Der alte Schafstall in Dachtel
Autor: Hans Mozer
In den meisten württembergischen Dörfern gab es Schafställe, weil die Schafzucht ein bedeutender Wirtschaftszweig war. Durch den Strukturwandel in der Landwirtschaft und damit auch in der Schafhaltung wurden die alten Ställe nicht mehr genutzt. In vielen Orten existiert heute kein Schäfer mehr. Die Ställe standen einer Dorferweiterung und anderen Baumaßnahmen im Weg und wurden abgerissen.
In Dachtel wird der Stall noch genutzt. Der Hauptbetrieb des Schäfers vollzieht sich aber in einem großen Stall, der den Anforderungen einer zeitgemäßen wirtschaftlichen Arbeitsweise gerecht wird. Da die alten Schafställe in Aidlingen in der Böblinger Straße und in Deufringen in der Alten Steige verschwunden sind, gewinnt das Gebäude in Dachtel als Zeuge früherer Wirtschaftsweise an Bedeutung.
Wechselbeziehung
Auf den kargen Böden des Heckengäus hat die Schafhaltung eine alte Tradition. Die charakteristische Form der Heckengäulandschaft steht in einer lebendigen Wechselbeziehung durch die Schäferei. Die Wacholder- und Steppenheiden sind eigentlich keine Naturlandschaften, sondern erst durch die Schafbeweidung so entstanden. Alles, was stachelig ist, meiden die Schafe beim Fressen, den Wacholder-, Schleh- und Weißdorn und andere dornige Sträucher. Sie blieben stehen und gliedern jetzt die abwechslungsreiche Landschaft.
Der alte Schafstall in Dachtel. (Bild: Susanne Schmidt)
Schon früher gab es in der Deckenpfronner Straße in der Nähe des einzigen Brunnens einen Schafstall. Der angrenzende Flurname „Schäferwiesen“ bezeugt diesen Standort. Im Jahr 1866 wurde im Oberdorf bei den drei Linden eine Schafscheuer errichtet, die jetzt auf der Denkmalliste steht. Auf einem massiven Sockel aus Muschelkalksteinen, die Eckquader sind aus Sandstein, erhebt sich ein eingeschossiges Fachwerkgebäude von 17,4 Meter Länge und 8,3 Meter Breite. Unter dem Satteldach befindet sich ein zweigeschossiger Dachstuhl, der zur Aufbewahrung des Heus für die Fütterung im Winter dient.
Das Fachwerk mit V-Streben und ohne Geschossvorstöße steht noch in der Tradition des frühen 19. Jahrhunderts. Der Innenraum ist ein Einraum; dies entspricht der Nutzung. Futterraufen an den Wänden und zwischen den Stützen teilen die Fläche ein. Eine Stützreihe in der Mitte trägt den Dachboden. Im Sommer, wenn die Schafe nur über Nacht im Stall bleiben, finden 300 Tiere Platz. Im Winter, wenn gefüttert werden muss, etwa 100 Schafe mit ihren Lämmern. Der Zugang erfolgt an der Traufseite über ein Tor in der Mitte. Das Heu kann über ein versetzt errichtetes Zwerchhaus am Dach eingebracht werden.
Vierte Generation
Anfangs wurde der Stall von zwei Schäfern am Ort genutzt, später und bis heute von der Schäferfamilie Schaible. Seit 1901 betreiben sie in der vierten Generation die Schäferei in Dachtel. Der Urgroßvater, Kurt Schaible, stammte aus einem Schäfereibetrieb aus Gechingen. Die Miete für den Schafstall, der Eigentum der Gemeinde ist, war in der Schafweidepacht enthalten.
Begehrt war früher der Pferch. Da zur Düngung der Äcker noch kein Kunstdünger zur Verfügung stand, waren die Bauern auf das transportable Gehege angewiesen. Der Pferch wurde für dreimal vier Nächte auf dem Rathaus versteigert. Die Weideflächen waren kleiner und nicht zusammenhängend, was nicht selten Konflikte mit den angrenzenden Landwirten gab.
Hammel nach Paris
Bis zum Ersten Weltkrieg stellte die Schäferei in Württemberg einen ertragreichen Wirtschaftszweig dar. Im 16. und 17. Jahrhundert lieferte sie schwerpunktmäßig Wolle für die Tuchherstellung, im 19. Jahrhundert Fleisch für den französischen Markt. So weiß Hermann Schaible, Senior, noch, dass die Schäfer mit den schlachtreifen Hammeln nach Frankreich zogen, manche sogar bis Paris, um sie dort zu verkaufen. Heute steht die Produktion von Fleisch im Vordergrund, da die Wolle billiger vom Ausland importiert wird.
Der Schäfer ist gerade bei uns ein naturschonender Landschaftspfleger. Denn ohne die Beweidung durch Schafe könnte die vielfältige Heckengäulandschaft nicht erhalten werden. Dies gilt vor allem für Heideflächen, die in Landschafts- und Naturschutzgebieten liegen. Sie sind Lebensräume für seltene Pflanzen und Tiere, die vom Aussterben bedroht sind.So ist die Erhaltung des alten Schafstalles nicht nur aus heimatgeschichtlichen Gründen von Bedeutung, sondern auch aus ökologischer Sicht wichtig. Im Rahmen der Dorfentwicklung wurde der Schafstall 1984 renoviert. Das Land Baden-Württemberg gab dazu auch einen Zuschuss.
Schafe bei Dachtel. Im Hintergrund Naturschutzgebiet Storrenberg. (Foto: Qwesy/Wikimedia Commons; Lizenz: Creative Commons- BY-3.0, Kurzform)
Mit freundlicher Genehmigung des Autor und der Sindelfinger Zeitung/Böblinger Zeitung.
Quelle: Denkmale in der Nachbarschaft – gesehen und besucht im Kreis Böblingen. Röhm Verlag Sindelfingen 1990.
In den meisten württembergischen Dörfern gab es Schafställe, weil die Schafzucht ein bedeutender Wirtschaftszweig war. Durch den Strukturwandel in der Landwirtschaft und damit auch in der Schafhaltung wurden die alten Ställe nicht mehr genutzt. In vielen Orten existiert heute kein Schäfer mehr. Die Ställe standen einer Dorferweiterung und anderen Baumaßnahmen im Weg und wurden abgerissen.
In Dachtel wird der Stall noch genutzt. Der Hauptbetrieb des Schäfers vollzieht sich aber in einem großen Stall, der den Anforderungen einer zeitgemäßen wirtschaftlichen Arbeitsweise gerecht wird. Da die alten Schafställe in Aidlingen in der Böblinger Straße und in Deufringen in der Alten Steige verschwunden sind, gewinnt das Gebäude in Dachtel als Zeuge früherer Wirtschaftsweise an Bedeutung.
Wechselbeziehung
Auf den kargen Böden des Heckengäus hat die Schafhaltung eine alte Tradition. Die charakteristische Form der Heckengäulandschaft steht in einer lebendigen Wechselbeziehung durch die Schäferei. Die Wacholder- und Steppenheiden sind eigentlich keine Naturlandschaften, sondern erst durch die Schafbeweidung so entstanden. Alles, was stachelig ist, meiden die Schafe beim Fressen, den Wacholder-, Schleh- und Weißdorn und andere dornige Sträucher. Sie blieben stehen und gliedern jetzt die abwechslungsreiche Landschaft.
Der alte Schafstall in Dachtel. (Bild: Susanne Schmidt)
Schon früher gab es in der Deckenpfronner Straße in der Nähe des einzigen Brunnens einen Schafstall. Der angrenzende Flurname „Schäferwiesen“ bezeugt diesen Standort. Im Jahr 1866 wurde im Oberdorf bei den drei Linden eine Schafscheuer errichtet, die jetzt auf der Denkmalliste steht. Auf einem massiven Sockel aus Muschelkalksteinen, die Eckquader sind aus Sandstein, erhebt sich ein eingeschossiges Fachwerkgebäude von 17,4 Meter Länge und 8,3 Meter Breite. Unter dem Satteldach befindet sich ein zweigeschossiger Dachstuhl, der zur Aufbewahrung des Heus für die Fütterung im Winter dient.
Das Fachwerk mit V-Streben und ohne Geschossvorstöße steht noch in der Tradition des frühen 19. Jahrhunderts. Der Innenraum ist ein Einraum; dies entspricht der Nutzung. Futterraufen an den Wänden und zwischen den Stützen teilen die Fläche ein. Eine Stützreihe in der Mitte trägt den Dachboden. Im Sommer, wenn die Schafe nur über Nacht im Stall bleiben, finden 300 Tiere Platz. Im Winter, wenn gefüttert werden muss, etwa 100 Schafe mit ihren Lämmern. Der Zugang erfolgt an der Traufseite über ein Tor in der Mitte. Das Heu kann über ein versetzt errichtetes Zwerchhaus am Dach eingebracht werden.
Vierte Generation
Anfangs wurde der Stall von zwei Schäfern am Ort genutzt, später und bis heute von der Schäferfamilie Schaible. Seit 1901 betreiben sie in der vierten Generation die Schäferei in Dachtel. Der Urgroßvater, Kurt Schaible, stammte aus einem Schäfereibetrieb aus Gechingen. Die Miete für den Schafstall, der Eigentum der Gemeinde ist, war in der Schafweidepacht enthalten.
Begehrt war früher der Pferch. Da zur Düngung der Äcker noch kein Kunstdünger zur Verfügung stand, waren die Bauern auf das transportable Gehege angewiesen. Der Pferch wurde für dreimal vier Nächte auf dem Rathaus versteigert. Die Weideflächen waren kleiner und nicht zusammenhängend, was nicht selten Konflikte mit den angrenzenden Landwirten gab.
Hammel nach Paris
Bis zum Ersten Weltkrieg stellte die Schäferei in Württemberg einen ertragreichen Wirtschaftszweig dar. Im 16. und 17. Jahrhundert lieferte sie schwerpunktmäßig Wolle für die Tuchherstellung, im 19. Jahrhundert Fleisch für den französischen Markt. So weiß Hermann Schaible, Senior, noch, dass die Schäfer mit den schlachtreifen Hammeln nach Frankreich zogen, manche sogar bis Paris, um sie dort zu verkaufen. Heute steht die Produktion von Fleisch im Vordergrund, da die Wolle billiger vom Ausland importiert wird.
Der Schäfer ist gerade bei uns ein naturschonender Landschaftspfleger. Denn ohne die Beweidung durch Schafe könnte die vielfältige Heckengäulandschaft nicht erhalten werden. Dies gilt vor allem für Heideflächen, die in Landschafts- und Naturschutzgebieten liegen. Sie sind Lebensräume für seltene Pflanzen und Tiere, die vom Aussterben bedroht sind.So ist die Erhaltung des alten Schafstalles nicht nur aus heimatgeschichtlichen Gründen von Bedeutung, sondern auch aus ökologischer Sicht wichtig. Im Rahmen der Dorfentwicklung wurde der Schafstall 1984 renoviert. Das Land Baden-Württemberg gab dazu auch einen Zuschuss.
Schafe bei Dachtel. Im Hintergrund Naturschutzgebiet Storrenberg. (Foto: Qwesy/Wikimedia Commons; Lizenz: Creative Commons- BY-3.0)
Mit freundlicher Genehmigung des Autor und der Sindelfinger Zeitung/Böblinger Zeitung.
Quelle: Denkmale in der Nachbarschaft – gesehen und besucht im Kreis Böblingen. Röhm Verlag Sindelfingen 1990.