Hausen an der Würm in der Beschreibung des Leonberger Oberamts von 1852
„… die Ortsstraßen lassen noch Manches zu wünschen übrig“
Autor: Karl Eduard Paulus
Hausen (an der Würm),Gemeinde III. Kl. Mit 346 Einw. a.Hausen, Pfarrd., 340 Einw., b. Frohnmühle, 6 Einw. – Ev. Pfarrei; die Fronmühle ist nach Heimsheim eingepfarrt.
Das kleine 3¾ Stunden westlich von der Oberamtsstadt auf der Grenze gegen Baden gelegene, ziemlich unansehnliche Pfarrdorf ist an einen gegen das Würmthal auslaufenden Bergabhang angebaut; die Gebäude, welche mit wenigen Ausnahmen sich auf der Seite der Würm befinden, sind meist klein und die Ortsstraßen lassen noch Manches zu wünschen übrig. Trinkwasser liefert nur ein Zugbrunnen, der noch überdieß zur großen Beschwerde der Gemeinde außerhalb des Orts sich befindet.
Die Würm, über die am Ort eine schöne, steinerne Brücke führt, tritt zuweilen aus und wird nicht nur dem unteren Theile des Dorfes gefährlich, sondern schadet häufig auch den Thalwiesen.
Am nordwestlichen Ende liegt auf einer Anhöhe, zu der steinerne Treppen führen, die Pfarrkirche, deren Unterhaltung der Stiftungspflege zusteht; das Langhaus derselben wurde 1739 neu erbaut, jedoch ohne Rücksicht auf die an Thurm und Chor noch sichtbare früh germanische Bauweise. …
Das 1567 erbaute und 1824 renovierte Pfarrhaus, dessen Unterhaltung dem Staate obliegt, bildet mit dem Oekonomiegebäude und dem ummauerten Hofraum einen wohlerhaltenen Pfarrsitz. Der mit einer Mauer umfriedete Begräbnisplatz liegt um die Kirche. Das Schulhaus mit Lehrerwohnung steht auf einem freien Platze in der Mitte des Orts. Neben der Volksschule, an welcher nur 1 Lehrer unterrichtet, besteht auch eine Industrieschule. Das 1609 erbaute, gut erhaltene Rathhaus wurde vor etwa 30 Jahren einem Ortsbürger abgekauft.
Die etwas unebene kleine Feldmarkung hat im Allgemeinen einen ziemlich unfruchtbaren Boden; … Dinkel und Hafer gedeihen in etwas nassen Jahrgängen am besten. Die Luft ist ziemlich feucht, jedoch nicht ungesund; Frühlingsfröste und schädliche Thaue wirken häufig nachteilig, daher auch das Obst nicht gerne gedeiht. Hagelschlag kommt selten vor, da der nahe gelegene Schwarzwald als Ableiter zu betrachten ist.
Bei diesen ungünstigen Verhältnissen ist es erklärlich, warum die Einwohner, deren Erwerbsquellen auf Feldbau und Viehzucht sich beschränken, trotz ihres Fleißes und ihrer eingezogenen Lebensweise, in den Vermögensumständen sehr zurück sind und die Zahl der Armen die der Bemittelten übersteigt.
Namentlich steht die Landwirtschaft wegen der ungünstigen klimatischen und Bodenverhältnisse auf einer niedern Stufe. … Im üblichen Dreifeldersystem baut man Dinkel, Hafer, Roggen und nur wenig Gerste; … Von Handelsgewächsen baut man Hanf und etwas Reps, … Die Obstzucht ist so unbedeutend, daß sie nicht einmal das Bedürfniß der Einwohner befriedigt; … mit Vieh wird ein unbedeutender Handel in’s Baden’sche getrieben. …
Außer den gewöhnlichen Handwerkern, von denen die Maurer und Steinhauer auch auswärts arbeiten, sind noch an Gewerben eine oberhalb des Dorfes liegende Sägmühle mit Hanfreibe und eine nördlich des Dorfes liegende Oel- und Säg-Mühle vorhanden; ferner bestehen zwei Schildwirthschaften1und ein Kramladen.
Etwa 1/4 Stunde nordöstlich vom Ort befinden sich 3 Steinbrüche im bunten Sandstein, welche gute Bau- und Werksteine liefern. …
Die auf der Ortsmarkung gelegene Fron-Mühle mit 3 Mahlgängen und 1 Gerbgang, welche von der Würm in Bewegung gesetzt werden, liegt ½ Stunde nördlich von dem Mutterort auf der Landesgrenze. …
Der hiesige Ortadel tritt in die Geschichte ein im Jahre 1075 mit Liutbrandus de Husan in einer Urkunde des Klosters Hirsau. … Im Verlauf der Zeit … kam die Hoheit über Hausen an das Kloster Herrenalb, dessen Amt Merklingen der Ort zugetheilt war. Mit dem Kloster Herrenalb kam es an Württemberg, welches auch von Adeligen hier Einzelnes erwarb, wie 1371 Gülten von Maria, Wittwe Reinbolds von Windeck und 1423 Leibeigene von Heinrich von Gärtringen. …
Auch heute noch das Wahrzeichen Hausens: die „schöne steinerne Brücke“ über die Würm aus dem 18. Jahrhundert. (Bild: Susanne Schmidt)
Der Text wurde gekürzt.
Quelle: Beschreibung des Oberamts Leonberg. Herausgegeben von dem königlichen statistisch-topographischen Bureau, Stuttgart, J. B. Müller’s Verlagshandlung, 1852.
Die Württembergischen Oberamtsbeschreibungen
Im Jahre 1820 wurde auf Dekret König Wilhelms I das königliche statistisch-topographische Bureau in Stuttgart gegründet. Zwischen 1824 und 1886 entstanden dort Beschreibungen aller 64 württembergischen Verwaltungsbezirke und ihrer Gemeinden. Als 30. Band erschien 1852 die Beschreibung des Oberamts Leonberg. Auf dem Internet-Portal Wikisource kann diese bereits vollständig abgerufen werden. Hier finden Sie auch eine ungekürzte Version der Beschreibung von Hausen an der Würm
Referenz
↑1 | Schildwirtschaften waren berechtigt, Gäste zu beherbergen und zu bewirten. Straußenwirtschaften waren nur zu gelegentlichem Ausschank, meist im Herbst, berechtigt. |
---|