Heilkundige und Helferin
Maria Andreae aus Herrenberg
Autor: Hans-Dieter Frauer
Was wären Männer ohne ihre Frauen, was Söhne ohne ihre Mütter? Die Luther-Gattin Katharina von Bora besorgte den Haushalt (und einiges mehr) und hielt so ihrem Mann den Rücken frei für seine Arbeit. Johanna Regina Bengel, die Ehefrau von Johann Albrecht Bengel, gebar nicht nur zwölf Kinder, sie erlernte in ihrer Ehe auch die altgriechische Sprache, um ihrem Mann eine kongeniale Gesprächspartnerin sein zu können. Viele Theologen wurden von ihren frommen Müttern geprägt und Frauen haben vor allem mit Briefen, Liedern und von ihnen verfassten Büchern die Reformation (und später den Pietismus) gefördert und verbreitet. Auch der bedeutende Herrenberger Johann Valentin Andreae (1586-1654) war stark von seiner Mutter geprägt und beeinflusst.
Maria Moser wurde 1550 in Herrenberg geboren. Ihr Vater war der Herrenberger Vogt Valentin Moser, ihre Mutter war Margarethe Hiller, eine Tochter von Marx (= Markus) Hiller, Herrenberger Bürgermeister und Vogt: sie gehörte daher zum Stand der württembergischen Ehrbarkeit. Mit neun Jahren verlor sie ihre Mutter. Ihre weitere Erziehung übernahm ihre verwitwete Großmutter. Bei ihr lernte Maria so gut lesen und schreiben, dass sie für ihre Gewandtheit darin noch in späteren Jahren gerühmt wurde.
Großmutter Katharina Hiller lebte als Begine, eine jener frommen Frauen, die – ohne einem Orden anzugehören – ein vom Glauben geprägtes Leben führte. So unterhielt sie in ihrem Haus eine kleine Krankenstation. Maria wurde in die Arbeit eingebunden und sie erlernte dabei Wichtiges über Arzneipflanzen, Heilkunde, Anbau Krankenpflege und Armenhilfe. Die soziale, gemeinnützige Arbeit mit der Großmutter prägte denn auch ihr eigenes Wirken.
Bereits mit 15 Jahren besuchte Valentin die Tübinger Hochschule und studierte dort mit Heißhunger alte und neue Sprachen, Philosophie, Mathematik und Geschichte. Nebenher beschäftigte er sich fleißig mit der Literatur, der Malerei, der Musik und der Astronomie.
Nach dem Tod der Großmutter leitete die junge Maria den Haushalt ihrer Familie, 1576 heiratete die 26jährige Johannes Andreae (1554-1601), Pfarrer zuerst in Hagelloch, dann in Mössingen. 1582 kehrte sie wieder in ihre Geburtsstadt Herrenberg zurück, weil ihr Mann dort Superintendent (Dekan) geworden war. Er hatte dieses Amt von 1582 bis 1591 inne und wurde dann Abt im ehemaligen Kloster Königsbronn (heute Landkreis Heidenheim), das unter Herzog Christoph in eine evangelische Klosterschule umgewandelt worden war. Im Herrenberger Dekanat, das sich damals unweit der Spitalkirche befand, wurde 1586 Johann Valentin als fünftes ihrer acht Kinder geboren.
Die im Jahr 1601 mit 51 Jahren verwitwete Frau widmete sich nun der Erziehung ihrer Kinder. 1607 übernahm sie die Leitung der Hofapotheke in Stuttgart. Später lebte sie abwechselnd bei ihren verheirateten Töchtern und Söhnen, bis sie 1622 schließlich ganz nach Calw übersiedelte, wo ihr Lieblingssohn Johann Valentin Dekan war. In Calw ist sie am 25. Januar 1632 im hohen Alter von 82 Jahren gestorben. vier Geistliche und zwei Ratsherren trugen den Sarg: eine damals höchst ungewöhnliche Ehrung für die wegen ihrer rastlosen und segensreichen Tätigkeit als „Mutter der Stadt“ bezeichnete Frau.
Eingangstür in das Haus Schuhgasse 4 in Herrenberg. Das heutige Gebäude stammt aus der Zeit nach dem großen Stadtbrand 1635. Zuvor stand hier das Geburtshaus von Maria Andreae, geb. Moser. (Bild: S. Kittelberger)
Maria Andreae ist eine jener zahlreichen Pfarrfrauen, die mehr waren als die Gehilfin ihres Mannes. So hat sie – jung verheiratet – in Hagelloch planvoll Heilkräuter angepflanzt. Über dieser Heilkräuterzucht, die ihr bei der Krankenfürsorge trefflich zustatten kam, lernte sie Herzogin Sybilla von Württemberg kennen. Sybilla verschaffte ihr die Leitungsstelle an der Stuttgarter Hofapotheke. Maria Andreae nutzte die Zeit, um ein (heute leider verschollenes) Heilkräuterbuch zu verfassen.
Nach dem Tod des Herzogs im Jahre 1608 folgte sie Sybilla auf ihren Witwensitz nach Leonberg. Als Heinrich Schickardt dort ein Jahr später den berühmten Pomeranzengarten anlegte, war Maria Andreae sicherlich eine wichtige Beraterin.
Die fromme und gelehrte Frau las jedes Jahr einmal die Bibel durch und ihre Mildtätigkeit trug ihr den Ehrennamen „Mutter des Landes“ ein. Mit ihrem vier Jahre jüngeren Mann führte sie eine glückliche Ehe, obwohl die beiden Charaktere und Interessen durchaus unterschiedlich waren. Maria war eine fleißige, mutige und energische Frau, ihr Mann hing mehr den zeitüblichen alchemistischen Gedankenspielen nach und verlor bei seinen naturwissenschaftlichen Versuchen einen Großteil des Familienvermögens. Es war die Zeit des naturwissenschaftlichen Suchens. Aus der Alchemie entstand erst nach und nach eine ernsthafte Wissenschaft und über seinen Forschungen verbrauchte der Herrenberger Dekan sein Geld.
Die Wohltäterin der Stadt Calw wurde bei ihrer Bestattung hoch geehrt, sie wurde aber wegen der Wirren des 30jährigen Krieges schon bald vergessen; nicht einmal ihr Grab in Calw ist bekannt. Ihrem Sohn blieb sie jedoch unvergessen: Unter dem Titel „Mariae Andreanae merita materna praedicata a filio Johanne Valentino Andreae Anno Christi M.DC.XXXII“ verfasste er ihre Lebensbeschreibung. Sie ist allerdings im schwer verständlichen Latein des 17. Jahrhunderts verfasst und lädt auch deshalb nicht eben zur Lektüre ein. 1995 wurde die Schrift im Stuttgarter frommann-holzboog-Verlag neu aufgelegt und ist seither auch in einer deutschen Ausgabe verfügbar.
Johann Valentin Andreae (1586-1654), der berühmte protestantische Theologe, war das fünfte von insgesamt acht Kindern Maria Andreaes. Kupferstich von Johann Pfann. (Aus: 450 Jahre Reformation in Stadt und Amt Herrenberg, Herrenberg 1984, S. 14)
Mit freundlicher Genehmigung des Autors
Der Autor Hans-Dieter Frauer ist Historiker und Publizist. Er lebt in Herrenberg und ist ein ausgewiesener Kenner der württembergischen Geschichte und Kirchengeschichte. Er hat mehrere Bücher verfasst und ist ein gefragter Vortragsredner.
Links und Literatur
Johann Valentin Andreae: Mariae Andreanae merita materna praedicata a filio Johanne Valentino Andreae Anno Christi M.DC.XXXII. In: ders.: In bene meritos gratitudo. L. Zetzner, Straßburg 1633, S. 37–80. Neuausgabe und Übersetzung: Die Verdienste der Mutter Maria Andreae, beschrieben von ihrem Sohn Johann Valentin Andreae im Jahre Christi 1632. In: Frank Böhling u.a. (Hrsg.): Nachrufe, autobiographische Schriften, Cosmoxenus. (Johann Valentin Andreae. Gesammelte Schriften 2) Frommann-Holzboog, Stuttgart-Bad Cannstatt 1995, ISBN 3-7728-1428-X, S. 30–97.
Hermann Ehmer: Maria Andreae – Heilkundige und Helferin der Armen (1550-1632). In: Adelheid M. von Hauff (Hrsg.): Frauen gestalten Diakonie, Bd. 1, Von der biblischen Zeit bis zum Pietismus, Stuttgart 2007, S. 337-344.
Der Artikel ist auszugsweise zu lesen bei Google Books https://books.google.de/books?id=wuK0JkR5qo8C&pg=PA337&hl=de&source=gbs_toc_r&cad=2#v=onepage&q&f=false
Maria Andreae in der Frauengeschichtswerkstatt Herrenberg
Maria Andreae in Frauenweg in Calw