Im Jahre 1930 kommt die Schokoladenfabrik Alfred Ritter nach Waldenbuch
Süße Zeiten brachen für die Waldenbucher ausgerechnet in der Weltwirtschaftskrise an. Die Firma Ritter bezog 1930 ein Fabrikgebäude und begann, dort Schokolade und Pralinen zu produzieren.
Im Juli 1912 hatte der Konditor Alfred Ritter in Bad Cannstatt gemeinsam mit seiner Frau Clara, Inhaberin eines Süßwarenladens, mit der Produktion von Naschwerk begonnen. Die Zuckerwaren verkaufte seine Gattin im Geschäft. Die fabrikmäßige Produktion von Schokolade lernte Alfred Ritter in der Stuttgarter Schokoladenfabrik Eszet, wo er nach dem Ersten Weltkrieg arbeitete. Im Februar 1919 erwarb er in Cannstatt ein Geschäftshaus und begann mit der Herstellung von Zuckerwaren und Schokolade in großem Stil. Die erste, 100 Gramm schwere Tafel, erhielt den Namen „Alrica“, der sich aus Alfred Ritter Cannstatt zusammensetzte. Daneben gab es neben Marzipanwaren ein Sortiment aus gefüllten Schokoladenstangen, Krokantstangen, Streuselkuchen, Weinbrandbohnen mit Kruste und Pralinen.
Entscheidung für Waldenbuch
1926 arbeiteten schon 80 Menschen in der Firma der Eheleute. Die Notwendigkeit, den Arbeitsprozess zu mechanisieren und die große Nachfrage erzwangen den Umzug. Zur Wahl standen die Fabrikgebäude der ehemaligen Kreuzigerwerke in Waldenbuch und das Gebäude der späteren Firma Bauknecht in Stuttgart-Kaltental. Alfred Ritter entschied sich für den Standort Waldenbuch, weil die Fabrik ursprünglich als Schokoladenfabrik gebaut worden war. Außerdem gab es Gebäude für Kraftfahrzeuge und einen Hühner- und Kuhstall. Das große Gelände erlaubte den Anbau von Erd- und Johannisbeeren, die für Fruchtfüllungen gebraucht wurden.
Am 1. Juli 1930 zog die Firma nach Waldenbuch um. Das Fabrikantenehepaar erwarb bald das Grundstück, das es gemietet hatte, für stolze 156.000 Reichsmark. Alfred Ritters fachkundige Mitarbeiter pendelten täglich im firmeneigenen Bus zwischen Waldenbuch und Bad Cannstatt – ein Service, der viele Jahre aufrecht erhalten wurde. Die Geschäftsverbindungen zum Cannstatter Stammhaus bestanden sogar noch bis ins Jahr 1970. Zunehmend fanden jedoch auch Menschen aus dem damals 2.500 Einwohner zählenden Waldenbuch in Alfred Ritters Werk Beschäftigung.
Waldenbucher Schokoladenfabrik von Alfred Ritter in den ehemaligen Kreuzigerwerken im Jahre 1930. (Bild: Firmen-Archiv Ritter)
Neue Produkte vom Feinschmecker
Auch während der Weltwirtschaftskrise florierte die Firma, in der Clara Ritter das Zepter über die Finanzen schwang, während ihr Gatte, von Natur aus Feinschmecker, immer neue Produkte austüftelte. Bald wurden vier Sorten Langtafel-Vollschokolade hergestellt: Vollmilch, Vollmilch-Nuss, Mocca und Schmelz. Außerdem wurden Edelsorten produziert, die sich aber wegen des hohen Preises von 50 Pfennig pro Tafel nicht gut verkauften. Besonders erfolgreich im Verkauf über den Einzelhandel war die Sorte „Nuss in Cellophan“, eine Tafel mit ganzen Nüssen. Wie in Cannstatt auch, wurden in Waldenbuch 50 Sorten Pralinen in sechs verschiedenen Mischungen und viele Oster- und Weihnachtsartikel hergestellt.
Quadratisch.Praktisch.Gut
1932 kam es zum großen Wurf, dessen nationaler und internationaler Erfolg auf ganzer Linie aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzen sollte. Clara Ritter schlug ihrem Gatten vor: „Machen wir doch eine Schokolade, die in jede Jackentasche passt, ohne dass sie bricht und die das gleiche Gewicht hat wie die Langtafel.“ Das Schokoladenquadrat bekam den Namen: „Ritter-Sportschokolade.“
Typisches Schokoladenquadrat der Firma Ritter. (Foto: S.Schmidt)
Mit freundlicher Genehmigung der Sindelfinger Zeitung/Böblinger Zeitung
Erstveröffentlichung: Das 20. Jahrhundert im Spiegel der Zeit. Der Kreis Böblingen im Rückblick vor 100 Jahren. Röhm Verlag Sindelfingen 1999