Warum wurde Döffingen 1634 niedergebrannt?
Autor: Felix Burckhardt
Unvergessen bis in unsere Zeit blieb der Schreckenstag, an dem im Herbst 1634 Döffingen in Asche sank. Nach der Nördlinger Schlacht fielen kaiserliche Truppen in das Herzogtum Württemberg und in das Amt Böblingen ein und plünderten Städte und Dörfer. Besonders hart wurde Döffingen getroffen. Die Soldaten brannten den ganzen Ort nieder; nur das Schafhaus und die abgelegene Fleckenmühle blieben verschont. Auch Kirche und Schule wurden ein Raub der Flammen.
Über den bisher unbekannten Grund, der zum Niederbrennen des Ortes führte, berichtet das Bittgesuch, das 1642, acht Jahre nach dem Geschehen, Magistrat und Bürger an den Herzog Eberhard III. richteten. Sie erinnerten daran, dass in der Zeit der Landbesetzung und dem Einfall der Soldaten der Flecken Döffingen ganz und gar bis auf den Grund abgebrannt worden sei. Sie seien dadurch „nit allein Unsere Underschläuflen, neben der Kürchen, sondern auch beynahendt Unserer gantzen Bürgerschaft leider Gott erbarmbs gentzlich beraubt worden„. Viele Bürger hielten sich im Exil auf, die meisten seien gar aus dem Land und an den Bettelstab getrieben worden. Äußerste Armut und Hungersnot habe sie bedrängt. Der eine sei da, der andere dort bei befreundeten oder anderen gutherzigen Leuten, gleichsam um das tägliche Brot und den Unterschlupf samt Weib und Kindern arbeitend und schaffend. Eine geraume Zeit hätten sie sich elend und erbärmlich aufhalten müssen.
Die auferlegten überschweren Sommer- und Wintereinquartierungen, die starken Kontributionen und anderen Umlagen und Beschwerden hätten es nicht erlaubt, Mittel und Wege zur Hand zu schaffen, ihre Unterschlupfe wieder aufzubauen. Auch den Aufbau der Kirche hätten sie unterlassen müssen.
Die zurückgebliebenen Einwohner besuchten die Kirche zu Ostelsheim, doch sei der Weg bei Schnee, Regen und anderen Unwettern sehr beschwerlich. Sie hätten nun beschlossen, „ein zwahr gar schlecht Kürchlein wegen ihrer geringen Mittel“ aufzubauen. Jeder habe nach seinem Vermögen beigesteuert; 40 Gulden hätten sie zusammengeschossen.
Sie unterbreiteten den Vorschlag, den Bau der Kirche dadurch fördern zu können, die hinterlassenen Erben von Michael Küenlen, genannt Stegmüller, zur Abgabe einer alten Scheune zu veranlassen, „weilen obiger Stegmüller an dieses verbrandten Fleckhens gentzlichen Untergang einig und allein schuldhaft und muthwilliger Weis denselbigen, so durch die Soldaten in Brand gesteckhet, durch ihn verwahrloset worden.“
Sie gaben an, Michael Küenlen sei daran schuld, dass der Ort ruiniert worden sei, „indem er zur Zeit der allgemeinen Landoccupation (Besetzung) mit den Soldaten umb die Brandtschatzung tractirt, volgendts aber nicht eingehalten oder vermuthlich nicht einhalten kenden, darauf der Fleckh angesteckhet und in Asche gelegt worden.“
Bei der vor dem Flecken liegenden, ganz in Abgang geratenen Mühle sei eine Scheune. Diese wollten sie angreifen, im öffentlichen Anschlag feil tun und das daraus gelöste Geld zum Kirchenbau verwenden.
Es sei eine „alte baufellige Scheuren“. Die Mühle selbst sei öd und wüst, doch besitze sie noch eine andere Scheuer, mit der sich künftig ein Müller wohl erhalten könne.
Wenn der Kirchenbau unterlassen würde, bestünde die Gefahr, dass die Bürger auf ihr Bürgerrecht verzichten und samt Weib und Kind Döffingen verlassen und in andere Orte sich begeben könnten.
Weitere Informationen zum Brand von Döffingen finden Sie in dem 1954 erschienenen Artikel von Fritz Metzger
„Hat der Stegmüller von Döffingen 1634 sein Dorf verraten?“
Hat der Stegmüller von Döffingen 1634 sein Dorf verraten?
Ein hartes, unerbittliches Los brach 1634 über die Bürger von Döffingen herein. Der ganze Flecken wurde bis auf den Grund niedergebrannt, die Bürger beraubt und, so weit sie mit dem Leben davonkamen, ins Exil getrieben. Um des täglichen Brotes willen wurden sie in den benachbarten Ortschaften von Freunden aufgenommen. Starke Kontributionen, Sommer- und Wintereinquartierungen ließen den Bürgern auch in den folgenden Jahren keine Möglichkeit zu einem Wiederaufbau.
Der anderthalbstündige Weg nach Ostelsheim in die dortige Kirche war bei Schnee, Regen und Ungewitter besonders beschwerlich, und es war zu erwarten, dass glaubenstreue Einwohner ihr Bürgerrecht aufgeben und wegziehen würden, wenn es nicht bald gelang, wieder ein eigenes Kirchlein zu errichten. 1642 ist es soweit. 40 Gulden haben die Bürger schon beisammen, doch reicht dieser Betrag noch nicht aus. Da wenden sich die Bürger in ihrer Not an die, die sie für schuldig halten an ihrem Unglück, das den Ort betroffen hat. Dies ist nun überraschenderweise nicht irgendeine Obrigkeit, sondern die Erben eines Bürgers von Döffingen.
Dem Michel Kienle, genannt Stegmüller, werfen die Döffinger vor, dass er einzig und allein an dem Untergang des Fleckens schuldig sei.1 Er habe mutwilligerweise mit den Soldaten über die Brandschatzung verhandelt und damit alles Unglück heraufbeschworen. War nun dieser Döffinger Müller ein Verräter, oder handelte er in gutem Glauben, um seiner Heimat zu helfen?
Daß bei einem so allgemeinen Unglück immer gerne ein Sündenbock gesucht und meistens auch gefunden wird, macht uns etwas misstrauisch gegen das absolute „schuldig“ der Döffinger. Gerechter ist wohl das Urteil des Vogts von Böblingen. Auch er spricht den Müller nicht frei, sondern schiebt ihm eine ziemliche Schuld an dem Unglück zu. Aber, und das ist das Entscheidende, er räumt dem Kienle ein, dass er vielleicht das, was er mit den Soldaten ausgehandelt hatte, gar nicht einhalten konnte, obwohl er dazu fest entschlossen war. Was mag den Müller dazu bewogen haben, mit den kaiserlichen Soldaten zu unterhandeln? Tat er es aus echter Liebe zu seiner Heimat, tat er es aus Ehrgeiz, Gehässigkeit oder Niedertracht?
Wir wissen es nicht. Sicher ist nur, dass er handelnd in die Geschicke seines Dorfes eingriff und dabei Misserfolg hatte. Die Zeitgenossen haben das Urteil über ihn gesprochen, und das Schicksal ging mit Brand, Raub und Mord über eine friedliche Gemeinde.
Der Stegmüller hat diese Zeit nicht lange überlebt. 1642 ist er schon tot. Seine Erben werden um Beihilfe zum Kirchenbau angegangen, als einen kleinen Ausgleich für das, was der Kienle angerichtet habe. Die Erben wollen eine beschädigte Scheuer neben der öd und wüst liegenden Mühle vor der Ortschaft dazu geben. Da dazu aber die Bewilligung des Herzogs erforderlich ist, bitten die Bürger darum, und auf diesem Wege ist uns der ganze Vorgang erhalten geblieben. Herzog Eberhard von Württemberg stimmt durch seinen Oberrat dem Plan zu..2 Die Scheuer wird öffentlich versteigert, und der Erlös zum Bau der neuen Kirche verwendet.
Erstveröffentlichung: „Aus Schönbuch und Gäu“, Beilage des Böblinger Boten, Nr. 2, 1954.
Autor: Fritz Mezger
Mit freundlicher Genehmigung des Heimatgeschichtsvereins für Schönbuch und Gäu e.V.
Döffingen um 1680 auf der Kieser’schen Forstkarte.
(© Landesmedienzentrum Baden-Württemberg / Robert Bothner und Dieter Jäger)
Erstveröffentlichung: Aus Schönbuch und Gäu. Beilage der Kreiszeitung Böblinger Bote, 1+2/1972.
Der Text wurde gekürzt.
Mit freundlicher Genehmigung des Heimatgeschichtsvereins für Schönbuch und Gäu e.V.
Referenz
↑1 | „…weilen obiger Stegmüller an dieses verbrandten Fleckhens gentzlichen Undergang einzig und allein schuldhaft und muthwilliger weis denselbigen, so durch die Soldaten in Brand gesteckhet, durch ihn verwahrlost worden.“ (Quelle: Staatsarchiv Ludwigsburg. Bestand 206) |
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↑2 | „…wie denen zu Döffingen wiederum aufzuhelfen und als diesen armen verbrandten Amts-Angehörigen etwas Rath geschaffen werden könne.“ (Quelle: Staatsarchiv Ludwigsburg. Bestand 206) |