Die Pest in Leonberg
Autorin: Olga Zimmermann
In der Mitte des 14. Jahrhunderts wurden die Menschen von einer grauenvollen Krankheit heimgesucht: Starkes Schwitzen, leichtes Fieber, Kraftlosigkeit, starke Kopf- und Gliederschmerzen sowie Übelkeit, bald darauf eigenartige, dunkle Geschwülste unter den Achseln, in den Leisten, am Nacken und an den Ellenbogen; einen Tage später dunkle Flecken am ganzen Körper und tagelange unerträgliche Schmerzen unter hohem Fieber – kurze Zeit darauf verstarben die meisten Erkrankten: Die Pest war ausgebrochen.
Als in den Jahren 1348-1350 der „Schwarze Tod“, wie die Pest auch genannt wird, Europa heimsuchte, fielen ihr nach Schätzungen etwas 25 Millionen Menschen zum Opfer. Das waren etwa ein Drittel der gesamten europäischen Bevölkerung. Ob arm oder reich, ob Mann, Frau oder Kind – vor dem Schwarzen Tod war niemand sicher. Die häufigsten Formen der Pest waren die oben beschriebene Beulenpest und die radikalere Lungenpest, bei der die Menschen nach starken Brustschmerzen und Blutspucken meist innerhalb von drei Tagen verstarben.
Erst 1894 entdeckte der Schweizer Arzt Alexandre Yersin den Pesterreger. Daher weiß man heute, dass die Pest eine bakterielle Infektionskrankheit ist, die mit Antibiotika behandelt werden kann. Im Mittelalter wurde der Pesterreger von Ratten auf Flöhe übertragen, die wiederum Menschen befielen. Aufgrund der unhygienischen Verhältnisse konnte sich die Krankheit schnell ausbreiten. Heute tritt die Pest vereinzelt in Gebieten Nord- und Südamerikas, Afrikas, und Nordasiens auf, wobei die Krankheit bei frühzeitiger Erkennung heilbar und die Wahrscheinlichkeit einer Pestepidemie gering ist.
Miniatur aus der Toggenburg-Bibel (Schweiz) von 1411. Die Krankheit wird allgemein für Pest gehalten, es könnte sich jedoch auch um die Pocken handeln. (Bild: Wikimedia Commons / public Domain)
In Leonberg wütete die Pest mehrmals und ist neben der großen europäischen Epidemie von 1348 – für die Jahre 1420, 1572, 1576, 1584 bis 1586, 1594, 1596/97, 1608/09, 1611/12 und 1626/27 überliefert, wobei es sich bei diesen Überlieferung auch um andre Seuchen handeln kann. Der Schwarze Tod kostete vielen das Leben: In Eltingen kamen 1596/97 253 Menschen ums Leben, was etwa ein Drittel der Bevölkerung ausmachte.
Anna Wendel aus Eltingen, die als Magd in Hirschlanden gedient hatte, wurde Mitte August 1596 krank. Am 26. August starb sie. Einige Tage später verlor der Familienvater Georg Wendel ein weiteres Kind, einen drei Wochen alten Säugling. Am 9. September wurde seine kleine Tochter Christine, einen Tag darauf einer seiner Söhne und am darauffolgenden Tag eine weitere Tochter begraben. Am 12. September starb der Familienvater nach viertägiger Krankheit selbst. Ihm folgten noch vier Töchter und drei Söhne ins Grab. Die Pest hatte bis auf die Ehefrau Margaretha und Sohn Johannes der vielköpfigen Familie das Leben genommen.
1635 fordert die Pest in Eltingen 660, in Gebersheim 113, in Höfingen 245 und in Leonberg 635 Opfer – d.h. nur jeweils die Hälfte bis ein Drittel der Bevölkerung entkam der grausamen Krankheit.
Da die Zahl der Toten die Kapazität des Friedhofs überstieg, musste ein neuer Friedhof außerhalb der Stadt angelegt werden. Dieser Friedhof, auf dem die ersten Bestattungen im Jahr 1572 stattfanden, ist der heute noch bestehende Alte Friedhof. Wegen der vielen Kriegs- und Seuchenopfer musste er 1650 erweitert werden. 1663 erinnerte man daran mit einer Gedenktafel. Sie war einst in der Nordmauer eingelassen und steht heute im Leonberger Stadtmuseum. Aufgrund des Rückgangs der Bevölkerung und wegen des Mangels an Geistlichen, fiel der Gottesdienst häufig aus. Es gab auch kaum Totengräber und oft wurden Verstorbene erst Tage später in ihrem Haus aufgefunden. Die Menschen lebten in Angst und Schrecken, verließen selten ihr Haus. Eine weitere Folge war, dass des Sterbens halber kein Vogtgericht gehalten1werden konnte und auch der Jahrmarkt ausfallen musste ( – auch wenn dies eher eine unbedeutende Folge war). Durch das große Sterben wurden die Lebensmittel aufgrund der sinkenden Nachfrage billiger, doch selbstverständlich konnte sich im Verlauf der Pest niemand darüber freuen.
Gedenkstein für die Opfer der Pest, an der 1635 allein in Leonberg 635 Menschen starben. Der Stein befindet er sich heute im Stadtmuseum. (Bild: Stadtarchiv Leonberg – Foto-Sammlung Bühler)
Woher die Krankheit kam, wußte niemand. Von der Strafe Gottes für die Sünden der Menschen, zu ungünstigen Planetenkonstellationen und giftigen Dämpfen aus dem Erdinneren, bis hin zur Brunnenvergiftung durch Juden – bald waren unterschiedliche Erklärungen gefunden. Aus diesen Theorien zogen die Menschen auch Konsequenzen: Um sich mit Gott zu versöhnen, beteten die Menschen öfter und bekannten sich zu ihren Sünden. Einige Gläubige begannen sich zu geißeln. So zogen sie umher und schlugen sich blutig um für ihre Sünden zu bußen. Andere versuchten sich von ihren Sünden freizukaufen, so dass der Ablaßhandel der Kirche während der Pestepidemien stets zunahm. Vermögende Personen, wie der Vogt oder der Bürgermeister von Leonberg, besorgten sich von dem Stuttgarter Hofapotheker Hans Jacob Küennlen Medikamentenmischungen, um sich vor der Krankheit zu schützen, bzw. diese zu heilen. Auch der Barbier Ufmsand mischte einen Pestilenztrank und andere Medikamente für alle Leonberger, die es sich leisten konnten. Jedoch waren solche Arzneimittel genau wie andere Reaktionen auf die Krankheit letztendlich vergebens.
Woher die Krankheit kam, wußte niemand. Von der Strafe Gottes für die Sünden der Menschen, zu ungünstigen Planetenkonstellationen und giftigen Dämpfen aus dem Erdinneren, bis hin zur Brunnenvergiftung durch Juden – bald waren unterschiedliche Erklärungen gefunden. Aus diesen Theorien zogen die Menschen auch Konsequenzen: Um sich mit Gott zu versöhnen, beteten die Menschen öfter und bekannten sich zu ihren Sünden. Einige Gläubige begannen sich zu geißeln. So zogen sie umher und schlugen sich blutig um für ihre Sünden zu bußen. Andere versuchten sich von ihren Sünden freizukaufen, so dass der Ablaßhandel der Kirche während der Pestepidemien stets zunahm. Vermögende Personen, wie der Vogt oder der Bürgermeister von Leonberg, besorgten sich von dem Stuttgarter Hofapotheker Hans Jacob Küennlen Medikamentenmischungen, um sich vor der Krankheit zu schützen, bzw. diese zu heilen. Auch der Barbier Ufmsand mischte einen Pestilenztrank und andere Medikamente für alle Leonberger, die es sich leisten konnten. Jedoch waren solche Arzneimittel genau wie andere Reaktionen auf die Krankheit letztendlich vergebens.
Pestarzt in Venedig. Aquarell von Jan van Grevenbroeck, 18. Jh., Museum Correr, Venedig. Die Schutzkleidung kam Anfang 17. Jh. in Gebrauch. Typisch ist die schnabelförmige, mit Riechstoffen oder einem essiggetränkten Schwamm gefüllt Maske, die die Atemluft von den Pestgasen reinigen sollte. Ergänzt wurde der Aufzug durch ein langes Gewand, Handschuhe und eine Schutzbrille, die vor der gefürchteten Ansteckung durch Blickkontakt schützen sollte. Den Peststab mussten alle Personen tragen, die Umgang mit Pestkranken hatten. (Bild: Wikimedia Commons/Public Domain)
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Autorin.
Die Autorin, Olga Zimmermann, war Mitglied im Arbeitskreis „zeitreise-bb“ am Kreismedienzentrum Böblingen und ist Lehrerin für Geschichte am Johannes-Kepler-Gymnasium in Leonberg.
Literaturangaben
Zur Seuchengeschichte finden Sie in zeitreise-bb noch den Artikel Die Schönaicher Pockenepidemie 1848 bis 1850 von Fritz Heimberger.
Referenz
↑1 | Franz Bühler, Heimatbuch Leonberg, Bietigheim 1954, Seite 156. |
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