Berühmter Forstmann mit engen Beziehungen zu Weil im Schönbuch
Waldvogt Oseas Knapp
Autor: Walter Hahn
Das Herzogtum Württemberg war im 17. Jahrhundert in ungefähr 15 Förste eingeteilt. Der Tübinger Forst, der den Schönbuch mit einschloß war der viertgrößte. Der oberste Forstbeamte war der Forstmeister, ab 1762 Oberforstmeister. Nur der Verantwortliche des Tübinger Forstes hatte bis ins 18. Jahrhundert den besonderen Titel Waldvogt zu Tübingen und im Schönbuch.1
Oseas Knapp (1564-1626), Waldvogt zu Tübingen und im Schönbuch, und seine Nachkommen waren bedeutende Persönlichkeiten für unsere Gemeinde und den Tübinger Forst Schönbuch. Eine ausführliche Darstellung dieser Familie, ihrer verwandtschaftlichen Beziehungen zu Weil im Schönbuch, ihrer sozialen Stellung und ihrer Aufgaben ist deshalb möglich, weil uns zahlreiche Quellen überliefert sind.
Dem Waldvogt Oseas Knapp samt allen seinen Nachkommen beiderlei Geschlechts ist am 1. 9. 1623 von dem Hofpfalzgrafen Sebastian Hornmolt, beider Rechte Doktor, fürstlich württembergischer Rat, Advokaten und gekrönten Poeten zu Heilbronn, ein Wappenbrief verliehen worden. Mit der Verleihung trat der Beliehene in den Kreis der Wappen- und Lehensgenossen ein, die in der Bevölkerung eine bevorzugte Stellung einnahmen. Er durfte das Wappen überall nach Belieben führen und anbringen, besonders auch auf seinem Petschaft (Siegelstock).
Auf dem alten Kirchhof, an der Südseite der Kirchenwand, ist der noch gut erhaltene Grabstein des Waldvogts eingelassen. Hier war auch das Familiengrab der Knapps. …
Oseas Knapp wurde am 29. September 1564 in Reutlingen geboren. Er war der Enkelsohn des Pfullinger Meisterjägers Michael List, Stammvater des berühmten Nationalökonomen Friedrich List. Er kam auf Empfehlung seines Onkels, des Meisterjägers Michael List d. J., 1584 an den württembergischen Hof zur Jägerei als Jägerjunge, wurde 1598 Jägerknecht, 1605 Blutjäger, 1609 Meisterjäger, 1615 Waldvogt-Gehilfe (Adjunkt), 1617 Waldvogt zu Tübingen und im Schönbuch mit dem Amtssitz zu Waldenbuch.
Oseas Knapp heiratete am 29. September 1601 in Weil im Schönbuch die 16jährige Katharina Wanner, geboren am 19. Juni 1585 in Weil im Schönbuch. Sie war die Tochter des Thomas Wanner, geboren 1505 in Weil im Schönbuch, Bauer und Schultheiß, und seiner zweiten Ehefrau Anna Dürnauer. Oseas Knapps Schwiegermutter Anna Dürnauer war die Tochter des Pfarrers Thomas Dürnauer (1556-1591).
Oseas Knapp wurde zwei Tage vor seinem Tode in einer Sänfte von Waldenbuch nach Weil geführt und starb hier am 18. Juni 1626 in seinem Haus, das auch weiterhin im Familienbesitz blieb.
Nach seinem Tod verheiratete sich Katharina Wanner in zweiter Ehe am 29. August 1631 in Reutlingen mit dem Kaufmann Melchior Aichlin. Nach nur vierjähriger Ehe wurde sie 1635 wieder Witwe. Sie kehrte nach Weil im Schönbuch zurück und starb im Alter von 73 Jahren am 24. Mai 1658, wo sie neben Oseas Knapp auf dem Kirchhof beerdigt wurde.
Grabstein des Oseas Knapp auf dem alten Weil im Schönbucher Kirchhof, eingelassen in die Südwand der Martinskirche. Die Inschrift lautet:
Philip I Vers 23, ich hab Lust abzuscheiden um bey Christe meinem Herre zu sein.
Im Jahr nach Christi unsers Seligmachers geburt, 1626 den 18. Juni zwischen l und 2 Uhr nachmittnacht starb im Herrn seliglich der Ehrnwerst und hochgeachtet Herr Oseas Knapp weil-landt gewesener Waldvogt zu Tübingen, welcher dreier württembergischer Fürsten treuer Diener gewesen, den er in die XXX Jar der Jägerei und der Waldvogtei beigewohnet XI Jar, nützlich und löblich seines Alters LXII Jar, welchem Gott an Jenem tag eine fröhliche Auferstehung verleihen wolle. Amen.
1. Thomas, geb. am 15. Februar 1603
2. Michael, geb. am 30. Dezember 1604
3. Johann Georg, geb. am 3. März 1609, gestorben am 11. November 1609 auf dem Einsiedel.
4. Anna Maria, geb. am 1. Januar 1615, gestorben am 6. Dezember 1649 in Willmandingen, verheiratet am 17. November 1635 in Weil im Schönbuch mit Eusebius Hermann, geb. am 9. Dezember 1612 in Reutlingen, gestorben am 30. Mai 1655 in Willmandingen, reisiger (d. h. berittener) Amtmann zu Willmandingen, Sohn des Erhard Hermann, Ratsverwandter und Gastgeber zum Rebstock zu Reutlingen. Anna Maria zog mit ihrer Mutter 16jährig nach Reutlingen. Sie lernte dort ihren Mann kennen, mit dem sie im Sterbejahr ihres Stiefvaters 1635 in Weil im Schönbuch Hochzeit hielt. Das Fest war überschattet von der wohl schrecklichsten Katastrophe, die jemals über unsere Vorfahren kam, denn im Sommer 1635 brach die Pest aus.
Die sechs Kinder der Familie Hermann waren öfter zu Besuch bei der Großmutter in Weil im Schönbuch, vor allem als ihre Mutter mit 34 Jahren bei der anstehenden siebten Geburt gestorben war.
Nur wenige Menschen konnten zu Beginn des 17. Jahrhunderts in Weil im Schönbuch schreiben. Thomas Knapp hinterließ uns ausführliche Lebensbeschreibungen über die Familie Knapp. Die hochinteressanten Berichte schildern die gesellschaftliche Gliederung unserer damaligen Gemeinde. Sie geben Einblick in Sitte und Brauch, in Denk- und Lebensweise und Auskunft über zahlreiche Familien und ihre Aufgaben im 17. Jahrhundert.2
Der Waldvogt Oseas Knapp und sein Sohn Thomas, als sein Nachfolger, erscheinen in der Überlieferung als sehr trinkfeste Männer. Für damalige Zeiten ein hoher Ruhm. Von Oseas wird erzählt, er sei bei einem Besuch am herzoglichen Hof, vielleicht bei einem Tauffest, gefragt worden, ob er sich getraue, ein silbernes Badewännchen, wenn es mit Wein gefüllt werde, in einem Zug auszutrinken. Er habe gesagt, er müsse erst eine Probe machen, habe sich ins Vorzimmer zurückgezogen, hier das Gefäß mit geringerem Wein füllen lassen und es ausgetrunken. Dann sei er wieder eingetreten: Ja, es gehe, und habe das mit gutem Wein gefüllte Gefäß abermals bis zum letzten Tropfen geleert.
Von seinem Sohn Thomas heißt es, er habe durch einen Meistertrunk von den im Winterquartier liegenden Schweden eine glimpflichere Behandlung des Landes erlangt. Vermutlich handelt es sich dabei um zwei verschiedene Fassungen derselben Sage. Der österreichische Dichter Ludwig Mahnen hat im Jahre 1919 den Meistertrunk in einer Ballade3 besungen. Er schreibt ihn dem Waldvogt von Weil Oseas Knapp zu, der aber den Einfall der Schweden nicht mehr erlebt hat. Die Schweden kamen am 4. Juli 1630 nach Deutschland und Oseas Knapp starb am 18. Juni 1626. Sein Sohn Thomas könnte eher in Frage kommen.
Thomas Knapp, der älteste Sohn Oseas Knapps wurde am 15. Februar 1603 in Weil im Schönbuch geboren und ist hier auch am 25. Februar 1677 im Alter von 74 Jahren gestorben. Der Eintrag im Weiler Totenbuch lautet: “Herr Thomas Knapp, vieljähriger und zuletzt verleibdingter (d.h. mit Ruhegehalt verabschiedet) Waldvogt zu Tübingen, 74 Jahre alt, den 26. mit großer Frequenz zur Erden bestattet. Der getreue Gott erwecke seinen Leichnam mit Freuden“. 1624 seinem Vater als Gehilfe beigegeben, mit 23 Jahren 1626 Waldvogt zu Tübingen und im Schönbuch mit dem Amtssitz zu Waldenbuch. Hier sind er und seine Ehefrau von 1625-1645 etliche sechzigmal als Taufpaten eingetragen. Nach dem Einfall der Kaiserlichen 1634 lebte er zeitweise zu Tübingen, so 1635 und wieder 1643-1647 zeitweise auch zu Weil. Verheiratet am 15. 9. 1629 in Herrenberg mit Agnes Eisenkrämer, geb. am 3. 3. 1609 in Pfullingen, gestorben am 14. 4. 1681 in Waldenbuch, Tochter des Melchior Eisenkrämer, Bürger zu Pfullingen, u. s. G. Agnes Andler von Herrenberg. Thomas Knapp wurde mit 70 Jahren in den Ruhestand verabschiedet. Sonst war man bis zum Tod Amtsstelleninhaber.
Erstveröffentlichung: Walter Hahn, Heimatbuch Weil im Schönbuch – Breitenstein – Neuweiler. Hrsg. von der Gemeinde Weil im Schönbuch, 1988, S. 176 – 183.
Der Text wurde gekürzt.
Der Autor, Walter Hahn, (1925-2012) war Schulrektor und Chronist der Gemeinde Weil im Schönbuch. Der gebürtige Weilemer veröffentlichte mehrere Bücher über den Schönbuch und legte ein umfangreiches Fotoarchiv an; 1988 erschien sein Heimatbuch Weil im Schönbuch.
Mit freundlicher Genehmigung der Gemeinde Weil im Schönbuch
Referenz
↑1 | Zu seinen Aufgaben gehörte u.a.: Die Inspektion des Forstes, die sog. Schönbuchbereitung in Begleitung eines Regierungsbeauftragten, die Verwaltung und Kassenführung für die sechs Schönbuchhuten (Reviere – für jede Hut war ein Forstknecht zuständig), das Abstrafen von Forstfrevel in Vertretung des Herzogs und das Rügen allgemeiner Vergehen. Dazu gab es zwei Instanzen: 1.Das Thädingsgericht (Schiedsgericht), das sich aus dem Waldvogt, seinen Förstern und meist noch einem Schultheißen zusammensetzte. Ausgesprochen wurden meist Geld- auch Turmstrafen, die im Schloss Waldenbuch oder ab 1807 im Schreibturm in Bebenhausen abzusitzen waren. 2.Das Schönbuchgericht, das zu festgesetzten Terminen tagte und auch Berufungsinstanz war. Einer der drei Tagungsorte war Weil im Schönbuch. |
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↑2 | Aufzeichnungen des Thomas Knapp, abgedruckt in Walter Hahn, Heimatbuch Weil im Schönbuch Breitenstein Neuweiler, hrsg. von der Gemeinde Weil im Schönbuch, 1988, S. 178-181. |
↑3 | Hoseas Knapp, der Waldvogt zu Weil; abgedruckt in Walter Hahn, Heimatbuch Weil im Schönbuch Breitenstein Neuweiler, hrsg. von der Gemeinde Weil im Schönbuch, 1988, S. 181-183. |