Grabdenkmale an der Gültsteiner Kirchhofmauer
Autoren: Jürgen Kresin / Andrea Gackenheimer
In früherer Zeit umgab der Friedhof die Pfarrkirche. Das Leben der Menschen war von der Taufe bis zur letzten Ruhestätte eng mit der Kirche verbunden. Im Jahre 1830 verlegte man den Friedhof nach außerhalb, da sich der alte Platz allmählich als zu klein erwies.
Heute zeugen an der Kirchhofsmauer nur noch einige Grabdenkmale von dem früheren Vorhandensein des Friedhofs. Bei diesen steinernen Monumenten handelt es sich meist um Epitaphien, die dem Toten zum Gedächtnis erstellt wurden, während das Grab selbst an anderer Stelle des Friedhofs lag. An der Kirchhofsmauer, sowohl außen als auch innen, finden sich eingemauerte Epitaphien, die erst in neuerer Zeit wieder entdeckt wurden, da sie zwischenzeitlich als Wegplatten Verwendung gefunden hatten. Auch Grabsteine, nur mit eingemeißeltem Namen und dem Todesjahr, sind noch vorhanden.
dieses denckmal
der inigsten Liebe und Zärtlichkeit
errichten thränende Eltern, nemlich
Jacob Fried. Binder, bürger u. bauer allhie
und Martha, geborne Binderin
Ihren geliebten vier Kindern, welche ihnen
in dem kurzen Zeit Raum von 4. Monat
durch den Tod entrissen wurden, und deren
entseelte Gebeine in dieser Stätte ruhen.
diese seelig vollendete hiesen
Jacob Fried: gb. d. 15. Feb. 1805, gst. d. 6. Juli 1814
Jacob, gb. d. 1. Decb. 1811, gst. d. 7. Juli 1814
An(n)a Maria, gb. d. 24. Nov.1807, gst. d. 23. Juli 1814
An(n)a Maria, gb. d. 1. Sept. 1814, gst. d. 8. Nov. 1814
Vier liebe Kinder müssen wir hier missen,
die uns in kurzer Zeit der Tod entrissen.
O welches Leid. Und doch verbleibt wenn wir
An dieser Stätte des Schmerzens stehen
Uns allezeit die Hoffnung eines frohen Widersehen
in jener EwigkeitFerdinand Schweickhardt. Steinhauer 1815
Der achtjährige Friedrich und seine siebenjährige Schwester Anna Maria starben beide an Masern. Ihr zweijähriges Brüderchen Jacob starb zwar nur einen Tag nach seinem Bruder, als Grund wird im Totenbuch aber „Scorbut“ angegeben (eine Mangelerscheinung an Vitamin C). Bei dem großem Leid mag es für die Eltern ein Trost gewesen sein, dass erneut Nachwuchs unterwegs war. Und als die kleine Anna Maria zur Welt kam, erhielt sie – wie früher üblich – den Namen der verstorbenen Schwester. Doch lange sollte die Freude der Eltern nicht währen. Bereits neun Wochen später starb auch sie an den „Gichtern“, wie so viele Säuglinge jener Zeit. (…)
„Denckmal der inigsten Liebe und Zärtlichkeit“ – Gedenkstein für die vier Kinder von Jacob und Martha Binder.
Frau Francisca Elisabetha Wittlederin
Räthin und Pflegerin zu Gülstein
gebohrne von Gültling erzeugt zu Berneck
D. 7 Sept: 1725 von Ihro Gnaden
Herrn Ludwig Ferdinand Fridrich
Frey Hrrn von Gültlingen und Ihro gnaden
Frau Susana Margretha Regina
(…) von Hem(m)igen
vermählt D. 4. Aug 1747 in Gültstein.
Christl. Drchl. zu Württenberg Rath u.: Pfleger alda
Caspar Laurentius Wittleder wittwer
Er zeigte nebst eim abortu in 4 Jahr 3 Kinder die
nun alle daligen; zwische(n) 2 vor Ihro gestorbe(n)
wolle sie da begraben werden u.: das letzte
so nach Ihrem Tod noch lebendig auß Ihrem
Leib geschnitten wurde, aber gleich balde,
starb. nahm sie mit sich in Ihre(n) Arme(n) zu grabe
starb Di 20. Jan. 1751 im 26. Jahre
wurde d. 22. jan. nachts … begraben
so ruhet dan: wohl ihr Toden beine
bey eurer Mutter ihr Kinder kleine
Der Rat Caspar Laurentius Wittleder trat 1740 sein Amt als Hirsauischer Pfleger in Gültstein an. Er war alles andere als ein christlich-sanftmütiger Mann. Seine insgesamt drei Ehefrauen behandelte er sehr schlecht. Die zwei Kinder aus erster Ehe wurden deshalb von seinen Schwiegereltern zu sich genommen.
Nach dem Tod seiner ersten Frau begab sich Wittleder 1747 wieder auf Freiersfüße. Seine Auserwählte, die 22jährige Franziska Elisabeth von Gültlingen-Berneck, raubte er kurzentschlossen, als sie sich bei Verwandten in Schwandorf aufhielt. In Gültstein angekommen, zwang er Pfarrer Pichler zur sofortigen Trauung. Zwar wurden er und der Pfarrer später bestraft, aber die Ehe blieb gültig. In den folgenden dreieinhalb Ehejahren schenkte Franziska nach einer Fehlgeburt zwei Kindern das Leben. Als sie das vierte erwartete, starb sie. Der Versuch, das Ungeborene zu retten, gelang zwar, aber es starb bald darauf und wurde mit der Mutter beerdigt.
Wittleder blieb nicht lange allein und heiratete eine geborene Stuber aus Urach. Bald darauf wurde er als Kirchenkastenverwalter nach Stuttgart gerufen. 1762 erhielt er den Rang eines Kirchenratsdirektors, um für Herzog Karl Eugen Geld für dessen aufwendigen Lebensstil zu beschaffen. Ohne Skrupel entnahm er hierfür 550.000 Gulden aus dem Kirchengut. Als er keine weiteren Summen mehr aufbringen konnte, fiel er Ende 1766 in Ungnade. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er als kurpfälzischer Geheimer Rat in Heidelberg, wo er am 14. Dezember 1769 starb.
Epitaph für die 1751 verstorbene Franziska Elisabeth Wittleder. In vier Jahren gebar sie drei Kinder, die alle bald darauf starben. Bei der Geburt ihres vierten Kindes starb sie im Alter von 26 Jahren im Kindbett. Der Epitaph ist in zwei Stücke gebrochen. Die beiden erhaltenen Teilstücke wurden in die äußere Kirchhofmauer eingelassen. (Foto aus: Die Peterskirche in Gültstein – 1091-1991, hrsg. von der Ev. Kirchengemeinde Gültstein, Herrenberg 1991, S. 79)
Quelle: Die Peterskirche in Gültstein. 1091 – 1991, hrsg. von der Ev. Kirchengemeinde Gültstein, Herrenberg 1991, S. 77-79
Der Text wurde gekürzt.
Mit freundlicher Genehmigung der Autoren und der Kirchengemeinde Gültstein.
Grabsteine – Zeugnisse der Kindersterblichkeit
Ein sprechendes Zeugnis der Kindersterblichkeit vergangener Zeit befindet sich in der ehemaligen Wallfahrtskirche von Mauren. Lesen Sie hierzu in „Zeitreise-BB“ den Artikel „Die Grabmäler der sieben Töchter des Eberhard Wolf von Dachenhausen“.