Einer der bedeutendsten Münzfunde im Lande
Der keltische Münzschatz von Schönaich
Autorin: Susanne Schmidt
Spuren keltischer Besiedlung finden sich auf Schönaicher Markung gleich mehrfach. Ein Grabhügel aus der jüngeren Hallstattzeit (um 500 v. Chr.) im Bührleshau wurde bereits 1926 von von dem Lehrer und Hobbyarchäologen Ernst Keppler angegraben1; zwei weitere keltische Grabhügel befinden sich im Laubach.
Von herausragender Bedeutung ist jedoch der keltische Münzschatz, der 1852 mehr oder weniger zufällig am Rande des Rohrer Wegs bei Schönaich gefunden wurde. Vermutlich waren die Münzen gegen Ende des 2. oder in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. vergraben worden.
Es handelt sich dabei um zwei Gold- und 20 Silbermünzen, die wegen ihrer schüsselförmigen Wölbung früher umgangssprachlich als „Regenbogenschüsselchen“ bezeichnet wurden. Damit gehört der Schönaicher Schatz allein mengenmäßig zu den bedeutendsten Münzfunden im Land. Dazu kommt, dass die dort in zwei ähnlichen Typen enthaltenen Silbermünzen zum Zeitpunkt ihrer Entdeckung noch nicht bekannt waren. Als „Typus von Schönaich“ hielten sie Einzug in die münzkundliche Terminologie. Walter Jehle verweist in seiner Ortsgeschichte auf das in der Münzgeschichte „einzigartige Phänomen der keltischen Münzprägung“, bei der es sich durchweg um Nachbildungen von Vorbildern aus dem Mittelmeerraum handelt. Nach und nach entfernten sich die keltischen Nachbildungen immer weiter von ihren antiken Vorbildern und wurden in abstrakte Ornamente umgewandelt. Die Schönaicher Münzen zeigen auf der gewölbten Vorderseite u.a. Lockenköpfe mit Vogelköpfen, Blattkränze, Schlangen und andere, drachenartige Tiere. Wegen ihrer Prägung auf der Rückseite werden sie zur Gruppe der so genannten süddeutschen Kreuzmünzen gezählt.2
Der keltische Münzschatz von Schönaich. “Regenbogenschüsselchen“ nannte der Volkmund die gebogenen Münzen. Man stellte sich vor, die mit geheimnisvollen Zeichen bestückten Münzen, seien vom Regenbogen herabgetropft und mit einem Zauber behaftet. (Foto: Verein für Heimatgeschichte Schönaich)
Eine ganz besondere Komponente erhielt der Schönaicher Münzfund durch seine Fundgeschichte und den orts- und familiengeschichtlichen Hintergrund. Diese Geschichte erzählt von Hunger und bitterer Armut, die das Leben in Schönaich um die Mitte des 19. Jahrhunderts beherrschten und die Fritz Heimberger in seinem Aufsatz „Not- und Hungerjahre“ eindrucksvoll beschrieben hat.
Am 3. Juni 1852 gingen die Kinder des Schönaicher Zwirners3Richard Lauxmann in den Wald, um Brennholz zu suchen. Am Rand des Rohrer Wegs fanden sie einige gewölbte Silbermünzen, die sie für alte, wertlose Knöpfe hielten und wieder weg warfen. Der kleine Michael behielt jedoch einige davon als Spielzeug und so wurde der Vater kurze Zeit später auf den Fund aufmerksam. Er erkannte ihn sofort als „ein Alterthum“ und begab sich sogleich auf die Suche nach weiteren Münzen. Der Schönaicher Schultheiß riet ihm, sich in dieser Sache an den Topographen Eduard Paulus nach Stuttgart zu wenden. Für die Münzen erhielt Lauxmann neun Gulden und 15 Kreuzer. Das war weniger als erhofft, aber für den Vater von sieben Kindern, der stündlich mit dem Tod seiner schwerkranken Frau rechnen musste, war das immer noch ein Geschenk des Himmels. Der „liebe Gott“ habe geholfen, „indem er hier aus harten Steinen Brod und Arznei zur Erquickung gab“, schrieb Lauxmann, Mitglied der Hahn’schen Gemeinschaft, an seinen Sohn, der zu dieser Zeit das evangelisch-theologische Seminar in Schönthal besuchte.4
Wie Lauxmann arbeiteten Mitte des 19. Jahrhunderts viele Schönaicher im Textilgewerbe, überwiegend als Leinenweber. Doch die aufkommenden Textilfabiken machten den Schönaicher Heimarbeitern zunehmend Konkurrenz. Mitte der 1840er Jahr schlitterte das Dorf vollends in die Krise: Missernten, Überbevölkerung und Arbeitlosigkeit führten zu einer dramatischen Situation. 1846 wurde ein Armenverein ins Leben gerufen. Damit die Menschen nicht in Scharen verhungerten, verteilte das Suppenhäuschen im Steinernen Gässle täglich 390 Portionen Suppe – 312 davon kostenlos. Allein im März 1852 versuchten über 200 Schönaicher auf Kosten der Gemeindekasse nach Amerika auszuwandern.
Aufwärts ging es erst wieder ab 1854. Der aus Schönaich stammende Lehrer Johann Georg Binder organisierte von der Schweiz aus Unterricht in Weißstickerei. Arbeit gab es ab 1857 zudem in der Böblinger Zuckerfabrik. Neun Jahre später zog mit der Stuttgarter Korsettweberei d´Ambly die erste Fabrik nach Schönaich. Weitere Korsettwebereien und auch Zigarrenfabriken sollten folgen.
Richard Lauxmann, der Finder des Schönaicher Münzschatz. Das Portrait stammt aus der im Jahre 1924 erschienenen Neuausgabe seiner Biographie, die sein Sohn, der Stuttgarter Stadtpfarrer Richard Lauxmann d. J., erstmals 1881 veröffentlichte. (Aus: Der Keltische Münzschatz von Schönaich u. die Geschichte des Fundes, Schönaich1989, S. 8.)
In einem Brief vom 1. Juli 1852 berichtet der Finder des keltischen Münzschatzes, der Zwirner Richard Lauxmann, seinem gleichnamigen Sohn über die näheren Umstände seines Fundes. Richard Lauxmann d. J. besuchte damals das evangelische Seminar in Schönthal. Er wurde später Stadtpfarrer in Stuttgart und widmete seinem Vater die Biographie “Ein Handwerksmann aus vergangenen Tagen“, Stuttgart 1894 (ursprünglich bereits 1881 in der Zeitschrift Jugendfreunde veröffentlicht). Das Originalschreiben wird im Archiv der von ihm gegründeten Samariterstiftung aufbewahrt.
Der Brief Richard Lauxmanns an seinen Sohn vom 1. Juli 1852
Richard Lauxmann in Schönthal
Schönaich, den 1. Juli 1852.
Gnade und Friede in Christo unserm Herrn und Heiland
Vielgeliebter Richard!
Dein Schreiben vom 15. v. M. haben wir samt Inlage erhalten. Es kam uns ziemlich wohl zu der Mutter Erquickung, da es dem lieben Gott gefallen, sie uns nicht gesund, sondern in einem langwierigen kränklichen und beschwerlichen Lager bis daher zu erhalten. Es hatte schon wieder umgeschlagen, als wir Dein Schreiben erhielten, und wir glaubten, es werde schnell mit ihr gehen, denn die Anlage zur Wassersucht trat wieder stärker ein. Und heftige Krämpfe, daß es oft nicht zum Ansehen ist, machen ihr vieles Leiden. Es scheint auch kein Arzneimittel mehr anzuschlagen, ja ihr Leiden ist so groß, daß wir und sie selbst um baldige Erlösung aus diesem Thränenthal unser Gebet und Thränen miteinander vereinigen, ob wir gleich viel an ihr verlieren. Am 29. v. M. glaubten wir gänzlich, und sie auch selbst sagte, heute werde sie aus diesem Elend erlöst. Schon einige Tage gedenckt sie Deiner sehr viel mit mancher Thräne. Ich hoffe, Du werdest es beinahe selbst spühren, und wir würden Dir schon bälder geschrieben haben, wenn wir nicht von jeder Stunde einen gewissen Ausgang erwarteten. Deiner Mutter wird es selbst so lange, daß sie aus dem Psalmen das Ach Herr“, wie so lange oft und viel in ihren Seufzern gebraucht. Übrigens ist es gut, um sie zu sein, da man namentlich durch ihre gewisse Hoffnung und freudige Aussicht auf das ewige Leben sehr erquickt wird. Daß bei diesen Umständen in leiblicher Beziehung es viel erfordere, die äußerlichen Bedürfnisse zu bestreiten, kannst Du Dir selbst denken, und ich habe trotz dem gewissen Versprechen von Göppingen noch keine Arbeit erhalten und würde sehr in Noth gekommen sein, wenn nicht der Himmlische Vater auf eine wunderbare Weise Mittel geschafft hätte. Es giengen nämlich Deine kleine Geschwister am 3. v. M. in das Holz und fanden auf dem Wege dahin im obern Lehle auf der Anhöhe, wo sich die Wege gegen die Mausäker scheiden, einige kleine kreuzergroße gewölbte Silbermünzen aus der Keltenzeit stammend. Diese waren schwarz, durch die Fröhner ausgehauen. Sie betrachteten solche als Schalen von alten bleiernen Knöpfen und warfen sie wieder weg. Doch der Michael las fünf davon wieder auf und trug sie 14 Tage im Sack. Nun spielte er vor 14 Tagen damit auf dem Tisch und ich merkte, daß es ein Alterthum sein müsse, indem sich auf der gewölbten Seite ein Gesicht, den Mond vorstellend, und auf der hohlen Seite folgendes Zeichen* presendirte, wiewohl ich es selbst nicht für Silber, sondern für Zinck hielte. Ich versuchte, es auf einem Schieferstein zu probiren gegen einem silbernen Ring aus unserer Zeit, und befand die Münze feiner als den Ring. Ich nahm solche mit nach Böblingen und Herr Kaiser sagte mir, es seye kein Römer-, sondern altdeutsches Geld und gab mir des Alterthums wegen 1 Gulden 15 Kreuzer für 8 Stük, wiewohl der Silberwerth kaum die Hälfte ausgemacht hätte. Durch dieses faßte ich Muth, mit der Hake nachzusehen, ob nicht etwas noch zu finden wäre. Ich arbeitete lange vergebens und war im Begriff, das Suchen aufzugeben, da besonders die Mutter sehr schwach war und man mit jeder Stunde den Ausgang ihres Leidens erwartete. Schon die Haue auf der Achsel zum Weggehen, versuchte ichs noch einmal und zog eine zerbrochene Münze aus dem Sand hervor. Nun hatte ich die Spuhr und traf den etwa noch 2 Zoll hohen Rest einer Urne aus Ziegelerde schwarz gebrannt. Ich befreite denselben und nahm ihn auf die Hand, aber er zerfiel in viele Stüke und in demselben befanden sich noch 12 Silber- und eine Goldmünze. Den Tag nachher wurde noch eine Goldmünze aufgefunden. Der Herr Schultheiß schrieb sogleich nach Stuttgart an Topograph Paulus und meinte, es werde vortheilhafter für mich sein als daß ich Kaufleuten solche gegeben habe. Aber hier bekam ich kaum den Silber- und Goldwerth, und mein ganzer Fund betrug nicht mehr als 8 Gulden. Jedoch danckten wir dem lieben Gott, daß er uns in dieser Beziehung geholfen hatte, indem er hier aus harten Steinen Brod und Arznei zur Erquickung gab, und immer wahr bleibt das Wort Ich will dich nicht verlassen noch versäumen“. Denn wer hätte in solchem harten Wege etwas suchen wollen, wenn er es nicht selbst gezeigt hätte.
Sei so gut und schreibe gleich wieder an Deine Mutter, vielleicht trifft Dein Schreiben sie noch lebend an und würde sie sehr erquicken, noch etwas von Dir zu vernehmen. Und vereinige Dein Gebet mit dem Unsrigen um Ergebung in den bittern Willen (wie es uns scheint) des lieben Gottes und um baldige Erlösung Deiner lieben Mutter.
In dieser Hoffnung grüßet Dich Deine Mutter und Geschwister, und in deren Namen mit Jes.c.28,29.
Dein Dich herzlich liebender Vater
Psalm 125 und Württ. Gesangbuch No. 364.
Richard Lauxmann
Faksimile der dritten Seite des Briefes von Richard Lauxmann an seinen gleichnamigen Sohn vom 1. Juli 1852. (Aus: Der Keltische Münzschatz von Schönaich u. die Geschichte des Fundes, Schönaich1989, S. 29.)
Im Zusammenhang mit dem Münzfund von 1852 schrieb der Schönaicher Schultheiß Lukas Roller am 21. Juni 1852 einen Brief an den Topographen Eduard Paulus nach Stuttgart. Abgesehen von der Fundmeldung an sich bezeugt der Brief ein beachtliches Interesse an den Relikten der Vergangenheit. Der Brief des Schultheißen befindet sich heute in den Akten des Landesdenkmalamtes. Er wird im folgenden in einer Transkription wiedergegeben. Interpunktion und Orthographie blieben im Großen und Ganzen unverändert.
Der Brief des Schultheißen Roller an Eduard Paulus vom 21. Juni 1852
Euer Wohlgeboren!
Vor einigen Tagen sahe ein hiesiger armer Zwirner seine Kinder mit anscheinend gewölbten haftenlosen Knöpfen spielen, er untersuchte sie genauer u. fand, daß sie Figuren haben die er nicht kannte, schloß daher u. da er auf denselben nirgends sahe, daß die Heften weggebrochen seyen, daß es alte Münzen seyen; er wusch sie in Saifenwaßer u. siehe da die vermeintlichen Knöpfe waren Silber, er besann sich nicht lange sondern ließ sich den Platz auf welchem seine Kinder diese Münzen fanden, zeigen, suchte mit ihnen u. fand 7 weitere Stüke, gestern hakte er wieder auf der gleichen Stelle u. fand beiliegende u. weitere größere Bruchstüke von einem irdenen Geschirr und ein Stük Gold, nun grübelte er mit der Hand u. fand 13 weitere Stük und ein Goldstük; ich nahm als ich von der Sache erfuhr sogleich Augenschein ein, ich sahe daß der Finder Reichardt Lauxmann mitten in dem Weg der nach Rohr führt, gegraben hatte, die naheliegenden Güter waren früher Allmand u. sind die Krautgärten im Obern Lehle, weiter oben sind die Herdt/Heerd/lauchAeker u. die Elsenhalde, rechts drüben der Wald Rothenberg/:vielleicht Rottenberg:/ Vom s. g. (so genannten) Seebächlein an bis zum Rothenberg u. bis zur Elsenhalde ist eine große schöne Ebene, auf welcher derselbe Lauxmann einen Sporn gefunden haben will und auf welcher ein anderer Bürger ein altes Goldstük u. ein Anderer das beikommende Eisen fand. /:vielleicht die Spitze von einem Pfeil:/ ich erlaube mir nun ein Exemplar der gefundenen Münzen Ihnen zuzusenden u. Sie um Nachricht zu bitten, ob Sie solches u. die übrigen dem armen Finder nicht abkaufen u. im Fall Ja, was Sie dafür zahlen wollen, u. ob Sie es nicht für gut finden, weitere Nachgrabungen vorzunehmen.Ich bin zwar kein AlterthumsForscher allein ich glaube doch behaupten zu dürfen, daß auf einem Ausläufer des RothenbergWaldes eine Burg gestanden hat; ein kleiner Einschnitt der diesen Ausläufer von dem hintern Berg trennt, scheint mir ein Burggraben gewesen zu seyn. Nicht weit davon entfernt ist der s. g. Goldbukel /:Geldbukel:/ ein künstlich aufgeworfener Hügel, u. etwas weiter oben die s. g. Hohenwart. Ich hätte schon Nachgrabungen vorgenommen, allein ich befürchte, daß ich dadurch der Sache mehr schaden als nützen würde, thun Sie also was Ihnen gutdünkt.
Mit vollkommenster Hochachtung etc.
Schönaich 21. Juni 1852.
Schultheis Roller.
Faksimile der ersten Seite des Briefes des Schönaicher Schultheißen Lukas Roller an den Topographen Eduard Paulus in Stuttgart vom 21. Juni 1852. (Aus: Der Keltische Münzschatz von Schönaich und die Geschichte des Fundes, Schönaich 1989, S. 22)
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Künsterin Ines Scheppach und des Förderkreises Kunst Schönaich e.V.
Literaturhinweise:
Förderkreis Kunst Schönaich e.V. (Hrsg.): Der Keltische Münzschatz von Schönaich und die Geschichte des Fundes, Schönaich 1989; darin v. a. der Aufsatz von Ulrich Klein, „Der keltische Münzschatz von Schönaich„, S. 9-30 und von Fritz Heimberger, „Not- und Hungerjahre – Schönaich um die Mitte des 19. Jahrhunderts„, S. 32-35.
Alexander Heilemann, „Keltische Münzen gegen die Not. Der Zwirner Richard Lauxmann und sein gefundener Schatz„, in: Sindelfinger Zeitung, 9. Juni 2000.
Referenz
↑1 | Die Ergebnisse der Grabungen hat W. Jehle in seiner „Schönaicher Ortsgeschichte - Begebenheiten und Gschichtla“, Schönaich 2003, auf S. 29-35 beschrieben. |
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↑2 | Siehe hierzu Walter Jehle, Schönaicher Ortsgeschichte - Begebenheiten und Gschichtla. Hrsg.: Gemeinde Schönaich, 2003, S. 36-38. |
↑3 | Zwirn: aus zwei oder mehr Einzelfäden zusammengedrehter, also gezwirnter Faden; daraus abgeleitet die Berufsbezeichnung des Zwirners. |
↑4 | Siehe hierzu den Brief Richard Lauxmanns an seinen gleichnamigen Sohn, abgedruckt in: Der Keltische Münzschatz von Schönaich und die Geschichte des Fundes. Herausgegeben vom Förderkreis Kunst Schönaich e.V., Schönaich 1989, S. 25-30. |