Mitglied der Württembergischen Ständevertretung
Ende 1832 wurde Conrad Ludwig in die Württembergische Ständeversammlung gewählt.
Die Landstände waren die Mitwirkungsorgane bei der Königlichen Regierung und bei der Gesetzgebung. Sie teilten sich in zwei Kammern. Die erste Kammer der Standesherren war den Oberhäuptern der Fürsten- und Adelshäuser und vom König berufenen Adeligen vorbehalten. Die zweite Kammer der Abgeordneten umfasste 13 Mitglieder aus dem ritterschaftlichen Adel, sechs evangelische Prälaten, den ev. Landesbischof, einen katholischen Dekan, den Kanzler der Universität Tübingen, sieben Vertreter der „guten Städte“ und je einen gewählten Abgeordneten von jedem der 64 Oberamtsbezirke.
Conrad Ludwig Hiller vertrat als gewählter Abgeordneter den Oberamtsbezirk Herrenberg in der zweiten Kammer. Die näheren Umstände seiner Wahl sind nicht bekannt. Es ist aber davon auszugehen, dass er auf Grund seiner vielseitigen Persönlichkeit, seiner bodenständig-konservativen und religiösen (pietistischen) Einstellung in dieses Amt gewählt worden war. Er übte sein Mandat in einer Zeit aus, die von Hungersnöten, Auswanderungen, sozialen Spannungen, dem beginnenden Industriezeitalter, den revolutionären Bewegungen und Neuerungen in der Bildungspolitik geprägt war.
Am 6. 1. 1833 wurde Conrad Ludwig Hiller, nun 47 Jahre alt, in der ersten Sitzung der zweiten Kammer als neues Mitglied vereidigt. Hielt er sich bei seiner seitherigen Tätigkeit als Schulmeister und Schultheiß im Rahmen dessen was auch seine Vorfahren geleistet hatten, so trat er durch das neue Amt deutlich aus ihrem Kreis heraus.
Conrad Ludwig nahm sehr gewissenhaft an allen Beratungen teil. Laut Protokollen fehlte er in den 22 Jahren seiner Abgeordnetentätigkeit bei keiner einzigen Sitzung. Sie weisen auch aus, dass er seine Vorstellungen und Erfahrungen durch verschiedene „Motionen“ (Eingaben, Vorschläge) einbrachte und zuweilen auch Redebeiträge lieferte. In den meist zweimonatigen Sitzungsperioden verbrachte er oft weit über 100 Tage im Jahr in Stuttgart. Schwerpunkte seiner Mitarbeit ergaben sich vielfach aus Problemen in seinem Bezirk und dessen Gemeinden, wie man aus den Sitzungsprotokollen entnehmen kann. Dabei ging es u.a. um folgende Themen:
– Aufhebung des Mühlenbanns und des Verkaufsbanns für Körnerfrüchte
– Staatslastenverteilung und Besteuerung der Bürger (mehr Gerechtigkeit und keine Benachteiligung der Ärmeren)
– Die Verminderung von Gebühren (Sporteln) bei Dienstleistungen der Behörden
– Wegeordnungen und Zollerhebungen
– Gleichstellung von Markungs- und Steuergrenzen in den Gemeinden
– Änderung von Strafgesetzen (z.B. bei Unzucht und Diebstahl )
1838 beriet die Kammer als „Außerordentlicher Landtag“ von Januar bis Oktober in 125 Sitzungen eine neue Gesetzgebung. 1841 debattierte man lange über die Einführung der Eisenbahn in Württemberg. Gegner dieses Projekts befürchteten, eine Eisenbahn würde Spediteure, Lohnkutscher und Gastwirte ruinieren und viele Städte veröden lassen. Außerdem könne sie nie rentabel und wirtschaftlich sein. In der 131. Sitzung am 19. Januar 1843 leistete Conrad Ludwig Hiller laut Protokoll dazu folgenden Redebeitrag, der seine konservative Haltung deutlich zeigte (oder sah er die Zukunft weit voraus?):
Wenn ich zu der vorliegenden Abstimmung die Ansicht vieler meiner verehrten Freunde nicht teilen und deshalb nicht sofort mit ihnen – vorerst freilich nur in Gedanken – durch die Welt fliegen kann, so glaube ich doch, ihnen die Versicherung geben zu dürfen, dass ich ebenso wenig geneigt sei, indessen gleich dem Krebse rückwärts zu kriechen. Ich gebe mich vielmehr der Hoffnung hin, es werde, noch ehe in Württemberg Eisenbahnen gebaut sein werden, dem menschlichen Scharfsinn in der Mechanik gelingen, solche Maschinenwagen zu erfinden, auf denen ich dann – ohne Rauch und Dampf – ihnen auf unseren bis dahin allgemein verbesserten Landstraßen mit minder großen Kosten nacheilen kann. Deshalb also nein.“
Am 8. Mai 1851 nach der ersten Sitzung in der neuen Wahlperiode unterschrieben 41 Abgeordnete, darunter an zweiter Stelle Conrad Ludwig Hiller, folgende Erklärung:
Die Unterzeichnenden erklären, dass sie bei ihrem Entschluss in die Kammer der Abgeordneten einzutreten, die Gründe, welche gegen einen solchen Schritt angeführt werden können, vollständig gewürdigt, dass sie die schweren Bedenken, in die gegenwärtig zum Teil wieder aus Privilegierten bestehende Ständeversammlung einzutreten, nur durch die Erwägung bewältigt haben, es gebiete die Pflicht, gerade in den schwierigsten Verhältnissen dem Vaterlande sich nicht zu entziehen, dass sie jedoch diesen ihren Schritt nie so angesehen wissen wollen, als gedächten sie damit für die Wiederherstellung aufgehobener Standesvorrechte sich auszusprechen.“
Diese Erklärung erfolgte, weil nach den Revolutionswirren von 1848/49 ein neues, demokratischeres Wahlrecht erhofft worden war, der König aber das alte Wahlrecht der Vormärzzeit wieder eingesetzt hatte. Conrad Ludwig Hiller stand auch deshalb in seinem Wahlbezirk unter deutlicher Kritik (Reaktionär!) und bei der Wahl 1851 musste er wegen seiner obrigkeitstreuen und antirepublikanischen Haltung hohe Stimmverluste hinnehmen. Als Kandidat des konservativen „Vaterländischen Vereins“ konnte er mit 44 % der Stimmen nur noch knapp das Mandat wieder erringen.
Für seine Arbeit im „Landstand“ wurde Conrad Ludwig Hiller 1853 vom König mit der „Goldenen Civil – Verdienstmedaille“, einem Orden der Württembergischen Krone, in Stuttgart ausgezeichnet. Am 20. August 1855 nahm Conrad Ludwig Hiller zum letzten Mal an einer Sitzung der zweiten Kammer der Landstände teil, danach wurde der Landtag durch königliche Order aufgelöst.
Für den neuen Landtag kandidierte Conrad Ludwig mit 72 Jahren wieder im Wahlbezirk Herrenberg als Vertreter des „Vaterländischen Vereins“, dem von seinen Gegnern vorgeworfen wurde, ein „königshöriger Pietistenverein“ zu sein. Im liberaleren „Volksverein“, der mehr die demokratische Richtung vertrat, hatte er mittlerweile einen starken Gegner. Bei der Wahl 1855 erhielt er nur noch 17% der Stimmen. Sein Gegner, der Kandidat des „Volksvereins“, der Ökonom Walter vom Sindlinger Hofgut (der Vater seiner Schwiegertochter!) siegte mit 70% der Stimmen deutlich.
Für Conrad Ludwig Hiller fielen nun nach 22 Jahren ununterbrochener Parlamentstätigkeit die langen Tagungsperioden in Stuttgart weg. Damit verlor er aber auch die nicht unerheblichen Sitzungsgelder von 5 Gulden und 30 Kreuzern pro Tag, was immerhin etwa 500 Gulden im Jahr ausmachte. Dafür hatte er nun mehr Zeit für seine Landwirtschaft und das Schultheißenamt, das er erst 1862 im Alter von 77 Jahren in jüngere Hände abgab.
Er lebte danach noch 12 Jahre auf seinem Hof in Bondorf und starb im Februar 1874, anderhalb Jahre vor seiner zweiten Frau, im Alter von 89 Jahren. Sein langes Leben überspannte die wechselvolle Zeit von der französischen Revolution bis nach der Zeit der deutschen Reichsgründung.
Seinen Nachkommen hinterließ Hiller neben einem gut bestellten Haus ein solides Vermögen.
Die von ihm selbst verfassten Abschiedsworte an seine Kinder und Nachkommen zeigen deutlich seine klare christliche Überzeugung, die er stets gelebt und in seinem ganzen Leben auch nach außen vertreten hatte.
An alle meine Lieben
Die Stunde naht, wo Gott der Herr mich rufet von hienieden,
zu sich in jene Welt, wo er mir gnädig hat beschieden,
ein ewig Reich durch Jesum Christ
der mein und Euer Heiland ist!
Ihm darf ich fest vertrauen,
er wird auf euch auch schauen.
Deshalb lebt wohl und bleibet stets in Liebe fest verbunden.
Der Herr ist gütig, selbst wenn er Euch zuschickt trübe Stunden,
er weiß wohl, was Euch heilsam ist
und wird gewiß durch Jesum Christ
euch geben was Euch nützet
wenn Ihr auf Ihn Euch stützet.
Ich trete nun getrost hinan zu Ihm dem Überwinder,
der ja einst hat genug getan für alle reu’gen Sünder.
An seiner Seite ruh ich gut,
denn auch für mich floß ja sein Blut!
„Oh bleib an meiner Seite,
und gib mir das Geleite!
Conrad Ludwig Hiller