„LEO – muß bleiben“
Der Landkreis Leonberg und seine Bemühungen um Erhalt seiner Eigenständigkeit
50 Jahre Landkreis Böblingen
Von Debora Fabriz
Die Planungen des Innenministeriums der Großen Koalition zur Kreisreform sahen eine Kürzung der Anzahl der Kreise vor. Der Kreis Leonberg gehörte zu jenen Kreisen, die aufgelöst werden und nicht wieder neugebildet werden sollten, sondern deren Gemeinden auf die neu zu bildenden, benachbarten Landkreise verteilt werden sollten. Mit großem Engagement – aber letztlich erfolglos – wandten sich gegen diese Planungen der Landkreis mit seinen Gemeinden und Bürgerinnen und Bürgern.
Die Landesregierung veröffentlichte ihr „Denkmodell“ zur Kreisreform im Dezember 1969. Dieses sah die Auflösung des Landkreises Leonberg vor und die Aufteilung der Kommunen auf drei neu zu bildende Landkreise. Für einen „Verdichtungsraum“ weise der Landkreis eine zu geringe Einwohnerzahl auf, so die Begründung. Kreise in „Verdichtungsräumen“ sollten eine Einwohnerzahl „erheblich über 150.000“ haben. Mit 133.570 Einwohnern lag Leonberg zu dieser Zeit darunter.
Leonbergs Landrat Wolfgang Ramsauer wandte sich noch im gleichen Monat in einer Presseerklärung gegen die Auflösung seines Landkreises. Zu Beginn des neuen Jahres 1970 befasste sich der Kreistag mit der Gefahr des drohenden Verlusts der Eigenständigkeit in der Hoffnung, eine Auflösung des Landkreises doch noch abwenden zu können. Im Nachgang der Kreistagssitzung vom 12. Mai 1970 gab der Landkreis eine Denkschrift zur Kreisreform heraus, in der detailliert und argumentativ Stellung gegen die geplante Auflösung des Kreises bezogen wurde. Der Kreistag beschloss in seiner Sitzung am 28. Juli 1970 einstimmig, eine Kommission aus seinen Mitgliedern zur Festlegung des „weiteren Vorgehens“ zu bilden.
Aus der Bürgerschaft bildete sich im November 1970 das Bürgerkomitee für den Erhalt des Landkreises Leonberg, dem auch die Kommission des Kreistags angehörte, und bereitete eine Volksabstimmung vor. Einer seiner Aufrufe in der Leonberger Kreiszeitung für die Teilnahme an der Volksabstimmung und den Fortbestand des Landkreises in Anspielung auf das Leonberger Kfz-Kennzeichen ‚LEO‘ lautete: „Wenn der Kreis Leonberg aufgelöst wird, dann müssen Sie das weltbekannte LEO-Schild gegen das blasse BB vertauschen. Löwe oder BB?“. Ein weiterer Slogan war: „LEO – muß bleiben“. Von einer anderen Quelle wurde ein Gedicht in der Leonberger Kreiszeitung abgedruckt, das unter anderem die Passage enthielt: „Doch führ ich LEO in dem Schild / Dann ist die ganze Welt im Bild! Und dieses schöne Löwen-Zeichen, / das soll nun einer BB weichen! // Das LEO, das an allen Orten / uns und andern lieb geworden, / LEO bekannt und originell / wird zerstört durch’s Denkmodell!“
Im Dezember 1970 flog ein Sportflugzeug über das Gebiet des Landkreises, das auf einem Banner den Aufruf „RETTET DEN KREIS LEONBERG“ an den Himmel setzte. Gesponsert wurde dieses aufsehenerregende und weithin sichtbare Zeichen für die Volksabstimmung von Helmut Kraft, einem Leonberger Unternehmer. Diese Abstimmung fand am 17. Januar 1971 im Landkreis Leonberg mit einer Wahlbeteiligung von 75 Prozent statt. Das Ergebnis war eindeutig: Mit 94,5 Prozent der abgegebenen Stimmen votierte die Bevölkerung für den Erhalt des Landkreises.
Einen Monat zuvor, am 8. Dezember 1970, hatte der Kreistag einstimmig die Auflösung des Landkreises abgelehnt. Ebenfalls hatten sich sämtliche Gemeinderatsgremien gegen seine Auflösung gewandt und sich für den Erhalt des Landkreises ausgesprochen.
Die wenige Tage nach der Volksabstimmung beschlossene Regierungsvorlage mit dem Inhalt der Auflösung des Landkreises Leonberg führte folglich zu „allgemeine[r] Enttäuschung und Bestürzung“ im Landkreis. In der Leonberger Allgemeinen wurde folgender Kommentar zur Regierungsvorlage abgedruckt, „Todes-Voranzeige: Nach 15stündiger Beratung der Kreisreformärzte im Landeskrankenhaus ‚Bad.-Württ. Landtag‘ liegt der schon nach früherem Beschluß zu sezierende Patient, der Landkreis Leonberg, kurz nach seiner vom starken Lebenswillen getragenen Wahleuphorie nach dem Willen der Politprofessoren von der SPD und CDU an akutem Kreislaufversagen in der Agonie. Da dem Patienten jede Sauerstoffzufuhr (Zuteilung kreisangrenzender Gemeinden) verweigert wurde, steht sein Ableben im Jahr 1972 fest […]“.
Zum 31. Dezember 1972 wurde der Landkreis aufgelöst. Gemessen an der Einwohnerzahl gingen ca. 52 Prozent des Landkreises Leonberg mit der Stadt Leonberg, dem bisherigen Kreissitz, zum neu gebildeten Landkreis Böblingen, ca. 42 Prozent zum neu gebildeten Landkreis Ludwigsburg und ca. 6 Prozent zum neu gebildeten Enzkreis. Die Zulassung von neuen Kfz-Kennzeichen ,LEO‘ für Leonberg wurde 1972 eingestellt. Im Jahr 2013 wurde das Unterscheidungszeichen ‚LEO‘ für die Bürgerinnen und Bürger des heutigen Landkreises Böblingen neben dem ‚BB‘ wieder eingeführt und erfreut sich seitdem großer Beliebtheit.
Quellen: Bestände des Kreisarchivs Böblingen und des Stadtarchivs Leonberg; mit herzlichem Dank an das Team des Stadtarchivs Leonberg – insbesondere auch an die Stadtarchivarin i. R. Bernadette Gramm – für Auskunft und Benutzung der Bestände.