Noch vor hundert Jahren läutete auf dem Rathaus zu Bondorf im Gäu des Nachts um 10 Uhr ein silbernes Glöckle, um etwaigen, so irregegangenen, anzuzeigen, wo sie sind. Die alten Leute erzählen von dem Glöckle folgende Sage.
Einst lebte auf der Burg zu Bondorf ein edles Fräulein, das hatte sich im Wald verirrt. Die Nacht brach schon herein, und immer hatte sie den Heimweg noch nicht gefunden. Sie eilte vor Angst im Wald hin und her und ging dabei immer mehr in die Irre. Drei Stunden lang ging sie so. Aber dann fiel sie unter einer Tanne nieder und betete inbrünstig zu Gott und gelobte, ein silbernes Glöckle stiften zu wollen, das alle Nacht den Verirrten den Weg weisen möchte, falls Gott ihr ein Zeichen sende, das sie den Heimweg finden ließe. Siehe ! da erklang herüber von Bondorf das Zehnuhrglöcklein, und da wußte das arme Fräulein, wo aus und ein. Sie langte glücklich in Bondorf an, hielt ihr Gelübde und stiftete ein silbernes Glöckle. Das muss nun in der Nacht um zehn Uhr geläutet werde, und es hat schon manchem Verirrten den rechten Weg gewiesen.
Bei dem großen Brand, der im Dezember 1827 mehr als fünfzig Häuser in Asche gelegt hat, ist das Silberglöckle geschmolzen.
Unter dem Titel „Der Häseltrog – Sagen und Geschichten aus Schönbuch und Gäu“, gab der Heimatgeschichtsverein für Schönbuch und Gäu e.V. im Jahre 1950 seine erste Publikation heraus. Gesammelt und bearbeitet wurden die Sagen von Eberhard Benz, die Illustrationen stammen von der Grafikerin Waltraut Jasper. 1993 brachte der Verlag des Böblinger Boten eine Faksimile-Ausgabe heraus, die ebenfalls vergriffen ist.
Erstveröffentlichung: Aus Schönbuch und Gäu. Beilage der Böblinger Post, Nr. 9/1949, S. 35.
Mit freundlicher Genehmigung des Heimatgeschichtsvereins für Schönbuch und Gäu e.V.