Maichingen in der Böblinger Oberamtsbeschreibung von 1850
Maichingen, Pfarrdorf mit 1130 Einwohnern, worunter 1 Katholik.
In einer ausgedehnten, fruchtreichen Ebene liegt frei, angenehm und gesund der große, wohlansehnliche mit breiten, gekandelten Straßen versehene Ort. Stattliche Bauernwohnungen mit schön gefügtem eichenem Gebälk lagern sich in ziemlicher Anzahl an den Hauptstraßen und geben dem Ort ein wohlhäbiges Aussehen. Am südöstlichen Ende des Dorfes steht die Pfarrkirche mit ihrem viereckigen massigen Thurme … .Die Kirche ist eine der ältesten im Bezirk; sie war früher eine kleine Basilika und erhielt erst später ihre gegenwärtige beinahe ein Quadrat bildende Figur. … Innen ist die Kirche hell und für die Gemeinde geräumig genug; …
Das in der Nähe der Kirche an der von Sindelfingen herkommenden Landstraße frei und angenehm liegende Pfarrhaus ist ziemlich alt, jedoch in gutem Stande. … Westlich der Kirche, …, steht das 1841 … neu erbaute, geräumige Schulhaus mit Lehrerwohnung. An der Schule unterrichten ein Schulmeister und ein Unterlehrer. Eine Industrieschule wurde schon 1834 errichtet. Das alte Rathaus, auf dem ein Thürmchen mit Glocke sitzt, wurde 1846 namhaft verbessert. Ein Gemeindebackhaus besteht schon seit langer Zeit. Der Ort hat einen laufenden und mehrere Ziehbrunnen, welche ihn hinreichend mit gesundem Trinkwasser versehen. Ueberdies ist noch eine Wette zum Pferdeschwemmen und auf den Fall der Feuersgefahr angelegt. Die Luft ist gesund, aber wegen der ganz freien Lage etwas rauh. …Die im Allgemeinen fleißigen und sparsamen Einwohner haben viel Geschick zu mechanischen Arbeiten und Sinn für Religion, der aber häufig in Pietismus übergeht. Ihre Vermögensumstände sind, mit Ausnahme einiger Wohlhabenden, im Durchschnitt mittelmäßig. Feldbau, Viehzucht und von den Gewerben die Weberei, bilden die Haupterwerbsquellen, letztere wurde in neuerer Zeit durch das Aufkommen der Fabriken etwas herabgedrückt, was sich auf die ökonomischen Umstände Vieler nachtheilig auswirkt. Die Landwirtschaft steht auf einer blühenden Stufe; …
Von den Gewerben ist die Weberei am stärksten vertreten; etwa 60 Weber arbeiten in Zeuglen1 und Leinwand für Fabrikanten, einzelne betreiben auch Bildweberei. In neuester Zeit hat dieses Gewerbe durch das Aufkommen von Fabriken und durch die allgemeine Stockung in den Gewerben, bedeutend gelitten. Aus denselben Gründen hat auch die Handspinnerei die früher stark betrieben wurde, so nachgelassen, daß sie sich nur noch auf den eigenen Bedarf beschränkt. Im Ort befinden sich 4 Krämer und 3 Schildwirthschaften.2 …
Eine römische Heerstraße, das sogenannte Rheinsträßle, zieht über den westlichen Theil der Markung, an der sogenannten Burg vorüber. … In der Nähe des Schwippeursprungs wurden menschliche Gerippe und Waffen ausgegraben, ebenso unfern der Kirche. …
Der frühere Ortsnamen ist Möchingen, wofür jetzt die Volkssprache Maichingen schriftmäßig geworden ist. …
In Maichingen ist geboren im Jahr 1440 ein in weiteren Kreisen bekannter Arzt, Johann Widmann (oder wie man ihn auch, ins Lateinische übersetzend, hieß: Salicetus) genannt Möchinger. …
Maichingen kommt bereits um 830 vor, zwar nicht in gleichzeitiger Aufzeichnung, indeß versichert schon 1075, October 9., Kaiser Heinrich IV. in einer Urkunde für Kloster Hirschau, Güter „ad Mouchingen“ haben zur ältesten Ausstattung des Klosters Hirschau gehört. Diese waren ohne Zweifel von den Grafen von Calw geschenkt, zu deren Sprengel Maichingen gehörte. In Maichingen war auch Reichsgut, …, welches wohl an die Pfalzgrafen von Tübingen überging. Dienstmannen und Lehensträger dieser letzteren waren die Herren von Maichingen. … Württemberg machte hier Ankäufe, namentlich 1369, … und 1384 … und 1392. …
Erstveröffentlichung: Beschreibung des Oberamts Böblingen. Herausgegeben von dem königlichen topographischen Bureau. Stuttgart und Tübingen 1850.
Der Text wurde gekürzt.
Eine ungekürzte Version der Beschreibung von Maichingen finden sie auf dem Internet-Portal Wikisource.
Die Württembergischen Oberamtsbeschreibungen
Im Jahre 1820 wurde auf Dekret König Wilhelms I das königliche statistisch-topographische Bureau in Stuttgart gegründet. Zwischen 1824 und 1886 entstanden dort Beschreibungen aller 64 württembergischen Verwaltungsbezirke und ihrer Gemeinden. Als 26. Band erschien 1850 die Beschreibung des Oberamts Böblingen. Auf dem Internet-Portal Wikisource kann diese bereits vollständig abgerufen werden.
Mit freundlicher Genehmigung des Bissinger-Verlags Magstadt und des Geiger Verlags Horb am Neckar
Referenz
↑1 | Im Unterschied zu den Leinenstoffen sind Zeuglen einfache, bäuerliche Baumwollstoffe, manchmal auch als Gemisch mit Wolle. |
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↑2 | Schildwirtschaften waren, im Gegensatz zuStraußenwirtschaften, berechtigt, Gäste zu beherbigen und zu bewirten.Straußenwirtschaften waren nur zu gelegentlichem Ausschank, meist im Herbst,berechtigt. |