Das Böblinger IBM-Labor wird im Jahre 2003 50 Jahre alt
Denkfabrik im Grünen
Quelle: Kreiszeitung / Böblinger Bote vom 28. April 2003
Kaum eine andere Branche hat den Alltag der Menschen in den vergangenen Jahrzehnten mehr verändert als die Informationstechnologie (IT). Computer, einst nur als mannshohe Kästen bekannt, stecken heute selbst im Handy oder der Kaffeemaschine. Das Böblinger IBM-Labor, das größte des Computerkonzerns außerhalb der USA, ist einer der Auslöser dieser rasanten Entwicklung und feiert in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag. Rund 1700 Mitarbeiter arbeiten dort an den IT-Produkten von morgen und übermorgen.
Das Labor liegt mitten in der Natur auf dem Schönaicher First. Dem Besucher drängt sich sofort die Vermutung auf, dass in den Gebäuden zerstreute Wissenschaftler ihren Träumen von einer vollautomatisierten Welt nachhängen. Dieses Klischee bringt Labor- Chef Herbert Kircher auf die Palme. In Deutschland reden alle über Forschung, aber nie über Entwicklung. Wir entwickeln in Böblingen Produkte für den Weltmarkt der IBM. Grundlagenforschung bleibe anderen Einrichtungen des Konzerns überlassen – zum Beispiel dem Labor im Schweizer Rüschlikon, das durch die Physik-Nobelpreise 1986 und 1987 bekannt geworden ist.
Begonnen hatte die Denkfabrik im Grünen 1953 mit acht Mitarbeitern. In Böblingen existierte nach dem Zweiten Weltkrieg ein IBM-Konstruktionsbetrieb für Lochkarten-Maschinen, der Basis für die Gründung des Labors war. Der amerikanische IBM-Gründer Thomas Watson zeigte sich bei einem Besuch begeistert von der Arbeit des ersten Labor-Leiters Karl Ganzhorn. «Geben Sie dem jungen Mann, was er wünscht», wies Watson sein deutsches Management an. Ende 1960 zog die auf 100 Köpfe angewachsene Mannschaft in einen Neubau auf dem heutigen Gelände.
In den 1960er Jahren entwickelte IBM in Böblingen Drucker, die immerhin bis zu 300 Zeilen in der Minute drucken konnten. Auch die maschinelle Erkennung von Handschriften stand schon auf dem Programm. Das Labor lag noch in der Nähe der IBM-Produktion in Sindelfingen. Heute stellt der Computerkonzern in Deutschland praktisch keine Hardware mehr her, die letzte Produktionsstätte in Mainz wird Ende 2003 geschlossen.
Zu den großen Erfolgen des Labors gehörte in den 1980er Jahren die Entwicklung neuartiger Chips, die stromsparender arbeiteten und damit immer preiswertere Rechner möglich machten. Vor wenigen Jahren waren die deutschen IBM-Tüftler maßgeblich daran beteiligt, dass das freie Betriebssystem Linux innerhalb des Konzerns und schließlich in der gesamten Branche hoffähig wurde.
Die Böblinger Entwickler beschäftigten sich mit neuer Hardware, Software und Dienstleistungen und blicken dabei immer zehn Jahre in die Zukunft. «Wir haben gemischte Teams aus erfahrenen Hasen und jungen Wilden», erklärt Kircher. Die Mixtur soll Experimentierfreude gewährleisten, ohne dass dabei Chaos ausbricht. Um sich den besten Nachwuchs zu sichern, hält IBM engen Kontakt zu den Universitäten. Pro Jahr stellen sich mehr als 1000 Bewerber vor, 100 bis 150 von ihnen bekommen einen Arbeitsvertrag. Selbst im vergangenen Jahr, als IBM insgesamt Personal abbaute, stellte das Labor neue Mitarbeiter ein.
Das IBM-Entwicklungslabor auf dem Schönaicher First ist das größte Entwicklungszentrum außerhalb der USA. Rund 1700 Beschäftigte aus 30 Nationen arbeiten derzeit am Böblinger Standort nahe Schönaich. (Quelle: IBM)
Mit freundlicher Genehmigung der Kreiszeitung / Böblinger Bote
Die Tage des IBM-Forschungslabors auf dem Schönaicher First sind mittlerweile gezählt. Im Jahre 2018 gab die IBM bekannt, dass der Standort Böblingen aufgegeben wird. Das Labor soll in einen Neubau in Ehningen umziehen, wo sich bereits die Deutschlandzentrale der Firma befindet.
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