Produktion von Zigarren und Stumpen veränderte das Leben im Ort
Vom Feld in die Fabrik: Im November 1921 veränderte sich für viele Schönaicher das Leben einschneidend. Damals ließen sich die Brüder Strauß aus Bad Cannstatt mit ihrer Zigarrenfabrik im Ort nieder und sorgten mit der Produktion ihrer “GESKA-Stumpen“ für hunderte Arbeitsplätze im 3000-Seelen-Dorf.
Leichter Tabakduft, braune Finger und oft blutige Fingerkuppen – wer Zigarren drehte, war leicht zu erkennen. Überwiegend arbeiteten Frauen bei GESKA. Die kamen allerdings nicht nur aus Schönaich selbst, sondern auch aus umliegenden Gemeinden, wie Neuweiler, Breitenstein, Weil im Schönbuch, Holzgerlingen oder Waldenbuch. Morgens um sieben Uhr begann ein Arbeitstag, um 18 Uhr war Feierabend.
Das oberste Gebot hieß Hygiene. Daran ließ die Betriebsordnung keinen Zweifel: “Zur Erzielung eines einwandfreien Fabrikates ist es erforderlich, daß jeder Gefolgschaftsangehörige dringend darauf achtet, jeglichen Fremdkörper vom Tabak beziehungsweise vom Fabrikat fernzuhalten“. Besonders das Spucken auf den Fußboden war verboten, ebenso “das Einnehmen von Nahrungs- und Genußmitteln am Arbeitsplatz“. Die Arbeiterinnen mussten Netzhauben tragen, damit kein Haar in die Zigarren eingerollt wurde.Das Vergessen der Haube kostete zehn Pfennig Buße. Selbst rauchen durften die Beschäftigten im Betrieb übrigens auch nicht. Ausnahmen galten nur für Vorgesetzte und Prüfer der fertigen Zigarren und Stumpen.
Eine Fabrik – drei Standorte
Die Zigarrenfabrikation prägte nicht nur das Leben der Schönaicher, sondern auch das Ortsbild. Die Fabrikgebäude der Brüder Strauß standen an der Böblinger Straße/Ecke Schulstraße, wo später Centra Bürkle (heute Honeywell) produzierte, wenige Meter entfernt im ehemaligen Kinderheim (heute Firma Thalhofer) und die Auslieferung an der Kreuzung Kepplerstraße/Bahnhofstraße. Zwischen den einzelnen Hallen pendelte im Werksverkehr das “Geska-Göppele“, ein motorisiertes Dreirad. Der Transport von Rohmaterial und fertigen Stumpen klappte aber nicht immer reibungslos. „Em Karle sei Wägele, des kippet oft om, no fahret dia Stompa e dr Bahhofstroß Rom“, spotteten die Kinder. Vor den Strauß-Brüdern gab es bereits zwei weitere Zigarren-Fabrikanten in Schönaich. 1892 hatte der Unternehmer Schrägle seinen Betrieb in der Böblinger Straße eröffnet.
Drei Jahre später beeindruckte der Böblinger G. Bodenheimer die Schönaicher mit einem Fabrikneubau samt Wohnhaus, dem späteren Kinderheim, ebenfalls an der Böblinger Straße. Zigarren waren ein krisensicheres Produkt. Auch die Weltwirtschaftsflaute bremste den Aufschwung von GESKA in Schönaich keineswegs. Bis nach Frankreich wurden die Zigarren, Zigarillos und Stumpen ausgeliefert.
Die Strauß-Brüder wanderten aus
Die Inhaber konnten den unternehmerischen Erfolg aber nicht genießen. Als Juden waren sie immer größerem politischen Druck ausgesetzt. Im Herbst 1935 verkauften sie schließlich ihr Unternehmen an Villiger aus der Schweiz und wanderten nach Amerika aus. Villiger produzierte noch bis 1969 Zigarren in Schönaich. Zuletzt waren dort nur noch 48 Mitarbeiter angestellt.
Quelle: Das 20. Jahrhundert im Spiegel der Zeit. Der Kreis Böblingen im Rückblick von 100 Jahren. Röhm Verlag, Sindelfingen 1999, S. 55.
Mit freundlicher Genehmigung der Sindelfinger Zeitung/Böblinger Zeitung