Ihre Herkunft und die Verbindung zu General de Gaulle
Die Dagersheimer Schulmeisterfamilie Kolb
Autor: Karl Heß
Im Gedenkjahr an den Dagersheimer Schulmeister und Pietisten Immanuel Gottlieb Kolb (1784-1859) mit dem 200. Geburtstag und 125. Todestag wird gewöhnlich erwähnt, dass schon sein Urgroßvater Schulmeister in Dagersheim war. Aber darüber hinaus sind noch fünf weitere Generationen Kolb bekannt, wovon drei auch schon Schulmeister am Schönbuch und im Gäu waren. Anlass zur weiteren Nachforschung nach der Herkunft dieses Stammes Kolb waren aber nicht die Dagersheimer Schulmeister, sondern der französische Staatspräsident General Charles de Gaulle, der bei seinem Staatsbesuch in der Bundesrepublik im September 1962 bei einer Pressekonferenz den staunenden Zeitungsleuten erzählte, er sei deshalb so gern nach Baden-Württemberg gekommen, weil der Großvater seiner mütterlichen Großmutter, also sein Ururgroßvater Louis-Philippe Kolb aus Durlach stamme.
Louis-Philippe Kolb war, wie bei den einsetzenden Nachforschungen festgestellt wurde, am 19. August 1761 im benachbarten Grötzingen geboren; nach dem frühen Tod des Vaters kam die Familie durch eine 2. Heirat der Mutter nach Durlach. Eine eingehende Darstellung der Abstammung hat der als gründlicher Familienforscher bekannte Ernst-Otto Braasch erarbeitet („Die baden-württembergischen Vorfahren von General Charles de Gaulle“ im Archiv für Sippenforschung 1965/66 S. 289 und 415).
Der Stammvater Andreas Kolbe (auch Colbius, lat. Pyphäus) kam aus Heyda bei Bamberg und wurde 1539 an der Universität Marburg immatrikuliert, was damals nicht nur für Studenten, sondern auch für geschäftlich mit der Hochschule verbundene Personen üblich war (als “Universitätsverwandte“). Kolbe war nämlich Buchdrucker und machte sich als solcher 1543 in Marburg selbständig; unter anderem wurde die Hessische Kirchenordnung von 1566 bei ihm gedruckt. Ein Sohn Augustin Kolbe führte die Universitätsdruckerei fort, ist aber schon 1585/86 gestorben. Dessen Sohn Peter Kolb kam auf seiner Wanderschaft nach Tübingen, wo er als Geselle in der Druckerei Georg Gruppenbach arbeitete, wo auch die erste württembergische Bibel und ein Großes und Kleines Kirchengesangbuch für Württemberg gedruckt wurden. Er heiratete 1592 in Tübingen. Nach dem Bankrott der Druckerei finden wir Peter Kolb ca. 1606-10 als Schulmeister in Bondorf wieder (Ortssippenbuch Bondorf 1983 Nr. 1341); nach dem Tod seiner ersten Frau wird er hier mit der Witwe des Jerg Sinner in Tübingen Anna geb. Heß proklamiert, Heirat in Tübingen am 3. Mai 1609. Ihre Eltern sind der Beck Matthes Heß und Elisabeth Hosch, die durch ihren Sohn Christoph auch zu den Vorfahren von Grace Kelly, Fürstin von Monaco, gehören. Später ist er Schulmeister in Entringen, wo er am 30. Juni 1640 begraben wurde. Der Sohn Johannes Walter Kolb ca. 1617-82 wirkte seit 1651 als Schulmeister in Liebenzell, ab 1664 im Heimatort Entringen. Nachfolger ist dann dessen Sohn Johann Konrad Kolb (1653-1690), der bei seinem frühen Tod aus der Ehe mit Anna Dorothea Göbtfried (1656-1733) drei Söhne hinterlässt, mit denen sich die Abstimmungslinien des Generals de Gaulle und der Dagersheimer Schulmeister trennen. Neben dem Schulmeister-Beruf kamen durch die Heirat Göbtfried auch der Beruf des Barbiers und Chirurgen bei den weiteren Nachkommen herein, wie später auch beim mütterlichen Großvater von Immanuel Gottlieb Kolb, Johann Friedrich Metzger in Schönaich, diese beiden Berufe vereinigt sind.
Der französische Staatspräsident Charles de Gaulle bei einem Empfang zur Einweihung der deutschen Botschaftsresidenz im Palais Beauharnais in Paris 1968. Über seinen 1761 im badischen Grötzingen geborenen und später nach Frankreich ausgewanderten Ur-Urgroßvater Louis-Philipp Kolb ist er mit der gleichnamigen Dagersheimer Schulmeisterfamilie verwandt. (Bild: Wikimedia Commons / Bundesarchiv, B 145 Bild-F026330-0032 / Gathmann, Jens / CC-BY-SA 3.0)
Ludwig Philipp Kolb, der Vorfahr de Gaulles, kam in jungen Jahren ins Schweizer Regiment des Fürstbischofs von Basel und damit ins Innere Frankreichs. Als schweizerische Truppen in der Revolution den französischen König bis zum letzten Blutstropfen verteidigten, wurden die Schweizer Regimenter im September 1792 aufgelöst, weil sich der ganze Hass der französischen Revolutionäre gegen sie richtete. Ludwig Philipp Kolb machte von der Möglichkeit Gebrauch, als französischer Staatsbürger im Lande zu bleiben, und brachte es zu einer bedeutenden Stellung in der französischen Tabakregie und zum Ritter der Ehrenlegion.
In Dagersheim haben Angehörige der Familie Kolb, einschließlich eines Schwiegersohnes Jakob Walter, in vier Generationen die Schule betreut, von 1716 bis 1850; dabei hatte der erste Georg Christoph Kolb, der aus Entringen kam, eine Dienstzeit von 41 Jahren, sein Urenkel, eben der Dagersheimer Ehrenbürger Immanuel Gottlieb Kolb, eine Dienstzeit von 43 Jahren! Sicher hat sich bei diesem letzten Schulmeister der Kolb in Dagersheim nicht nur die besondere Anlage und Hingabe für den Lehrerberuf erneut verstärkt, er ist auch bewusst ledig geblieben und konnte so seine ganze Kraft der Schule und später auch der Hahn’schen Gemeinschaft widmen, in die er rasch hineinwuchs, um nach dem Tod des Gründers Michael Hahn im Jahre 1819 einer der führenden Köpfe und Mitherausgeber von Hahn’s Schriften zu werden.
Die Dagersheimer Schulmeister sind in dem nach Aufzeichnungen von Lehrer Friedrich Essig herausgegebenen Heimatbuch (1966) im einzelnen aufgeführt; die Lehrer aus der Linie Kolb ergeben sich auch aus der anschließenden Ahnenliste von I. G. Kolb.
Ahnenliste von Immanuel Gottlieb Kolb
Leider ist es nicht möglich, eine vollständige Zusammenstellung der Vorfahren Kolbs zu geben; schon bei den Urgroßeltern treten die ersten Lücken auf, weil die Kirchenbücher der Herkunftsgemeinden der mütterlichen Großeltern Metzger/Dürner im letzten Krieg verloren gingen. Die Kirchenbücher von Schönaich glaubte man im unterirdischen Tresor der Zentralkasse der württembergischen Genossenschaftsbanken in Stuttgart sicher, doch kam dieser bei einem Fliegerangriff ins Glühen; die dunkelbraun verkohlten Blätter konnten nur teilweise noch gelesen und abgeschrieben werden. In Dettingen unter Teck wurden die alten Kirchenbücher bei einem Fliegerangriff am 20. April 1945 zerstört. Trotzdem bleibt die Übersicht interessant, vor allem durch die starke Verbindung mit Dagersheimer Familien durch die Heiraten der beiden ersten Schulmeister Kolb.
Ahnenliste von Immanuel Gottlieb Kolb (1784 - 1859) als pdf-Dokument einsehen
Gemeinsame Stammlinie Kolb – De Gaulle. (Aus: Die Dagersheimer Schulmeisterfamilie Kolb – Ihre Herkunft und ihre Verbindung zu General de Gaulle. In: Heimat Schönbuch und Gäu. Ausgewählte Beiträge zur Geschichte einer Landschaft und ihrer Menschen, Festgabe für Landrat i. R. Karl Heß zu seinem 75. Geburtstag am 10. August 1986, S. 136-142.)
Erstveröffentlichung: Heimat Schönbuch und Gäu. Ausgewählte Beiträge zur Geschichte einer Landschaft und ihrer Menschen. Festgabe für Landrat i. R. Karl Heß zu seinem 75. Geburtstag am 10. August 1986, S. 136-142. (Veröffentlichung des Heimatgeschichtsvereins für Schönbuch und Gäu e.V., Bd. 17). Der Artikel erschien erstmals im Jahre 1984 in der heimatgeschichtlichen Beilage des Böblinger Boten “Aus Schönbuch und Gäu“, S. 27 - 28.
Mit freundlicher Genehmigung des Familie Heß und des Heimatgeschichtsvereins für Schönbuch und Gäu e.V.
Der Autor, Karl Heß, war Jurist und von 1952 – 1972 Landrat des Kreises Böblingen. Der engagierte Heimat- und Familienforscher gehörte 1947 zu den Gründungsmitgliedern der Arbeitsgemeinschaft für Geschichte und Altertumsforschung im Landkreis Böblingen und übernahm 1949 den Vorsitz des neu ins Leben gerufenen Heimatgeschichtsvereins für Schönbuch und Gäu.