Sagen und Geschichten aus dem Landkreis Böblingen
Die Erzählung vom Fole im Spittelwald
Autor: Walter Gerblich
Der Erzählung vom Fole im Spittelwald liegt die noch lange lebendige Meinung zugrunde, dass beim „Untergang“, der Entscheidung einzelner Grenzstreitigkeiten, oft böse Geister durch Versetzen von Marksteinen im Spiele waren.
Der Fole wohnte in Herrenberg und war der Waldschütz im Spitalwald. Da, wo die Kuppinger Markung an die Herrenberger stößt, hatten die Kuppinger einige große stattliche Tannen stehen. Die hatten es dem Fole angetan; er hat den Markstein ausgegraben und gen Kuppingen hin versetzt, weil er an den Bäumen was verdienen wollte. Bald darauf ist er gestorben. Jetzt muss er zur Strafe immer umgehen. Erst wenn aus dem Holz der kleinsten Tanne einmal eine Wiege gemacht und in sie ein Mädchen gelegt wird, kann ihn dieses erlösen, sobald es eine Jungfrau geworden ist. Sonst aber muss er umgehen bis zum Jüngsten Tag.
Die Großeltern haben den Kern der Sage durch heute noch gängige Erzählungen ausgeweitet: „Wenn man bei Dunkelheit am Oderzipfel (Otternzipfel) des Spitalwaldes vorbeigegangen sei und gerufen habe: „Fole komm!“, so kam er heraus. Dann wurde es den Leuten bang ums Herz, denn die ganz Alten sagten: „Jetzt kommt der Schimmelreiter und trägt den Kopf unterm Arm daher.“
Wenn die Kuppinger oder die Haslacher Bauern zu viel Wein getrunken hatten, dann sahen sie das Fole mit dem Laternle unterm Arm. Eines Abends ging ein Kuppinger Bauer mit seinem Hund Haslach zu. Plötzlich saß dem Mann eine Katze auf dem Buckel; er lief vor Schreck schneller, und da war auf einmal die Katze nimmer da. Nun blickte sich der Kuppinger nach seinem Hund um. Der war groß wie ein feuriger Hengst zu schauen, und auf ihm ritt ein Mann ohne Kopf. Als der Bauer in das Dorf Haslach kam, sah er vor sich eine große Katze auf dem Weg; die sprang mit einem mächtigen Satz ins Feld hinaus.
Manche sagen, es habe sich in alten Zeiten im Spittelwald ein Mann erhängt, der habe Fole geheißen. Nach seinem Tod sei er in den Nächten ohne Kopf auf dem Feld umhergeritten, und den Kopf habe er unter dem Arm getragen.
Die Gestalt des kopflosen Reiters ist ein immer wiederkehrendes Motiv in den Volkssagen des deutschsprachigen Raumes. Lesen hierzu auch den Artikel bei Wikipedia.
Auch in der Sage vom s’Mauchen Bom, die in Rutesheim und Gebersheim erzählt wird, gibt es einen Reiter ohne Kopf und der rüpelhafte Geist des Schönbuchs, der Ranzenpuffer, erscheint ebenfalls gelegentlich ohne Kopf; dasselbe gilt auch für einen Reiter, der früher bei Weissach gesehen wurde.
Erstveröffentlichung: 1200 Jahre Haslach. Geschichte eines schwäbischen Dorfes im Oberen Gäu. Hrsg.: Stadtverwaltung Herrenberg, Herrenberg 1976. (Veröffentlichungen des Heimatgeschichtsvereins für Schönbuch und Gäu e.V., Band 12), S. 6-11.
Mit freundlicher Genehmigung der Stadt Herrenberg und des Heimatgeschichtsvereins für Schönbuch und Gäu e.V.
Zum festen Bestandteil des Haslacher Aberglaubens gehörte auch „die Urschel“. Sie stand mit dem Teufel im Bunde, lebte einst im „Bettelhäusle“ (Flurname) und besaß Zaubermittel gegen alle möglichen Krankheiten.
Im Kapitel über „Sagen und Aberglaube“ schreibt Walter Gerblich in der Haslacher Ortschronik: „Es klingt kaum glaubhaft, aber zuverlässige alte Haslacher bestätigen, dass der Hexenglaube noch bis in ihre Kindheit, ja bis nach dem Ersten Weltkrieg, lebendig war.“ Meist bezog er sich auf ältere Frauen und Männer, die das Vieh verhext haben sollen. Aber auch wenn der zum Dörren bestimmte Ofen nicht brennen wollte oder ein Pferd im Stall schnarchte, (in Wirklichkeit hatte es die Brunst im Kopf), witterte man dunkle Mächte im Spiel.