Bemerkungen zu den Orgeln der Familie Weinmar
Die Weinmar bauten Orgeln ab etwa 1750 bis 1830 für Auftraggeber im altwürttembergischen Gebiet. Auffallend ist, dass die Weinmar von wenigen Ausnahmen abgesehen (z.B. Heidenheim, Ochsenburg) in drei Gebieten Orgeln erstellten, umbauten und reparierten:
- Das Gebiet um den Heimatort Bondorf, von Mössingen bis Calw und Freudenstadt bis Böblingen
- Von Stuttgart entlang des Neckars bis vor Heilbronn
- Das Gebiet um Neuenbürg
Vermutlich wurden sie hier von Ort zu Ort weiterempfohlen; möglicher Weise lieferte man aber auch lieber in schon bekannte Gebiete.
Ob Johannes I. seine „Lehrzeit“ als Orgelmacher in der Heilbronner Gegend verbracht hat, – was manchmal auf Grund gewisser Ähnlichkeiten in Aussehen und Bauart mit Orgeln der Familie Schmahl vermutet wurde – , ist allerdings reine Spekulation und nicht belegt.
Johannes I. und Johann Jakob I. bauten vor allem kleinere Orgelwerke mit 8 bis maximal 21 Registern, die Kleineren ein- und zweimanualig, häufig ohne Pedal, oft aber mit Zimbelstern und Glockenspiel ausgestattet. Es scheint dabei eine gewisse Typisierung in der Bauform gegeben zu haben: die kleineren Orgeln mit 8 bis 12 Registern haben oft eine Pyramidenform. Häufig heißt es in den Verträgen „der Prospect in 5 Thürme eingeteilt, mit geschweiftem Gesims und gestimmten Thürm versehen, allen nöthigen Decorationen von Bildhauerarbeit gezieret.“
Bei den größeren Orgeln wurden die großen Pfeifen in Außentürmen angeordnet, in der Mitte dann ein Positiv und manchmal darüber eine Sonne mit dem Zimbelstern. Diese Formen wurden aber immer wieder den örtlichen baulichen Gegebenheiten angepasst und verändert.
Fast alle Orgelgehäuse sind in barocker Manier reich mit geschnitztem und vergoldetem Laubwerk verziert, oft in „lasiertem Marmel“ gestrichen und mit plastischen Darstellungen wie Trompetenengeln, Engelsköpfen, Sonnen und Sternen ausgeschmückt. Von der Bondorfer Orgel ist bekannt, dass diese künstlerische „Auszierung“ nicht aus der eigenen Werkstatt stammt, sondern von dem Rottenburger Bildschnitzer (auch Maler und Vergolder) Johann Martin Staiger (1732-1769) gefertigt wurde. Dieser hat auch die Orgeln in Gärtringen und Öschingen und vermutlich auch die Beihinger Orgel verziert. In Bondorf entstand durch die Zusammenarbeit von Johannes Weinmar und Johann Martin Staiger ein ganzes Ensemble.
Sicher haben auch bei anderen Orgeln weitere Handwerker und Künstler an der Gestaltung des Prospekts und der Auszierung mitgearbeitet. Wer nach dem Tod von Staiger (gest. 1769) beteiligt war, ist im einzelnen nicht belegt.
Zur Qualität der Weinmar-Orgeln gibt es verschiedene Aussagen. Zeitgenossen betonen immer wieder die meisterhafte, fachgerechte, angepasste und solide Arbeit der Werke. Heinrich Silbermann, ein Mitglied der berühmten sächsischen Orgelbauerdynastie, berichtet an seinen Bruder Andreas 1779, dass er die von Weinmar 1777 in Neubrück (Neuenbürg) gebaute Orgel gehört habe und urteilte: „die Intonation ist sehr schlecht, dann sie rauschet gar sehr.“
Über die Ansicht der damaligen Fachleute in der Kirchenbehörde und die von Kunden wurden oben schon Aussagen zitiert. Vater und Sohn wurden bei Streitfällen mehrmals als Gutachter beauftragt und führten auch Reparaturen und Umbauten in großen Orgeln durch (z.B. Stiftskirche Stuttgart, Calw, Ludwigsburg, Freudenstadt).
Nach einer Inspektion des Bondorfer Orgelwerks kommt 1845 der Orgelmacher Franz Xaver Engelfried aus Mühringen zu folgendem Ergebnis:
„Wenn auch die Sage geht, dies sei ehemals ein gutes Orgelwerk gewesen, so muß der Unterzeichnende sagen: Dieses Orgelwerk war immer ein mangelhaftes Instrument und zwar aus folgenden Gründen:
1) es hat kein selbständiges Pedal
2) ist die Zusammenstellung der Register aus allem Verhältnis
3) die Einteilung des Werkes selbst, nämlich dass das zweite Manual weit vom ersten entfernt steht
4) das sehr mangelhafte angelegte Regierwerk mit mechanischen Problemen
5) dazu handwerkliche Fehler……“
Als Abhilfe schlägt er vor, das ganze Orgelwerk um 742 Gulden (Neupreis 1769 waren 660 Gulden!) zu überarbeiten, was dann aber nicht durchgeführt wurde.
1862 kam dann bei der gleichen, noch unveränderten Orgel der Orgelbauer Christian Ludwig Goll aus Kirchheim nach einer Inspektion zu dem Ergebnis: „Das Werk selbst kann noch zu den besseren älteren Orgelwerken gezählt werden … um es in gutem Zustand zu halten, hat es eine Aushebung, Reinigung und Stimmung mit kleinen Reparaturen um ca. 40-50 Gulden nötig.“
Über Johann Jacobs I. Arbeit wird in einem Bericht nach der Abnahme der umgebauten Orgel im Tübinger Convikt am 1.3.1823 geurteilt: „Werk meisterhaft gute Arbeit, nur das Gehäuse sollte besser befestiget, auch die Blasebälge in einer Kammer geschützt werden.“
1838 schreibt der Canzlist Cronberger aus dem Secretariate des Königl. Kirchenraths:
„ … das nach des Unterzeichneten eigener Anschauung und Erfahrung der Orgelmacher Weinmar (Johann Jakob II.) in Bondorf nicht der Mann zu sein scheint, von welchem sich eine gute Arbeit in diesem Jahr erwarten lässt. Hat Weinmar die fragliche Orgel in Tübingen zwar selbst neu (1822) verfertigt, so kann sie, nach der Qualification jenes Mannes, höchstens mittelmäßig sein.“
Johann Jacob II. kommt 1838 zur Begutachtung der alten Orgel und für eine neue Orgel nicht mehr in Frage.
Hier noch einige Aussagen verschiedener Orgelbauer, die in den letzten Jahren Weinmar – Orgeln restauriert und umgebaut haben:
„Die Dispositionen sind jeweils zeitgemäß, etwas bieder, aber immer gut gelöst.“
„Die handwerkliche Ausführung ist durchweg solide, sehr sauber und fachmännisch vor allem in der Schreinerarbeit, Mechanik und bei den Holzpfeifen.“
Die Ausführung der Metallpfeifen scheint nach verschiedenen Aussagen dagegen „handwerklich einfacher Art, aber brauchbar“ zu sein.
„Weinmar hat das Gehäuse, das an Maß und Proportionen an seinem Standort nicht überboten werden kann, bestens gestaltet, auch die Orgelpfeifen nach akustischen Belangen im Prospekt und auf der Windlade ideal nebeneinander gestellt.“(Altensteig)
Dies wohl älteste und einzig fast original erhaltene Orgel der Orgelbaufamilie Weinmar ist das 1815 gebaute Instrument in Wildberg/Gültlingen. Die Orgel wurde zuletzt 2014 von der Orgelbau-Firma Martin Vier aus Friesenheim generalüberholt.