Das Sindelfinger Sandwerk Körner
Autor: Werner Held
Der Verein der Freunde des Sandwerks Körner hat das Mahlwerk in der stillgelegten Sandmühle nördlich von Sindelfingen wieder in Gang gesetzt. Die Naturschützer hoffen, dass auch das Biotop beim Sandwerk davon profitiert, wenn dort zu Schauzwecken Sand gemahlen wird.
Getöse hebt an. Aus dem Maschinenhaus des Sandwerks Körner im Waldgebiet Spitzholz quillt Dieselqualm. Der Motor treibt ein Transmissionssystem an, das seine Kraft auf die Prallmühle überträgt, die in ein Loch im Boden eingelassen ist. Andreas Watzi turnt aus dem Maschinenhaus in das Loch und wirft Steine in die Mühle. Die Brocken werden gegen Stahleinlagen geschleudert, bis sie zu Sand zerfallen sind. Jetzt müsste eigentlich das Becherwerk laufen, das in seinen Schaufeln den Sand in den Turm der Aufbereitungsanlage transportiert, wo er in zwei Fraktionen gesiebt wird. Doch der Transmissionsriemen ins Obergeschoss ist zu lang, die Motorkraft verpufft. Frank Hornikel schnappt ein Vierkantholz und versucht, dem Lederriemen mehr Spannung zu verleihen. Der Trick klappt. Für ein paar Sekunden beginnen die Schaufeln gefüllt von unten nach oben und leer in die Gegenrichtung zu wandern. Beifall brandet auf unter den Freunden des Sandwerks Körner, die am Rand der Prallmühlengrube das Schauspiel beobachten.
Andreas Watzi ist zufrieden. „Das mit dem Riemen kriegen wir hin“, sagt er. Der 20-jährige Landmaschinenmechaniker hat den Motor der Sandmühle wie auch den Muldenkipper Zettelmayer A 2, Baujahr 1952, mit dem er einige Runden dreht, wieder zum Laufen gebracht. In der Zeitung habe er davon gelesen, dass sich ein Verein des Industriedenkmals, in dem bis 1992 Sand hergestellt worden ist, annehmen will. Da er als Kind auf dem letzten Zeugen dieser Produktionsweise in Deutschland herumgekraxelt und ein Technikfreak ist, hat er den Freunden des Sandwerks seine Hilfe angetragen. „Andreas ist ein Glücksfall für uns“, freut sich die Vereinsvorsitzende Christa Habisreitinger. Was Watzi und die Vereinsmitglieder, unterstützt von Firmen aus der Baubranche, aus dem halb verfallenen Industriedenkmal gemacht haben, führten sie am Samstag der Öffentlichkeit vor. Seinen Teil zur Restaurierung beigetragen hat auch der Verein für Jugendhilfe. Eine Gruppe, die der Verein betreut, hat die Schaufeln des Becherwerks instand gesetzt. Für die Technikfans gibt’s noch einiges zu tun. So rosten beispielsweise noch zwei Bagger auf dem Gelände vor sich hin und warten auf die Restaurateure.
Das mittlerweile renovierte Sandwerk Aufnahme von 2003. (Foto: Günther Niebel)
Die Freunde des Sandwerks Körner haben weitere Verbündete gefunden: das Amt für Stadtplanung und Umwelt der Stadt und den Angelsportverein (ASV) Sindelfingen. Auf den Flächen rund um das Sandwerk, auf denen Sand abgebaut worden ist, haben sich Tiere und Pflanzen angesiedelt, die offene, karge, sandige und warme Standorte brauchen. Auf diesem Rohboden hat die Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung J. Trautner fast 50 Wildbienen- und ebenso viele Laufkäferarten gezählt. Auch Zauneidechsen und seltene Schmetterlingsarten lieben solche Bedingungen.
Doch sie können nur mit menschlicher Hilfe erhalten bleiben, erklärt der Diplombiologe Michael Bräunicke. Sobald der Gesteinsabbau eingestellt war, begann der Wald das Gelände zurückzuerobern. Die Naturschützer haben es freigeschnitten. Doch solche Hilfe kostet Geld. Wenn nun die Freunde des Sandwerks, spekuliert Hartmut Koch vom Amt für Stadtplanung und Umwelt, ihr Kleinod hie und da zu Schauzwecken laufen lassen und dafür ein wenig Gestein wegbaggern, könnte wenigstens ein Teil des geschützten Biotops, das von regionaler Bedeutsamkeit ist, ohne große Kosten erhalten werden.
Und noch ein Biotop beherbergt das Sandwerkgelände: Eine große Abbaugrube hat sich im Laufe der Jahrzehnte mit Regenwasser gefüllt. Doch der Teich droht umzukippen. Algenwuchs, der Eintrag des Laubs der Bäume rundherum und ein Fischüberbesatz beeinträchtigen die Wasserqualität. Mit ein paar Brocken Brot lockt Helmut Rieger, Gewässerwart des ASV, Spiegel- und Schuppenkarpfen an. Daneben schwimmen Schwärme von Rotfedern in dem grünlichen-schlierigen Pfuhl. Der hohe Fischbesatz lässt die Amphibien nicht so recht zum Zug kommen, weil die Karpfen Laich und Kaulquappen von Bergmolchen, Gras- und Wasserfröschen wegfressen. Lediglich die Brut der Erdkröten ist so gut gegen Fraßfeinde geschützt, dass sich am Teich eine größere Population hält, erklärt Bräunicke. Rieger will den Teich abfischen, um vor allem die im Schlamm wühlenden Karpfen zu dezimieren. Die Wasserexperten hoffen, dass sich dann Bedingungen einstellen, die den Teich auch zum Lebensraum für seltenere Amphibien machen.
Auszug aus der Denkmalbeschreibung der Landesdenkmalpflege Baden-Württemberg:
Denkmalbeschreibung des Sandwerks Körner Sindelfingen
Landesdenkmalamt Baden-Württemberg
Kreis: Böblingen, Gemeinde: Stadt Sindelfingen
Az.: 34/Münz
Liste der Kulturdenkmale: Sindelfingen, Im Spitzholz II
Bezeichnung des Objekts: Quarzsandbetrieb
Denkmalschutzgesetz: § 2
Die Anlage stellt in ihrer Gesamtheit ein typisches Bindeglied zwischen dem althergebrachten Handabbau in Höhlen, wie sie z.T. im Schwäbischen Wald noch vorhanden sind, und dem heutigen Abbau in Tagebaumanier dar. Nach Auskunft des „Industrieverbandes Steine und Erden“ existieren derartige Betriebe allenfalls noch auslaufend in der Hand sehr alter Betreiber. Die Normalform ist der erwähnte Tagebau.
Daher ist die noch erhaltene Anlage mit ihren Seilbaggern und der Sandaufbereitung bzw. Sortierung als materiale Quelle eines ehemals verbreiteten, nunmehr nahezu ausgestorbenen Gewerbezweigs von erheblicher Bedeutung. Da hier vielleicht am allerletzten Exemplar die Betriebsweise und -technik einer solchen Anlage erforscht werden kann, besteht ein öffentliches Interesse zumindest aus wissenschaftlichen (technik- und wirtschaftshistorischen) Gründen. Heimatgeschichtliche Gründe sind…auch zu vermuten, lassen sich ohne weitere Forschung bisher jedoch nicht belegen.
Die Erhaltenswürdigkeit der Anlage ergibt sich aus der quasi-betriebsbereiten Überlieferung, nicht jedoch aus der Technikhöhe einzelner Bestandteile wie Fördereinrichtungen, Bagger oder Gebäude. Aus diesem Grunde ist nur eine Erhaltung am Ort sinnvoll und nicht etwa die Überführung in ein technisches Museum.
Zur Verfügung gestellt vom Amt für Stadtplanung und Umwelt, Abt. Denkmalschutz, Sindelfingen
Der sog. Elevator funktioniert wieder. (Foto: Günther Niebel)
Erstveröffentlichung: Kreiszeitung Böblingen / Böblinger Bote vom 20. September 2005
Mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Kreiszeitung / Böblinge Bote