Dachtel in der Beschreibung des Calwer Oberamts von 1860
Dachtel, Gemeinde III. Kl. mit 476 Einw., wor. 1 Kath: – Ev. Pfarrei; die Kath. sind nach Dätzingen, .O. A. Böblingen eingepfarrt.
Der kleine, ziemlich regelmäßig in die Länge gebaute Ort hat in dem schmalen, wiesenreichen Aidthale, welches bei Dachtel seinen Anfang nimmt, eine geschützte, angenehme Lage. Die Entfernung von der nordwestlich gelegenen Oberamtsstadt beträgt 2 ½ Stunden. Durch den nördlichen Theil fließt die Aid (auch Aischbach und Mühlbach genannt), welche 1/8 Stunde westlich vom Ort entspringt, zunächst am Ort einen Zufluß durch das Kettenbrünnle und den Riedgraben erhält und nur einige hundert Schritte unterhalb des Dorfs eine Mühle mit 2 Mahlgängen und einem Gerbgang in Bewegung setzt. An den wohl unterhaltenen, mit Kandeln versehenen Ortsstraßen lagern die im Allgemeinen freundlichen ländlichen Wohnungen, welche größtentheils aus Holz erbaut und mit Ziegelplatten gedeckt sind.
Die beinahe in der Mitte des Orts gelegene Pfarrkirche, welche von der Stiftungs- und Gemeindepflege unterhalten wird, wurde im Jahr 1601 an der Stelle der frühern neu erbaut; im Winter 1768/69 brannte sie bis auf die Mauern ab und wurde alsdann in ihrem gegenwärtigen Zustande wieder hergestellt. Sie ist in einem ganz einfachen Styl mit spitzbogigen Fenstern, jedoch ohne Füllungen erbaut; der Chor schließt mit einem halben Sechseck. Das Innere wurde im Jahr 1856 freundlich erneuert und mit flacher Gypsdecke in Langhaus und Chor versehen. Von dem viereckigen, ziemlich hohen und mit einem Zeltdach versehenen Thurm genießt man eine freundliche Aussicht dem Aidthal entlang, in dessen Hintergrunde Böblingen mit seinen Umgebungen sichtbar ist. (…)
Um die Kirche liegt der ehemalige, im Jahr 1839 aufgegebene Begräbnißplatz, dessen hohe und feste Ringmauer erst in neuerer Zeit namhaft abgetragen und erniedrigt wurde; ein neuer Begräbnißplatz ist am östlichen Ende des Dorfs angelegt und ummauert worden. Das von dem Staat zu unterhaltende Pfarrhaus nebst Oeconomiegebäuden, Garten und Hof hat eine angenehme Lage an der Hauptstraße zunächst der Kirche.
Das ansehnliche, im Jahr 1827 neu erbaute Schulhaus enthält ein Lehrzimmer, die Wohnung des Schulmeisters und die Gelasse für den Gemeinderath. Ein öffentliches Waschhaus, an welches im Jahr 1838 ein Backhaus angebaut wurde, besteht schon längst. Ein Schafhaus steht am westlichen Ende des Dorfes.
Der Ort erhält aus 6 Pumpbrunnen gutes Trinkwasser, das auch in trockenen Sommern nicht nachläßt; überdieß befinden sich ganz in der Nähe des Orts reichlich fließende Quellen, von denen das sog. Kettenbrünnle das beste, häufig von Kranken gesuchte Wasser liefert. (…)
Das Klima ist ziemlich mild und die Luft gesund; Frühlingsfröste schaden zuweilen dem Obst und den feineren Gewächsen; Hagelschlag kommt häufiger vor als in dem nahe gelegenen Deckenpfronn. Die Einwohner sind im Allgemeinen körperlich wohlgebaute, gesunde Leute, die sich häufig eines hohen Alters erfreuen und selten von epidemischen Krankheiten heimgesucht werden; in sittlicher Beziehung vereinigen sie mit einem großen Fleiß einen geordneten, friedfertigen Lebenswandel und religiösen Sinn. Ihre Nahrungsquellen bestehen in Feldbau und Viehzucht und ihre Vermögensumstände gehören im Allgemeinen zu den günstigen, indem der Mittelstand vorherrscht und gegenwärtig nicht eine Familie der Gemeindeunterstützung bedarf. Der vermöglichste Bürger besitzt 42 Morgen1 Güter und der sog. Mittelmann etwa 18 Morgen; auch der Unbemitteltste hat noch einen Grundbesitz. Gantungen2 gehören zu den Seltenheiten. Die Markung ist ziemlich klein parcellirt und die meisten Grundstücke sind nur 1/2 Morgen groß.
Die Landwirthschaft wird nach drei Zelgen mit 1/4 Bracheinbau umsichtig und fleißig betrieben; (…) Von den Getreidearten baut man vorzugsweise Dinkel, Hafer, Gerste und in der Brache dreiblätterigen Klee, Esparsette, Kartoffeln, weiße Rüben, weniger Hanf und Reps. Mit dem Hopfenbau sind in neuerer Zeit kleine Versuche gemacht worden, die günstige Ergebnisse lieferten. (…) Die im Zunehmen begriffene Obstzucht ist unbedeutend und befriedigt nicht einmal das örtliche Bedürfniß, so daß noch ziemlich viel Obst von Außen aufgekauft werden muß; (…) Die Gewerbe dienen, mit Ausnahme von 2 Schildwirthschaften und 2 Kramläden, nur den nöthigsten örtlichen Bedürfnissen. (…)
Dachtel erscheint als Dachtela im Codex des Klosters Hirschau. (…) Den Ort selbst mit Vogtei, Kirchensatz und Zehnten besaßen später die Herren von Waldeck und von ihnen kam er an Württemberg. (…)Solange Dachtel waldeckisch war, mußten die Einwohner jedes Jahr ein Faß Wein frohnweise auf das Schloß Waldeck führen, unter württembergischer Herrschaft wurde diese Frohn in die Abgabe von 1 Pfund Heller, Weinfuhrpfund genannt, verwandelt. (…)
Quelle: Beschreibung des Oberamts Calw, Amt. Herausgegeben von dem königlichen topographischen Bureau. Stuttgart 1860
Der Text wurde gekürzt.
Die Württembergischen Oberamtsbeschreibungen Die Württembergischen Oberamtsbeschreibungen
Im Jahre 1820 wurde auf Dekret König Wilhelms I das “königliche statistisch-topographische Bureau“ in Stuttgart gegründet. Zwischen 1824 und 1886 entstanden dort Beschreibungen aller 64 württembergischen Verwaltungsbezirke und ihrer Gemeinden. Als 40. Band erschien 1860 die Beschreibung des Oberamts Calw. Auf dem Internet-Portal Wikisource kann dieses bereits vollständig abgerufen werden. Hier finden Sie auch die Beschreibung von Dachtel.