Rennfahrer Christian Lautenschlager fährt von Sieg zu Sieg
13Zeilen war er der Tageszeitung wert, der Mann, der Motorsportgeschichte schrieb: Christian Lautenschlager. Ein Magstadter, der 1899 seine Karriere als Rennfahrer begann und zu denen gehörte, die den Rennsport salonfähig machten.
Die Meldung vom 9. Juli 1908: „Die deutsche Automobilindustrie hat auf der Automobil-Rennstrecke bei Dieppe (Frankreich) vier der ersten Plätze belegt, davon die einheimische (Daimler) zwei: nämlich den ersten und fünften. Der erste Sieger mit einem Mercedeswagen ist der 31 Jahre alte in Magstadt geborene Christian Lautenschlager. Derselbe war von 1899 bis 1905 bei der Daimler-Motoren-Gesellschaft als Monteur in der Wagenmontierung tätig. Seit 1905 ist er als Fahrmeister bei derselben Firma angestellt. Er fuhr im Jahr 1906 mit Salzer als Mechaniker die großen Rennen, die dieser bestritten hat, mit.“ (…)
Zwei Tage später jubelte die örtliche Presse: „Wir haben bereits den glänzenden Triumph der deutschen Automobilindustrie im Grand Prix von Dieppe gewürdigt, wobei ein deutscher Mercedeswagen aus der Daimler-Motorenfabrik Untertürkheim, gesteuert von einem deutschen Fahrer, das von so vielen Nationen mit dem erlesensten Material an Rennfahrern bedeutendste Automobilrennen der Welt gewann.“ 47 Rennwagen waren am Start. 32 französische und belgische, neun deutsche und sechs italienische Fahrzeuge, so die Bezeichnung für die damaligen Rennboliden. „Lautenschlager brauchte für die 769 Kilometer 880 Meter sechs Stunden, 45 Minuten 43 Sekunden, was einer Stundendurchschnittsgeschwindigkeit von 114 Kilometern entspricht.“
Christian Lautenschlager auf Mercedes vor dem Start zum Großen Preis von Frankreich bei Dieppe im Jahre 1908. (Foto: Mercedes-Benz Classic)
Der Zeitgeist dokumentiert sich in der Sprache des Berichterstatters. Christian Lautenschlagers Rennerfolg verleitete zu Jubelarien mit nationalen Klängen: „Niemals war Deutschland so stark in diesem größten Rennen vertreten wie heuer. Unter den ersten sieben Siegern sind nicht weniger als sechs deutsche Wagen, Tatsache, die seit Bestehen des Automobilsports noch niemals zu verzeichnen gewesen ist und die in der Geschichte des Automobilsports besonders registriert zu werden verdient. (…) Der Löwenanteil in diesem deutschen Sieg entfällt erfreulicherweise auf unsere heimische Industrie; die rühmlich bekannte Leistungsstärke der Daimler-Motorenwerke in der Herstellung von Motoren sowohl für das Gebiet des Automobilbaus wie für das der Luftschifffahrt und des Schiffsbaus wurde damit aufs neue glänzend bestätigt… Der Erfolg war außergewöhnlich. Noch niemals erlitten sowohl Franzosen wie die Italiener eine solch kolossale Niederlage wie diesmal.“
Christian Lautenschlager, so eine Meldung der Cannstatter Zeitung vom 31. August 1908, siedelte mit Frau und beiden Kindern nach Amerika über, um „einen Antrag des Multimillionärs Vanderbilt anzunehmen und dauernd als Chauffeur tätig zu sein.“ Das war dann wohl eher eine Zeitungsente, denn der Magstadter fuhr weiterhin erfolgreich Rennen auf Mercedes. So gewann er 1914 kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges erneut den Grand Prix von Frankreich und bestritt nach Ende des Krieges bis 1923 nicht minder sieg- und erfolgreich Automobilrennen. Christian Lautenschlagers Kinder, Enkel und inzwischen Urenkel sind Magstadter geblieben. Zwei Generationen hatten keine große Beziehung zum Automobil- und Rennsport. Nur Urenkel Torsten Lautenschlager spürt die Lust am Rennsport. Doch nüchtern bilanziert der Maschinenbauingenieur: „Ich wäre schon gerne Rennfahrer geworden. Aber ohne große Sponsoren hast du keine Chance, hast im Prinzip nie Geld. Da habe ich das Thema abgehakt.“ Karosseriebau in der von ihm vor zehn Jahren gegründeten Firma in der Blumenstraße ist dann seine Bindung zum Thema Auto. (…)
Erstveröffentlichung: Das 20. Jahrhundert im Spiegel der Zeit. Der Kreis Böblingen im Rückblick von 100 Jahren. Röhm Verlag, Sindelfingen 1999, S. 24.
Der Text wurde gekürzt.
Weblinks
Rennfahrer Christian Lautenschlager – Kolumne von Gerhard Raff in der Stuttgarter Zeitung vom 08.01.2004
Mein Ur-Urgroßvater – der schwäbische Rennfahrer
Mit freundlicher Genehmigung der Sindelfinger Zeitung / Böblinger Zeitung