Schafhausen in der Böblinger Oberamtsbeschreibung von 1850
„…schon den Kindern wird das Verlangen Etwas zu verdienen eingepflanzt“
Autor: Karl Eduard Paulus
Schaffhausen mit der Ölmühle, Pfarrdorf mit 734 Einwohnern, worunter 1 Katholik.
Der nicht besonders große, meist aus wohl ansehnlichen Bauernwohnungen bestehende Ort liegt drei Stunden nordwestlich von Böblingen im Würmthale und zwar mit Ausnahme der Ziegelhütte und ein paar Häusern, ganz auf der rechten Seite des Flusses, theils in der Thalebene, theils an dem ziemlich steil gegen Westen geneigten Thalabhange. Beinahe von der höchsten Stelle des Orts schaut die schöne, massiv erbaute Zehentscheune wie ein Schlößchen in das Thal hinab. Die nicht sehr geräumige, etwas düstere Pfarrkirche liegt beinahe mitten im Ort und ragt, da sie auffallend nieder ist, nicht über die nächststehenden Gebäude hervor. Sie wurde 1585 vergrößert und erhielt bei einer durchgreifenden Renovation 1780 ihr gegenwärtiges, nichtssagendes Aussehen. …
Der Begräbnißplatz wurde 1780 an das nördliche Ende des Orts verlegt. Zunächst der Kirche an der Straße von Stuttgart nach Calw liegt gesund und angenehm das zwar alte, aber gut erhaltene Pfarrhaus, dessen Unterhaltung dem Staat zusteht. Der Pfarrwohnung gegenüber steht das alte Rathhaus, welches zugleich Schule und Wohnung des Lehrers enthält. An der Schule unterrichten 1 Lehrer und 1 Lehrgehilfe. Eine Industrieschule mit 2 Lehrerinnen besteht.
Früher führte die Postraße von Stuttgart nach Calw durch das Dorf, die aber seit 1813 nur noch als Vicinalstraße benützt wird, übrigens bringt sowohl diese Straße, auf der man viel Holz und Kohlen aus dem Schwarzwald nach Stuttgart führt, als auch die am Ort vorbeiführende, frequente Vicinalstraße von Herrenberg nach Pforzheim, vielen Verkehr. Vier Pumpbrunnen und zwei offene, nie versiegende Brunnenstuben liefern hinreichend Wasser. Die Luft ist wegen der wasserreichen Thalebene etwas feucht und da gerade das Thal von Süden nach Norden zieht und die ziemlich hohen Thalwände den Schatten des Morgens lange und Abends bald wieder in das nur einige 100 Schritte breite Thal werfen, so sind die Morgen und Abende auch den Sommer über kühl. Frühlingsfröste sind gerade nicht häufig; Die Ernte tritt um 8 bis 10 Tage später ein als in der Gegend um Stuttgart. Der Habsberg zwischen Dätzingen und Schaffhausen bildet eine Wetterscheide und leitet gefährliche Gewitter ab, so daß Hagelschlag seltener vorkommt. …
Die Einwohner halten auf äußere Zucht und Ordnung, sind sparsam, einfach und äußerst fleißig; schon den Kindern wird das verlangen Etwas zu verdienen eingepflanzt. Altherkömmliche Gebräuche bei Hochzeiten u.s.w. sind noch üblich, überhaupt hat die neue Sitte hier noch weniger Eingang gefunden als in einigen Nachbarorten. Ihr Vermögen ist ziemlich ungleich vertheilt, es gibt Wohlhabende und solche, die in mittelmäßigen Vermögensumständen sich befinden, während eine nicht unbedeutende Anzahl nur geringe, zum Theil noch verschuldete Güter besitzt und sich durch Taglohnen ihr Auskommen sichern muß, wozu das nahe gelegene Weil der Stadt, dessen ausgedehnte Landwirthschaft fremde Arbeiter erfordert, eine erwünschte Gelegenheit darbietet. Ackerbau, Viehzucht und Leineweberei bilden die Hauptnahrungsquellen. …
Im üblichen Dreifeldersystem baut man besonders Dinkel, weniger Hafer, Gerste, Roggen und Einkorn. In der zu 2/3 angebauten Brache werden Kartoffeln, Futterkräuter, Erbsen, Linsen, Angersen und etwas Reps gepflanzt. Brodfrüchte und Linsen, die wegen ihrer Schwere sehr gesucht sind, finden auf den benachbarten Märkten Absatz. … Hopfen wird in neuerer Zeit mit gutem Erfolg gebaut. … Von geringer Ausdehnung, übrigens im Zunehmen begriffen, ist die Obstzucht. Für eine tüchtige, ausgedehnte Baumzucht, namentlich für feinere Sorten, ist aber der Boden zu steinig und der Frühling zu rauh. An einem südlich gelegenen Würmthalabhange wurde früher Weinbau getrieben, der vor etwa 60 Jahren abging. … Gemästetes Vieh kommt ziemlich viel in Handel und bildet eine besondere Erwerbsquelle der Einwohner. Von geringem Belang und im Abnehmen begriffen ist die Schafzucht. Die Wolle wird theils von den Eigenthümern selbst verbraucht, theils nach Calw abgesetzt. Noch unbedeutender ist die Schweinezucht und Ziegen werden nur von einigen Unbemittelten gehalten. Dagegen wird die Bienenzucht eifrig betrieben; Wachs und Honig kommt nach Außen zum Verkauf.
Was die Gewerbe betrifft, so befinden sich im Ort eine Mahlmühle, 2 Brauerein, 4 Schildwirthschaften, 2 Krämer und westlich vom Ort auf der linken Seite der Würm eine Ziegelhütte. Von den Professionisten sind die Weber am zahlreichsten, sie arbeiten meist gesellenweise für Fabrikanten und beschäftigen sich nicht nur mit Linnen, sondern auch mit Zeugles1- und Bild-Weberei. Von den Nebengeweben ist die Handspinnerei, welche meist auf Bestellung getrieben wird, hauptsächlich zu bemerken. Arme Leute sammeln officinelle2 Kräuter und setzen sie an Apotheker ab. Die Gemeinde besitzt 200 Morgen Waldungen, die meist aus Laubholz und etwas künstlich gezogenem Nadelholz bestehen. Sie ertragen jährlich 30 Klafter und 2000 Stück Wellen, die an 44 holzberechtigte Familien vertheilt werden. … Außer den Muschelkalksteinbrüchen, die Kalk und Straßenmaterial liefern, befindet sich noch auf der Markung, unterhalb des Orts auf der linken Seite der Würm, ein Bruch im bunten Sandstein, der einzige im Bezirk; aus ihm werden gute Bau- und Werk-Steine gewonnen. …
Grundherr ist der Staat, welcher auch den großen Zehenten, der früher dem Kloster Hirschau zustand, bezieht; der kleine Zehente ist gleichfalls in die Verwaltung des Staats übergegangen. Den Heuzehenten besitzt derselbe von Alters her. …
Nordwestlich vom Ort ganz in der Nähe desselben wird eine Stelle in der Würmthalebene „der Burgstall“ genannt, was auf eine frühere Befestigung hinweist. Ohne Zweifel war hier ein fester Punkt in der vormittelalterlichen Periode, die mit den Befestigungen, welche die Römer längs des Würmthals anlegten, zusammenhängt. Unfern dieser Stelle fand man Grundreste von Gebäuden, welche die Volkssage einem ehemaligen Siechenhaus zuschreibt. Von dem Burgstall aus ging eine alte Straße nach Weil der Stadt, die man die „lange Gasse“ nennt. Auf dem Kapelesberg nördlich vom Ort soll eine Kapelle gestanden seyn. b) Etwa 1/4 Stunde südöstlich vom Ort liegt an der Schwippe, ganz nahe der Einmündung derselben in die Würm, die mit holländischem Werk versehene Ölmühle, nebst Hanfreibe und Gypsmühle.
Schaffhausen war ursprünglich ein gräflich calwischer Ort, indem auch die Herren von Beutelspach Güter und Rechte besaßen; wenigstens gab Conrad von Beutelpach um 1100 hier eine Hube und ein Viertel der Kirche an das Kloster Hirschau …, welches durch einzelne Schenkungen und Ankäufe … immer mehr Güter und Rechte, zuletzt 1468 vollends den Ort bekam. Hauptbesitzer waren noch im 15. Jahrhundert die Markgrafen von Baden, nach ihnen Dieterich von Gemmingen; dieser verkaufte am 26. Juni 1464 das Dorf Schaffhausen mit all seinen Zugehörungen um 1500 fl. an Graf Ulrich von Württemberg, welcher es schon am 27. Aug. 1468 um 1000 fl. und die Ermsmühle zu Neckartenzlingen an das Kloster Hirschau veräußerte (…), wodurch der Ort zum Klosteramt Hirschau gelangte. …
Auch heute noch umschließt eine mächtige Kirchhofmauer Kirche und Pfarrhaus (um 1770) in Schafhausen
Erstveröffentlichung: Beschreibung des Oberamts Böblingen. Herausgegeben von dem königlichen topographischen Bureau. Stuttgart und Tübingen 1850.
Der Text wurde gekürzt.
Im Jahre 1820 wurde auf Dekret König Wilhelms I. das königliche statistisch-topographische Bureau in Stuttgart gegründet. Zwischen 1824 und 1886 entstanden dort Beschreibungen aller 64 württembergischen Verwaltungsbezirke und ihrer Gemeinden. Als 26. Band erschien 1850 die Beschreibung des Oberamts Böblingen. Auf dem Internet-Portal Wikisource kann diese bereits vollständig abgerufen werden. Hier finden Sie auch eine ungekürzte Version der Beschreibung von Schafhausen.