Erinnerungen an eine zerstörte Kapelle aus romanischer Zeit
Das Kuppinger Heidenkirchle
Autor: Dr. Adolf Schahl
Das sog. Kuppinger „Heidenkirchle“ lag an dem von Kapellen- und Plangasse begrenzten Garten des Hahn’schen Gemeinschaftshauses1. Der längst in Trümmern liegende Bau wurde in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts abgerissen. Bereits am 2. 11. 1767 berichtet der herzogliche Kirchenbaumeister Wilh. Friedrich Goez an den herzoglichen Kirchenrat, er habe von Hofgerichtsassessor und Expeditionsrat H. Knebel in Tübingen den Auftrag erhalten, dass er „mit denen Commun-Vorstehern daselbst (d.h. in Kuppingen) wegen der auf den Abbruch zu überlassenden Capell (woran nur noch der Giebel und das Chor nebst einem Theil von beeden Seiten Wandung stehet, der größte Theil desselbigen hingegen abgebrochen und die Steine nach und nach entfremdet worden sind)“ verhandeln solle.
Anscheinend scheiterten die Verhandlungen. Am 3. Januar 1783 fragt der Oberamtmann Krafft von Herrenberg bei seiner vorgesetzten Behörde an , ob die Kirche vollends abzubrechen oder wiederherzustellen sei. Am 11. Juli berichtet derselbe, es sei kein Fall von Baukostenaufwand weder seitens der Gemeinde noch des Landes nachzuweisen. Am 7. Februar 1792 erhielt die Gemeinde die Erlaubnis zur Entnahme von Steinen zu ihrem Kirchenbauwesen. 1795 wurde das Verbliebene als Steinbruch für die Erbauung der Zehntscheuern in Oberjesingen und Affstätt verwendet. Den Rest des Mauerwerks verkaufte man um 65 fl (Gulden).
1. die Beschreibung in der sog. Hess’schen Chronik, nämlich a.) die Beschreibung des Schreibers selbst, und b.) ein Exkurs „Ein kurtzes muthmaßliches Bedenken über die Rudera der zerfallenen Capellen zu Kuppingen auffgesetzt von M. Jacob Meyern, Pfarrer in Nufringen“. 2. ein Kupferstich in Chr. Fr. Sattlers Topographischer Geschichte Württembergs von 1784; er zeigt die teilweise schon zerstörte Choransicht3. ein Holzschnitt in der Oberamtsbeschreibung Herrenbergs von 1855 nach einer früher im städt. Archiv Herrenberg befindlichen Zeichnung (Westansicht).
Die Westfassade des Heidenkirchleins nach einer Originalzeichnung im Herrenberger Stadtarchiv in der Abbildung der Herrenberger Oberamtsbeschreibung 1855. Das Portal erinnert stark an die romanische Kapelle von Belsen bei Tübingen.
Hiernach zu urteilen war die Kapelle ein einschiffig querschiffloser Dreiapsidensaal, dessen Hauptapsis durch 4 Säulen gegliedert war und im Scheitel ein kleines Rundbogenfenster hatte, während in der Westseite eine Rechtecktür mit halbkreisförmigem Bogenfeld in einem profilierten Rundbogengewände lag. Diese Bogenfeld zeigte das Relief dreier anscheinend springender Tiere. An der Rundung der Hauptapsis war eine symbolische Jagd dargestellt, als deren Sinn die Verfolgung der Gläubigen durch den Teufel erfasst werden kann. Bauherr dürfte der in Kuppingen begüterte Bischof von Chur gewesen sein, womit sich die Verbindung zu den Dreiapsidensälen Graubündens zwanglos ergibt; als Kirchenheiliger ist für 1352 der hl. Gotthard belegt. Bauzeit: 11. Jahrhundert.
Für die Bedeutung der Kirche von Wichtigkeit ist, dass nach der Oberamtsbeschreibung in der nächsten Umgebung des Heidenkirchle Gräber gefunden wurden, woraus sie mit Recht schließt, dass „hier ein Begräbnisplatz war, der, ehe die gegenwärtige Kirche nebst Kirchhof angelegt wurde, zur Beerdigung der Ortsbewohner diente“. Hieran scheint so viel richtig zu sein, dass das Heidenkirchle die erste Pfarrkirche von Kuppingen war.
Chorabschluss des Heidenkirchleins nach einer Abbildung in Christian Friedrich Sattlers Topografischer Geschichte des Herzogtums Württemberg aus dem Jahre 1784
Quelle: Zur Baugeschichte von Kuppingen. In: Aus Schönbuch und Gäu. Beilage des Böblinger Boten, 3/1961.
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Heimatgeschichtsvereins für Schönbuch und Gäu e.V.
Eine ausführlichere Untersuchung des Heidenkirchles von Adolf Schahl erschien unter dem Titel: „Das Heidenkirchle von Kuppingen als Geschichtsdenkmal“. In: Aus Schönbuch und Gäu. Beilage des Böblinger Boten, Nr.1 und 2/1957.
Referenz
↑1 | Das entsprach damals dem nordwestlichen Ortsrand; mittlerweile ist das Gebiet überbaut |
---|