Mönchberg in der Herrenberger Oberamtsbeschreibung von 1855
„… Halbkretine und Kropftragende waren früher nicht selten“
Autor: Eduard Paulus
Mönchberg, Gemeinde III. Klasse, Dorf mit 465 Einw., wor. 2 Kath. Pfarrfilial von Kayh; die Kath. sind nach Altingen eingepfarrt.
Der 1/8 Stunde nördlich vom Mutterort1 – und 1 Stunde südöstlich von der Oberamtsstadt – gelegene Ort, besteht aus zwei Theilen, aus dem eigentlich Mönchberg und aus dem ehemaligen Benzingen und Bronn. Der erstere Theil hat eine hohe, äußerst freundliche Lage auf einem schmalen Vorsprung der Schönbuchsterrasse, von dem man eine ausgezeichnet schöne Aussicht über das Gäu und an einen großen Theil des Steilabfalls der Alp genießt. Am westlichen Ende der Häusergruppe, welche aus meist kleinen, etwas armselig ausstehenden Wohnungen besteht, liegt auf der äußersten Spitze des Vorsprungs die 1748 in einem ganz einfachen Styl erbaute Kirche. Sie bildet im Verein mit dem von der früheren Kirche noch stehen gebliebenen, vereinzelten Thurm und einer schönwüchsigen, kräftigen Linde eine sehr malerische, der ganzen Umgegend zur Zierde gereichende Partie. Hier stand früher ein Mönchshaus, nebst Kirchlein, Oeconomiegebäuden und einem Meßnerhaus, das später einem Forstknecht zur Wohnung diente; sämmtliche Gebäude waren mit einer namhaften Mauer umfaßt und wurden 1748 mit Ausnahme dieser und des Thurms von der früheren Kirche abgebrochen und an ihre Stelle die Kirche auf Kosten des Kirchenguts erbaut, wozu jedoch die Gemeinde die Frohnen hergab und einen Geldbeitrag leistete; unter der Kirche befindet sich gegenwärtig noch ein großer Keller (sog. Kapuziner-Keller). Der frühere Klosterhof dient nun als Begräbnißplatz. Der 15 Fuß von der Kirche nördlich stehende viereckige Thurm ist sehr alt und stammt noch aus der früh romanischen Periode; (…)
Die im östlichen Theil des Orts gelegene Schule ist ein unansehnliches Gebäude, in welchem sich auch der 1851 errichtete Gemeinde-Backofen befindet; der Schullehrer wohnt in einem abgesonderten, der Gemeinde gehörigen Hause unfern der Kirche. Neben der Volksschule besteht auch eine seit 1852 errichtete Nähschule.
Auf dem Mönchberg befindet sich kein Brunnen, die Einwohner müssen daher ihr Wasser in dem unteren Theile des Dorfes, das Kochwasser aber beinahe 1/4 Stunde östlich vom Dorfe am Abhange des Schönbuchs holen; in der Nähe der Kirche ist eine Wette angelegt, die übrigens bei anhaltend heißer Witterung eintrocknet.
Der untere Theil des Dorfes, das ehemalige Benzingen und Bronn, liegt in einer Entfernung von einigen hundert Schritten theils am Fuß, theils am Abhang des Mönchbergs; derselbe besteht ebenfalls aus meist unansehnlichen Gebäuden, und enthält das vor etwa 30 Jahren erbaute Rathhaus.
Mit Wasser ist dieser Ortstheil hinreichend versehen, indem sich hier zwei stark laufende Brunnen befinden, die das ganze Jahr hindurch gleichmäßig fließen. (…) Beide Brunnen sind sehr gipshaltig, auch soll der erste Salztheile führen, daher er den Salzbrunnen und sein Abfluß der Salzgraben genannt wird; es muß daher für den unteren Dorftheil das Kochwasser in ziemlicher Entfernung östlich vom Ort geholt werden, wo es zuweilen auch ausgeht, so daß man zu den Brunnen in dem 1/2 Stunde westlich vom Ort gelegenen Gültstein seine Zuflucht zu nehmen genöthigt ist.
Die Einwohner sind minder ansehnlich, blaß und nicht so kräftig gebaut, wie die Bewohner des Gäus; Halbkretine und Kropftragende waren früher nicht selten; eine Erscheinung, die ohne Zweifel in dem gipsführenden Wasser, verbunden mit schwerer Arbeit und schlechter Nahrung, ihren Grund hat; übrigens zeigen sie viel Gutmüthigkeit, Fleiß und Sparsamkeit. Ihre Vermögensumstände sind, mit Ausnahme einiger Vermöglichen, im Allgemeinen gering und ihre Haupterwerbsquellen bestehen in Ackerbau, etwas Viehzucht, besonders aber in Obstbau, der, wie in dem Mutterort Kayh, sehr fleißig betreiben wird; der Handel mit Obst gewährt mancher Familie Unterhalt. Die ärmeren Einwohner nähren sich kümmerlich durch Handel mit Gips und Taglohnarbeiten. Der begütertste Einwohner ist im Besitz von 25 Morgen2.
Die Markung, gegen Westen, Norden und Osten an die Markung Gültstein und gegen Süden an die Markung Kayh grenzend, ist die kleinste im Bezirk, und für den Bedarf der Gemeindeangehörigen unzureichend, daher diese sich auf der Markung Gültstein angekauft haben, wo sie gegen 600 Morgen Felder besitzen. (…)
Der Weinbau ist schon längst abgegangen; eine Kelter stand bei dem ehemaligen Mönchhaus, zu dem sie gehörte. (…)
Von Gewerben sind drei durch Pferde getriebene Gipsmühlen, zwei Schildwirthschaften und ein Krämer zu erwähnen. (…) Auf der Markung befinden sich sechs Gipsgruben und östlich vom Ort, am Saume des Waldes, ein großkörniger, weißer Keupersandsteinbruch, der Stubensand und gute Bausteine liefert. (…)
Mönchberg war früher Filial3 von Gültstein und wurde erst im Jahre 1833 kirchlich der Gemeinde Kayh zugetheilt; deren Pfarrer nun alle gottesdienstlichen Verrichtungen in Mönchberg zu versehen und alle Sonn- und Feiertage daselbst zu predigen hat.
Der Ort war früher pfalzgräflich tübingisch. (…) Mit Herrenberg kam er am 10. Febr. 1382 an Württemberg (…). Den Namen Mönchberg führt er von einer Colonie des Klosters Hirschau, welches viele Güter und Einkünfte, auch zwei Keltern hier hatte; in kirchenräthlichen Zeiten gehörte er in die Kloster Hirschauer Pflege zu Gültstein; ursprünglich war in Mönchberg selbst eine Pflege des genannten Klosters.
Ober- und Untermönchberg von der B 28 aus gesehen.
Quelle: Beschreibung des Oberamts Herrenberg. Herausgegeben von dem königlichen statistisch-topographischen Bureau, Stuttgart 1855.
Der Text wurde gekürzt.
Die Württembergischen Oberamtsbeschreibungen:
Im Jahre 1820 wurde auf Dekret des württembergischen Königs Wilhelm I das „königliche statistisch-topographische Bureau“ in Stuttgart gegründet. Zwischen 1824 und 1886 wurden dort genaue Beschreibungen aller 64 württembergischen Verwaltungsbezirke und ihrer Gemeinden erarbeitet. Als 34. Band erschien im Jahre 1855 die Beschreibung des Oberamts Herrenberg. Auf dem Internet-Portal Wikisource kann diese bereits vollständig abgerufen werden. Hier finden Sie auch eine ungekürzte Fassung der Beschreibung von Mönchberg.
Die Oberamtsbeschreibungen sind eine interessante und unverzichtbare Quelle zur württembergischen Landeskunde und werden auch als Reprint immer wieder aufgelegt.