Sandsteinbrüche im Schönbuch
Im „Vaterland der Mühlsteine“
Autor: Ulrich Hägele
Nachweislich seit 1383 durften die Bewohner der Schönbuchgemeinden lose herumliegende Steine unentgeltlich aus dem Schönbuch abtransportieren, sofern dabei keine größeren Spuren zurück blieben. Die Definition, was ein Findling sei, oblag den Forstämtern. Diese wollten möglichst viel am Steinabbau verdienen und erkannten dementsprechend wenige Steine als Findlinge an. Sogar ein ausgesprochenes Findlingsgebiet wie der Schaichberg von der Hummels- bis zur Mönchsklinge verpachtete die herrschaftliche Verwaltung mindestens 300 Jahre lang wie einen Steinbruch.
Wesentlich ergiebiger als die Suche nach Findlingen waren die angelegten Steinbrüche, obwohl die Steinbrecher zunächst mit Schwierigkeiten zu rechnen hatten: unbekannt waren die Höhe des zu beseitigenden Abraumes und die Dicke und Qualität des Steinflözes. Die Forstbehörden verpachteten die Steinbrüche flächenweise und befristet an Interessenten; mitunter erhoben sie auch eine Gebühr pro gebrochenem Mühl- oder Baustein.
Die Steine wurden mit Keilen, Spaltschrotern und Brechstangen aus dem Fels herausgelöst und mit Menschen- und Pferdekraft abtransportiert. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts erleichterten Sprengmittel die Arbeit – mit Loren fuhren Steinbrecher und Tagelöhner den Abraum über ein weit verzweigtes Schienensystem auf Halde. Erst als die Steinbrüche um 1920 elektrifiziert waren, kamen Preßluftbohrer zum Einsatz. Ein zentral postierter Kran konnte nun die Steine heben. Traditionelle Hilfsmittel wie Trage und Schubkarre blieben jedoch bis zur Gegenwart unentbehrlich.
Hoppelesklinge am Südrand des Betzenbergs; in diesem ehemaligen Sandsteinbruch sind die liegen gelassenen Mühlsteine noch gut zu erkennen. (Foto: Klaus Philippscheck)
In den Seitentälern des Schönbuchs, den sog. „Klingen“, fiel der Abbau des Materials am leichtesten, da die Keuperstufe dort abbricht und der Stein offen zutage tritt. Noch an Ort und Stelle hieben Steinhauer die schweren Brocken in Form. Verschlagene Rohlinge blieben liegen und sind heute Zeugen des frühen Mühlsteinhauergewerbes im Schönbuch.
Bis zum Endprodukt Mehl sind in der Getreidemühle mehrere Mahlgänge notwendig. Läufer- und Bodensteine aus dem Schönbuch brachen im Gerbgang die Spelzen (Körnerschalen) des Dinkels auf. Gerade die Stubensandsteine mit ihrer groben, höckrig-löchrigen Oberfläche waren hierfür ideal geeignet. Das in ein exakt zentriertes Loch eingefüllte Mahlgut (Getreide) führten glatte Flächen und Rillen während des Mahlvorganges nach außen. Dabei nutzte sich (besonders) der Dettenhäuser Mühlstein wegen seines kieseligen Bindemittels nur langsam ab. Die Vorteile lagen auf der Hand: während Mühlsteine aus anderen Gegenden circa alle acht Tage einen Nachschliff nötig hatten, kam der Dettenhäuser mit wesentlich längeren Nachbehandlungsintervallen aus.
Die Mühlsteine aus den Steinbrüchen des Schaichtals waren gefragte Exportartikel. Vor allem Kunden aus der Schweiz orderten regelmäßig neue Steine für ihre Mühlen. Der Naturforscher G. F. Rösler beehrte Dettenhausen im Jahre 1795 gar mit dem Titel »Vaterland der Mühlsteine«. Seinen Nachforschungen zufolge seien viele tausend Mühlsteine von der Schaich bis nach Ulm und von dort über die Donau ins Bayerische und Österreichische und (der gemeinsamen Sage nach) weiter bis in die Türkey exportiert worden.
"Stubensandstein im Schönbuch", Beitrag von Ulrich Hägele aus dem Katalog des „Schönbuch Museums“ Dettenhausen
Vor etwa 165 Millionen Jahren war Süddeutschland eine ausgedehnte Niederung. In dieses Becken transportierten Wind und Wasser den Schutt eines benachbarten Gebirges. Es entstand so über einen Zeitraum von 10 Millionen Jahren eine Erdschicht, der Keuper: in bunter Folge wechseln verfestigter Sand, Ton, Gips, Mergel und Kalk. Im Schönbuch tritt der verfestigte Sand in vier Schichten auf: Stubensandstein, Rhätsandstein, Schilfsandstein und Kieselsandstein. Der Stubensandstein ist mit 34 % Flächenanteil am weitesten verbreitet. Jene Hangkanten und Geländesprünge, die von Sandsteinen gebildet werden, zeichnen sich heute besonders markant im Landschaftsbild ab. Diese Stellen, wie auch die weicheren Ton- und Mergelschichten darunter, waren vor der Erosion geschützt. Die Bezeichnung »Stuben«sandstein erhielt das Gestein, weil es mit seiner Körnung auch das Material für einen Fegesand lieferte mit dem früher Stuben gereinigt wurden. Der bekannteste Sand hierzu in der Gegend war der »Rohrauer«.
Seine hauptsächliche Bedeutung erlangte der Stubensandstein als Rohstoff für Mühl- und Bausteine, vor allem während der enormen Expansion des Bauwesens im Laufe der Industrialisierung Württembergs seit 1850. Der Geologe O. Fraas feierte 1860 den Stubensandstein nicht ohne patriotischen Stolz: „Die Leichtigkeit der Bearbeitung und die Wohlfeile des Steines machen ihn (…) zum vorzüglichen Baustein, vielleicht von ganz Europa. Die Vergleichung auf der Weltausstellung von London und Paris haben zur Genüge dies dargetan. Bereits wächst auch sein verdienter Ruhm von Jahr zu Jahr, bei der Concurrenz deutscher Bausteine um Verwendung am Dom zu Cöln hat er jedenfalls den Sieg davon getragen.“
Erstveröffentlichung: Katalog „Schönbuch Museum Dettenhausen“, 1992.
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Gemeinde Dettenhausen
Erstveröffentlichung: Schönbuch Museum, Katalog hrsg. von der Gemeinde Dettenhausen und der Forstdirektion Tübingen, 1992.
Anmerkung der Redaktion:
Wir veröffentlichen diesen Text, obwohl die Gemeinde Dettenhausen zum Kreis Tübingen gehört, weil sehr viel vom hier Gesagten auch für die Waldenbucher Sandsteinbrüche gilt. Wir danken hiermit der Gemeinde Dettenhausen und dem Autor für das Veröffentlichungsrecht von Text und historischen Fotos.