Die Mundart von Steinenbronn
Autor: Paul E. Schwarz
Die Mundart von Steinenbronn ist durch die Entwicklung nach dem zweiten Weltkrieg und den Einfluss des städtischen oder sogenannten Honoratioren-Schwäbisch, wie es in der nahen Landeshauptstadt und in der Kreisstadt Böblingen gesprochen wird, mehr und mehr verdrängt worden. Schon die heutige Schuljugend spricht allgemein diese gehobenere oder feinere Mundart. Die nächste Generation wird daher unsere heutige, für Steinenbronn typische Mundart nicht mehr so sprechen können und zum Teil nicht einmal mehr ganz verstehen.
Im schwäbisch-alamannischen Mundarttraum liegt Steinenbronn etwa mitten im rein- oder vollschwäbischen Bereich. Diese Mundart hat sich außerhalb sprachgesetzlicher Grundsätze entwickelt und z. T. über die Jahrhunderte hinweg ihre Eigenständigkeit bewahrt. Dies ist deshalb besonders auffallend, aber auch verständlich, weil der Ort als Wäldlerdorf durch die ihn umgebenden Wälder und die abschließenden Täler des Sulzbachs, der Aich und des Reichenbachs auch in seiner kulturellen Entwicklung äußeren Einflüssen nicht so stark ausgesetzt war wie die Nachbargemeinden. Deshalb unterscheidet sich die Steinenbronner Mundart in einigen Feinheiten deutlich von allen anderen umliegenden Gemeinden.
Es scheint, dass sich hier eine Art Mundartinsel gebildet hat, die sich in einer besonders breiten Aussprache der Selbstlaute, vor allem aber das a in Umlauten dokumentiert.
Hier einige Aussprachebeispiele:
„breit“ | in Steinenbronn „broad“ in den Nachbargemeinden dagegen „broâd“ oder „broêd“ (Stuttgart) |
„nein“ | in Steinenbronn „noâ“ in der Umgebung „noê“, in Stuttgart „nôe“ |
„heißt“ | in Steinenbronn „hoasd“ in der Umgebung „hoêsd“ oder „hôesd“ (Stuttgart) |
„Laib“ | in Steinenbronn „Loab“ sonst „Loêb“ oder „Lôeb“ (Stuttgart) |
Unbetonte Endungen, insbesondere Beugungsendungen, werden mit der Klangfarbe der dumpfen, unreinen Zwischenlaute zwischen e und a vom geschlossenen e bis zum offenen a gesprochen.
Dabei werden die Endungen -in zu -e, z.B. “Binderin“ = “Bendêre“,die Endung -en zu -â,z.B. “singen“ = “sengâ“.
Soweit Beugungsendungen mit den Stammlauten verschmelzen, werden sie als offenes a gesprochen:
gegeben – in Steinenbronn gea,in der Umgebung geâ oder geê.
Der Umlautvokal ö wird hier überhaupt nicht gesprochen.Die nasale oder genäselte Form der Vokale kommt in Steinenbronn höchst selten vor. Auch darin liegt übrigens ein feiner Unterschied zur Aussprache der Nachbarorte und ein Ausdruck der Härte und Ungeschliffenheit dieser Mundart. (…)
Eine für Steinenbronn typische mundartliche Eigenart sind die Ortsbestimmungen. In seinem Aufsatz „Nuff ond na – Ortsbestimmungen in der Steinenbronner Mundart“ stellte der Steinenbronner Heimatforscher Paul E. Schwarz einige besonders prägnante Beispiele zusammen.
„Nuff ond na – Ortsbestimmungen in der Steinenbronner Mundart“ von Paul E. Schwarz
Eine der für Steinenbronn typischen mundartlichen Eigenarten ist die Ortsbestimmung, d. h. die Richtungs- oder Zielansprache für Flurstücke, Nachbargemeinden und Landschaften. Grammatikalisch handelt es sich dabei in der Hochsprache um die sogenannten Lokaladverbien, evtl. in Verbindung mit der lokalen Präposition.
Die Präposition bei Ortsangaben ohne Artikel lautet: “nach“, bzw. „in“:
als Richtungsangabe = nach Stuttgart,
als Angabe der Lage = in Stuttgart.
Für Steinenbronn gilt: „in“ heißt in allen Fällen der Ortsbezeichnung „z“ (zu):
z. B. „zDiebeng“ = in Tübingen (zÄchddêrdeng, zBebleng, zWaldâbuâch)
Dabei kommt es oft zu einer ungewohnten Häufung von Zischlauten, an denen sich hier aber niemand stört, auch wenn es manchmal fast chinesisch klingt, wie bei „zSchduâgârd“ oder „zSchdoânâbronn“.
Die Präposition “auf“ als Lagebezeichnung wird, außer anstelle von “nach“ nur bei Flurnamen und Stellenbezeichnungen verwendet:
“uff âm Hasâhof“ = auf dem Hasenhof
Eine Ausnahme davon macht die hochdeutsche Bezeichnung für zu Hause und nach Hause, die unsere Mundart gar nicht kennt. Dafür wird nur „heim“ (hoâm) bzw. “daheim“ (“dâhoâm“ oder „dâhoâmd“) verwendet. …
Ohne nähere Angabe sagt man auch „iber Feld“ = „über Feld“, d. h. auswärts vom Ort, meist in eine Nachbargemeinde, so z. B. “am Sonndech semmêr iber Feld gwea“, wenn man nicht genau sagen wollte, wo man war.
Schwierig wird es, wenn mit der Präposition “nach“ ein Ortsname als Ziel angesprochen wird. In der Hochsprache heißt das in jedem Fall z. B. “ich gehe nach Stuttgart“. Bei uns wird dafür stets “uff“ = „auf“, verwendet, also „i gang uff Schduêgêrd“.
Damit lässt man es aber hier nicht bewenden, sondern setzt zur genauen Bestimmung des “uff“ noch ein weiteres Wort, grammatikalisch als Lokaladverb bezeichnet, hinzu. Und gerade dieser Zusatz ist für den jungen oder neuen Bürger, mindestens am Anfang, ein “böhmisches Dorf“. Aus unserer altgewohnten Sicht sind diese Bezeichnungen so instruktiv wie die Kompassnadel für die Landkarte.
Auswahl der auch heute noch verwendeten Ausdrücke:
“Uff Schduêgêrd na“ = hinab, weil es im Tal liegt
“uff Bebleng nei“ = hinein
“uff Waldebuach nei“ = hinein, weil sie im Schönbuch drinnen liegen
“uff Schenoach nieber“ (oder nur „nieb“) = hinüber, weil es über dem Wald drüben liegt
“uff Ächderdeng naus“ = hinaus, weil es aus dem Schönbuch hinausgeht
“uff Diebeng nuff“ = hinauf, weil Tübingen, im Vergleich zu Stuttgart, hoch liegt, auch in Richtung Oberland (hinauf). Für Tübingen hört man aber vereinzelt auch, vor allem bei der jüngeren Generation „uff Diebeng nei“ = hinein, weil man dabei in den Schönbuch hinein fährt.
Die umgekehrte Richtung wird benannt mit:
“ruff“ = herauf – von Stuttgart
„raus“ = heraus – von Böblingen
“rieber“ = herüber – von Schönaich
“rei“ = herein – von Echterdingen
“ra“ = herab – von Tübingen
Als Lokaladverb bei Landschaften ist üblich:
Schönbuch = “en Schebuâch nei“ = hinein
Filder = “uff dFilder naus“ = hinaus
Alb = “uff dAlb nuff“ = hinauf
Schwarzwald = “en Schwaarzwald nom“ = hinum
Gäu = “es Gae nom“ = hinum
für das obere Gäu um Herrenberg = “es Gae nuff“ = hinauf
Baden = “es Badech nei“ = hinein
Diese Ausdrucksweise hat sich bei den Eingesessenen trotz der kulturellen und technischen Entwicklung unserer Zeit erhalten. Auch mit dem Auto oder dem Omnibus fährt man noch “uff Schduêgêrd na“ und “uff Diebeng nuff“.
Eine Ausnahme von dieser Regel gibt es bei der Richtungsangabe der Stadt ohne Nennung des Namens. Wenn ich an der Omnibushaltestelle einen alten Bekannten treffe, so begrüßt er mich mit “Grüß Gott“ und der Frage, “So, witt au ed Schdadt nei?“ (Willst Du auch in die Stadt?). Meine Antwort wird dann lauten: “Jô, hâed muâß i au âmôl wieder uff Schduêgêrd na!“
Das präpositionale Wort nach verwendet man im übrigen hier nur selten, beispielsweise bei:
nachlaufen = “nôchlaufâ“
nachtragen = “nôchdragâ“
nachgeben = “nôchgea“ – denn das tut der Steinenbronner sowieso nicht gern.
Höchstens gebraucht man das nach noch bei nachlassen = “nôchlau“, aber das tut man hier nie, vor allem nicht beim “schaffâ“.
Wenn Sie diese grammatische Teilübersicht über unsere Mundart verstehen, können Sie bei den Ur-Steinenbronnern restlose Anerkennung finden. Sie werden dann gerne auch weitere interessante Einblicke in das Einmalige und Besondere des Ortsdialekts unserer Gemeinde vermittelt bekommen.
Autor: Paul E. Schwarz
Erstveröffentlichung: Steinenbronner Nachrichten / Beiträge zur Heimatgeschichte, Nr. 9/1994
Der Text wurde gekürzt.
Mit freundlicher Genehmigung des Autors
Erstveröffentlichung: Die Flurnamen von Steinenbronn. Gesammelt und bearbeitet von Paul E. Schwarz, hrsg. von der Gemeinde Steinenbronn, Böblingen 1978 (Veröffentlichungen des Heimatgeschichtsvereins für Schönbuch und Gäu e. V., Bd. 13), S. 5 – 6.
Der Text wurde gekürzt.
Mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Heimatgeschichtsvereins für Schönbuch und Gäu e. V.