplatz lag um die Kirche; ein Theil desselben ist nun Baumschule und dient zum Unterricht der Jugend, in der Baumzucht. …
Nur 70 Schritte südlich der Kirche liegt angenehm und frei der geschlossene, gut erhaltene Pfarrhof, mit Wohnhaus, Oekonomiegebäuden, Garten und Hofraum; er ist Eigentum des Hospitals in Stuttgart, dem auch die Unterhaltung desselben obliegt.
Das ansehnliche Schulhaus, mit geräumiger Wohnung und Scheune für den Schulmeister, liegt in der Nähe der Kirche und befindet sich in gutem Zustande; an der Schule unterrichten ein Lehrer, ein Unterlehrer und ein Lehrgehilfe; neben derselben besteht auch eine Industrieschule.
Auf einem freien Platze, beinahe mitten im Ort, steht das 1590 gebaute, übrigens gut erhaltene Rathaus. Ein Gemeinde-Backhaus besteht schon längst, ebenso ein öffentliches Waschhaus. …Die fleißigen, im Allgemeinen geordneten Einwohner sind theils wohlhabend, theils mittelmäßig begütert; ein großer Theil ist zwar in seinen Vermögensumständen zurückgekommen, doch sind keine Bettler vorhanden. Hauptnahrungsquellen sind Feldbau und Viehzucht, auch Weberei. …
Die Luft ist feucht und die Temperatur der Nächte meist kühl, daher auch Frühlingsfröste häufig vorkommen. Die Ernte tritt um acht Tage später als in der Umgegend von Stuttgart ein, und zarte Pflanzen, wie Gurken, Bohnen u. s. w., wollen nicht gedeihen. …
Die Landwirtschaft steht auf einer blühenden Stufe, wozu der landwirthschaftliche Bezirksverein und das Beispiel des nahe gelegenen, rationell bewirthschafteten Ihinger Hofs wesentlich beigetragen haben. Zweckmäßige landwirthschaftliche Neuerung, …, sind seit mehreren Jahren eingeführt. …
Auf den Hanf, der außer der Brache auch noch in besonderen Ländern gepflanzt wird, verwendet man viel Sorgfalt; er kommt selten als Rohprodukt zum Verkauf, sondern wird im Ort gesponnen und verwoben. Die Früchte werden häufig nach Außen, besonders aber die wegen ihrer Schmackhaftigkeit sehr gesuchten Kartoffeln nach Stuttgart abgesetzt. …
Unter den Gewerbetreibenden sind die Weber am zahlreichsten, welche jedoch nur die gewöhnliche Leinwand verfertigen, deren Verkauf auch nach Außen stattfindet. In den ¼ Stunde nordöstlich vom Ort gelegenen, feinkörnigen Keuperwerksteinbrüchen finden viele Arbeiter Verdienst. …
Im Ort befinden sich 4 Schildwirthschaften, 2 Bierbrauerein, ein Kaufmann und 3 Krämer. …
An dem großen Zehenten participirten in verschiedenen Bezirken der Staat (früher theils Kloster Bebenhausen, theils Kloster Herrenalb) zu 5/12, der Hospital Stuttgart zu 6/12 und die Universität Tübingen zu 1/12. An dem kleinen Zehenten gebührten 3/6 dem Staat (früher dem Kloster Bebenhausen), 2/6 der Pfarrei Renningen und 1/6 der Universität Tübingen, welch letzterer Antheil jedoch schon im vorigen Jahrhundert ebenfalls an die Pfarrei gekommen war. …
An der nordöstlichen Ecke des Orts stand die ehemalige Burg der Herren von Renningen; die Stelle, an der noch Reste des Burggrabens sichtbar sind, wird „auf der Burg“ genannt. Etwa ¼ Stunde westlich vom Ort, zwischen Renningen und Malmsheim, lag der längst abgegangene Ort Altheim. …
Renningen, zuerst Randingen, sodann Rendingen geschrieben, erscheint um’s Jahr 1120 im Schenkungsbuch des Klosters Hirschau (Cod. Hirs. 55) … . Die ersten urkundlichen Besitzer des Orts sind die Grafen von Hohenberg. … Graf Rudolph von Hohenberg überließ im Beginn des 14. Jahrhunderts das Dorf an Reinhard von Neuenbürg. Nach kurzem Besitz überließ genannter Reinhard schon den 2. März 1310 „das Dorf ze Rendingen“ sammt dem Kirchensatze an den Grafen Eberhard von Württemberg. …
Von Renningen schrieb sich ein Adelsgeschlecht, welches die bereits erwähnte Burg besaß. Die ältesten bekannten Glieder sind Friedrich von Randingen, zuerst in einer Urkunde vom 24. April 1266 genannt. …
Von Klöstern machte hauptsächlich das Kloster Bebenhausen seit 1277 zu verschiedenen Zeiten hier Erwerbungen. …
Eine Gemeinde-Parzelle von Renningen ist der in einem abgeschiedenen Markungstheil (…) befleißende, der Familie v. Vischer gehörige Ihinger Hof. (…)
Erstveröffentlichung: Beschreibung des Oberamts Leonberg, Herausgegeben von dem königlichen topographischen Bureau, Stuttgart 1852.
Der Text wurde gekürzt
Eine ungekürzte Version der Beschreibung von Renningen finden sie auf dem Internet-Portal Wikisource.
Mit freundlicher Genehmigung des Bissinger-Verlags Magstadt
Die Württembergischen Oberamtsbeschreibungen
Im Jahre 1820 wurde auf Dekret König Wilhelms I das königliche statistisch-topographische Bureau in Stuttgart gegründet. Zwischen 1824 und 1886 entstanden dort Beschreibungen aller 64 württembergischen Verwaltungsbezirke und ihrer Gemeinden. Als 30. Band erschien 1852 die Beschreibung des Oberamts Leonberg. Auf dem Internet-Portal Wikisource kann diese bereits vollständig abgerufen werden.
Referenz
↑1 | Giebeldreiecke |
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