Im Wandel der Ortsgeschichte
Das Flachter Rathaus
Autorin: Silke Rudolph
Das Rathaus gilt seit dem Mittelalter als Sinnbild örtlicher Selbstverwaltung.
Mitte des 16. Jahrhunderts, infolge der Verwaltungsreform Herzogs Ulrich, erwarb das damals knapp 200 Einwohner bzw. 31 Wohnhäuser zählende Flacht das ehemalige Haus des Frühmesners1. Dessen erst 1492 durch zwei Stiftungen geschaffene Stelle erübrigte sich durch die Reformation 1534. Zunächst an einen Bauern verkauft, erwarb die Gemeinde das mit einem Tonnengewölbe unterkellerte Gebäude. Seine Lage am Kirchberg und direkt am Gaisgässle, der damaligen Hauptstraße Flachts über den Dobel Richtung Mönsheim zur Hauptverkehrsstraße Cannstatt – Pforzheim – Straßburg, war für das dörfliche Rathaus exponiert.
Die vom Heimatforscher Willy Schray akribisch erstellte Flachter Ortschronik2 liefert bis Ende des 19. Jahrhunderts spärliche Daten über Aktivitäten in und um das Rathaus, zur Baugeschichte erst ab Mitte des vorigen Jahrhunderts.
Das denkmalgeschützte Fachwerkhaus zeugt seine eigene Geschichte: Die bauhistorische Analyse im Jahr 2003 ermittelte anhand der tannenhölzernen Dachbalken und den Markierungen der Holzbalken der einzelnen Geschosse, dass der heutige Dachstuhl sowie das gesamte Holzwerk des Gebäudes um das Jahr 1713 gezimmert wurde. Wie bei allen damaligen Neubauten, die der Bewilligung zuständiger Amtleute des Klosters Maulbronn und Gerichts zu Flacht bedurften, stammte das Tannenholz aus dem Maulbronner Hagenschieß auf der Markung Wimsheim.
Bereits in der beginnenden Neuzeit war das Flachter Rathaus multifunktional, Zentrum des politischen, gesellschaftlichen und auch wirtschaftlichen Dorflebens.
Der damalige Rat war mit mehr Kompetenzen ausgestattet, übte er doch zugleich die gesetzgebende und ausführende Gewalt aus. Neben dem Schultheiß standen 1760 fünf Richter und drei Ratsverwandte in der Unterschrift. Die heutige Gewaltenteilung war bis 1800 unbekannt. Der Saal im Obergeschoss erlebte Rats- und Gerichtsversammlungen, aber auch repräsentative Ereignisse.
Das 2007 restaurierte Rathaus in Flacht. Das Sichtfachwerk musste größtenteils erneuert werden. Holzfenster und historische Klappläden rundeten die Fassadensanierung ab. (Aus: Altes Rathaus Flacht, Weissach 2007)
Gleichzeitig verkörperte das Rathaus den Mittelpunkt wirtschaftlichen Lebens des Ortes, standen doch im Erdschoss die Waage, Eichmaße- und -gewichte, wurde über Steuern und sonstige Abgaben Buch geführt. Übrigens war Flacht der einzige Flecken im Oberamt Leonberg, der von 1565 bis 1871 Vaihinger Eich und Maß verwendete.
Darüber hinaus vereinte es weitere Funktionen: Entsprechend dem Brauchbuch 1565 war der Bürgermeister für den guten Zustand von Feuerlaitter, Hakhen und Aymer“, die damaligen Feuerlöschutensilien, verantwortlich, welche ebenfalls im Untergeschoss unterbracht waren, ebenso wie später Mostpresse oder Butterzentrifugen. Das aus den Nähten platzende Feuerwehrmagazin zog erst 1911 ins neue Schulhaus um.
Seit fast 500 Jahren nutzt jede Generation das Rathaus nach ihren Bedürfnissen und hinterließ ihre baugeschichtliche Handschrift, wie im 20. Jahrhundert:
Während des Abbruchs und dem Neubau des Schulhauses 1909/10 lernten im eigens eingerichteten Klassenzimmer im Erdgeschoss die Schulkinder, wofür extra der Eingang verlegt wurde. Wegen Wohnungsmangel ließ sich Bürgermeister Leibbrand 1920 das Obergeschoss als Wohnung umbauen und verlegte Amtsstube sowie Ratssaal ins untere Stockwerk. Bei der Sanierung 1952 wurde die Treppe zum ersten Stock verlegt, wo der Bürgermeister seinen neuen Amtsraum bezog. Bevor das Weissacher Ortsbaumt 1978 sein Domizil im Erdgeschoss einrichtete, verschönte das Gebäude zeitgerecht ein aufgeblattetes Sichtfachwerk.
Seiner Bedeutung als wichtige Geschichtsquelle Rechnung tragend, beschloss die Gemeinde Weissach im März 2001, das denkmalgeschützte Gebäude grundlegend zu modernisieren. (…)
Die, für Rathäuser dieser Zeit typische, ehemalige Arrestzelle mit der original Eichentür wurde erhalten und dient nun als Technikraum. (…) Der neue Sitzungssaal des Ortschaftsrates dominiert das Obergeschoss. (…) Im Dachgeschoss mit dem gut erhaltenen bauzeitlichen Dachstuhl, dessen Bestand weitgehend unverändert belassen werden konnte, wurden Abstellmöglichkeiten für Vereine geschaffen. Das Dach wurde nach historischem Vorbild mit Biberschwanzziegeln eingedeckt. Der 500 Jahre alte Gewölbekeller wurde ebenfalls saniert. (…)
Das heutige äußere Erscheinungsbild stützt sich, wie der Innenausbau, auf bauhistorische Analysen sowie die Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg. Die stellenweise erheblich geschädigte und in Teilbereichen auch abgängige Bausubstanz konnte durch sorgfältige Bauweise in großen Teilen erhalten oder nach historischem Vorbild ersetzt werden. Für die nächste Zeitepoche konnte so der Erhalt des Alten Rathauses Flacht gewährleistet werden.
Der Text wurde gekürzt.
Autorin: Silke Rudolph
Erstveröffentlichung: Altes Rathaus Flacht. Festschrift zur Renovierung 2007, Hrsg.: Gemeinde Weissach, S.4-7.
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Autorin und der Gemeinde Weissach
Nach der Renovierung 2007 betrieb die Gemeinde Weissach im Alten Rathaus Flacht ein Bürgerbüro als Außenstelle. Zum 1. Januar 2018 wurde die Verwaltungsstelle in Flacht geschlossen.
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