Manuskript in Familienbesitz
Seine Kriegserinnerungen hat Siegfried von La Chevallerie am 13. Dezember 1918, also gut vier Wochen nach dem Waffenstillstand von Compiègne, fertiggestellt. 150 DIN-A-4-Seiten zählt das Manuskript, das sich bis heute im Familienarchiv befindet. Vermutlich griff er dabei auf Tagebucheinträge zurück, die er im Feld geführt hatte. Da das Manuskript erst mit dem Jahr 1915 einsetzt, ist anzunehmen, dass der erste Teil verloren ging. Helga Hager hält es für wahrscheinlich, dass die vor dem Hintergrund des verlorenen Krieges, der Novemberrevolution und des Zusammenbruchs der Monarchie verfassten Erinnerungen nicht nur für den privaten Gebrauch, sondern für eine breitere Öffentlichkeit bestimmt waren. Dafür spreche auch, dass es sich bei den Erinnerungen nicht nur um einen chronologisch angelegten Rechenschaftsbericht handle, sondern um den Versuch einer Gesamtschau.
In der Rückschau entwerfen seine Einträge heute ein eindrückliches Bild von der industrialisierten Kriegsmaschinerie, der ingenieursmäßigen Planung und dem immensen Einsatz von Mensch, Material und Technik. Sie erzählen aber auch vom Alltag hinter der Front, seiner Verbundenheit mit der preußischen Herrscherfamilie und seinem aristokratischen Standesbewusstsein. Erwähnt wird darin immerhin auch der Tod seines „braven Burschen“ mit Namen Kienle. Dieser stammte aus Ehningen und war der Sohn eines Pächters. Ums Leben kam er im Sommer 1918, als im Divisionsstabsquartier in Nesle – östlich der Somme gelegen – ein Geschoss einschlug.
Über seine Gefühle angesichts des beispiellosen Massensterbens auf den Schlachtfeldern äußerte sich La Chevallerie in seinen Erinnerungen allerdings nie. Auch den Krieg als solchen stellte er nicht in Frage. Der Krieg war nun mal sein Handwerk – und seine Einstellung dazu war sachlich und hochprofessionell. Auch hier blieb er bis zuletzt das Musterbeispiel eines preußischen Offiziers.