1954 wurde Else Beuchert zur ersten Bürgermeisterin im Land gewählt
Eine Frau regiert Perouse
Autorin: Susanne Kittelberger
Auch wenn die Zahl der Bürgermeisterinnen im Land Baden-Württemberg in den letzten Jahren drastisch angestiegen ist, sind Frauen in diesem Amt immer noch verhältnisweise rar gesät. Als am 17. Januar 1954 die 29jährige Else Beuchert im damals noch selbständigen Perouse zur Bürgermeisterin gewählt wurde, war dies eine Sensation. 1951 war die aus Weissach stammende Mutter eines Sohnes vom Gemeinderat als neue Schreibkraft eingestellt worden. Drei Jahre später besiegte sie ihren Konkurrenten, den amtierenden Bürgermeister Hartmann, bei der Wahl souverän. Von 314 abgegebenen Stimmen fielen ihr 211 zu.
Damit hatte der kleine, rund 500 Einwohner zählende Waldenserort Perouse als erste Gemeinde im Land eine Frau als Bürgermeisterin. Das Interesse der Medien war entsprechend groß. Herbert Vinçon, ehemaliger Pfarrer und Chronist der Gemeinde, schrieb 1998 in der Ortschronik: „Wir Perouser waren nicht wenig stolz, dass auch die überregional Presse von der Perouser Wählerentscheidung Notiz nahm.“ Auch im Böblinger Kreisarchiv hielt man das Ereignis für „archivwürdig“. Noch heute findet sich hier ein Ausschnitt aus der Südwestdeutschen Illustrierten Wochenendzeitung vom 30.1.1954, der dieses Ereignis auch einen eigenen Artikel wert war.
Else Beuchert, geb. Häcker wurde 1923 in Weissach geboren und begann 1939 ihre berufliche Laufbahn als Schreibgehilfin in der Gemeinde Flacht. 1946 heiratete sie Fritz Beuchert. Dieser war während des 2. Weltkrieges als Luftwaffensoldat in Malmsheim stationiert und wurde in Flacht einquartiert. 1950 wurde ihr Sohn Rolf geboren. In Flacht war sie bis 1848 beschäftigt, wechselte dann als Verwaltungsangestellte ins Rathaus der Weissacher Nachbargemeinde Eberdingen und 1951 schließlich nach Perouse – damals die ärmste Gemeinde im Kreis Leonberg.
Dass es zu Beginn ihrer Amtszeit als Perouser Bürgermeisterin noch ein paar Ungereimtheiten mit dem Sprachgebrauch gegeben hat, beschreibt ebenfalls Herbert Vinçon. Aus dem Gemeinderatsprotokoll zitiert er folgenden Eintrag: „Beratung am 6. April 1954. § 308: Bürgermeister Beuchert. Der neugewählte Bürgermeister Frau Else Beuchert wurde am 20.2.1954 ins Amt eingesetzt. Eine „Bürgermeisterin“ war im Amtsdeutsch dieser Zeit offenbar noch nicht vorgesehen.
Die Perouser scheinen jedenfalls mit ihrer Bürgermeisterin hoch zufrieden gewesen zu sein. 1961 erhielt sie bei ihrer Wiederwahl 94% der abgegebenen Stimmen. Auch nach dem Zusammenschluss von Perouse und Rutesheim im Jahre 1971 übte sie das Amt der Ortsvorsteherin noch bis zu ihrem Ruhestand im Juni 1980 aus.
Else Beuchert starb 1982 im Alter von 59 Jahren.
Eine Frau regiert Perouse. Ausschnitt aus der Südwestdeutschen Illustrierten Wochenendzeitung vom 30.1.1954, der seinen Weg ins Böblinger Kreisarchiv gefunden hat. (Bild: Kreisarchiv Böblingen)
Literaturhinweis:
Herbert Vinçon, Ortschronik Perouse. Rückblick auf 300 Jahre Ortsgeschichte 1699-1999. Hrsg. Gemeinde Rutesheim, Heimsheim 1998, S. 82f.
Rutesheims Weg durch die Zeit – 1250 Jahre unsere Stadt. Katalog zur Ausstellung vom 3.2.-25.7.2017 in der Christian-Wagner-Bücherei Rutesheim, Hrsg.: Projektgruppe des Arbeitskreises GESCHICHTE VOR ORT (Karin Momberger, Mechthild Hagemeister-Beck, Carmen Schort, Harald Schaber, Dr. Hans-Ulrich Schwarz, Rutesheim 2017, S. 97.